Ofra Haza – London, Queen Elizabeth Hall


Ian stelle sich vor: Modern Talking – Gott hab sie selig! – wenden sich dem germanischen Kulturgut zu. Fachkundig beraten, intonieren sie Lieder der Vergangenheit, von Walter von der Vogelweide bis Schubert, in „zeitgemäßem Gewand“, mit einem Beat zum Mitklatschen.

Der Vergleich ist nicht gerecht, zugegeben. Ofra Haza hat nicht nur eine der ganz großen Stimmen, sie weiß auch, wie sie sie einsetzen kann. Und vor groben

Geschmacksentgleisungen ist sie ebenfalls gefeit. Dennoch wirkt diese Bühnenpremiere ihrer jüdischen Lieder aus Jemen, als kämen sie aus der Retorte, tiefgefroren und hygienisch einwandfrei, überdeckt mit einer durchsichtigen Glasierung. Wüste in Aspik.

An der Musik lag es wohl kaum. Das Repertoire des Abends stammte überwiegend von der LP YEMENITE SONGS, einer der erfolgreichsten Platten der letzten Jahre aus der Schublade „Weltmusik“. Die Jahrhunderte alten vertonten Gedichte schienen unter den modernen Arrangements nicht gelitten zu haben.

Es lag auch nicht an der Band. Die um eine exzellente Streichergruppe erweiterten 3 Mustaphas zeigten, was die Ironie ihrer eigenen Darbietungen oft verbirgt: daß sie exzellente Musiker sind.

Das Problem lag bei der Sängerin selbst. So sehr sie sich bemühte (und gelegentlich ihr Charisma auch ahnen ließ), sie blieb eine Popsängenn, die sich mit Disco und Schlagern in Israel nach oben gesungen hat. Ein Hauch von halbseidenem Eurovisions-Chic lag über ihrer Bühnenshow – wie ihre Biographie beweist, ist diese Assoziation kein Zufall. Sie begann mit einer Melodie, die mittlerweile jeder von ihr kennt, auch wenn die meisten es nicht wissen: der orientalischen Stimme aus dem Remix der Coldcut Crew von Eric B. & Rakims „Paid In Füll“, gesampelt von dem Stück „Im Nin‘ Alu“. Doch erst, als sie bei ihrem englischsprachigen Disco-Repertoire angelangt war, wirkte sie vollkommen stimmig.

Vielleicht hatte man von diesem Höhepunkt des „Crossing The Border“-Festivals. dem wichtigsten Ereignis der Roots-Musik-Saison in London, einfach etwas anderes erwartet. Ich jedenfalls war auf eine Reise zur Oase eingestellt – und landete im Hilton von Tel Aviv.

Das Publikum war haltlos begeistert und zwang Ofra Haza, zwei ihrer Lieder zu wiederholen. Was als einmaliger Auftritt gedacht war, wird nun möglicherweise in anderen Ländern wiederholt. Wenn Ofra Haza will, wird sie auch bei uns ein Star.