Trauer und Wut


Der Rock-Messias wider Willen: Pearl Jams Eddie Vedder zieht nach Kurt Cobains Abgang Bilanz - und stürzt sich gleich wieder in die Arbeit

Eine Generation, die Kurt Cobain oder mich zum Sprachrohr hochstilisiert, muß wirklich ziemlich labgefuckt sein“, befindet Eddie Vedder mit einem bitteren Lachen. Der sensible, selbstkritische Frontmann, seit dem kommerziellen Aufstieg Pearl Jams ohnehin von Identitätskrisen geschüttelt, stellt nach Cobains Ableben erneut die Sinnfrage: „Was erwartet das Publikum von Leuten wie Kurt oder mir? Sie glauben, wir seien tolle Typen, die alles auf die Reihe kriegen, nur weil wir fähig sind, unsere Emotionen auszudrücken.“

Als Kurts Bruder im Geiste – beide stammen aus zerrütteten Verhältnissen, beide wurden vom plötzlichen Ruhm in den einengenden Mittelpunkt des Publikums- und Medieninteresses katapultiert -, empfindet Vedder tiefes Verständnis für die Verzweiflungstat des Nirvana-Kollegen: „Ich kann Kurts Beweggründe bestens nachvollziehen. In seinem Abschiedsbrief schrieb er, er habe die Lust an der Musik und am Leben verloren. Und warum? Man stirbt stückchenweise, wenn man keine Möglichkeit hat, sein Leben zu leben.“

Über Cobains Selbstmord war Eddie Vedder dennoch überrascht, er ging immer davon aus, vor Kurt das Zeitliche zu segnen: „Als er in Rom ins Koma fiel, bin ich vollends ausgerastet, ich rannte weinend im Haus herum und brüllte: ‚Bleib‘ hier, Mann, verdammt nochmal, bleib‘ hier.‘ Ich hatte keine Ahnung, daß er im Begriff war, sich das Leben zu nehmen.“ Als er dann später in einem Hotelzimmer von Cobains Todesschuß erfährt, suchen sich Trauer und Wut ein Ventil: „Ich schlug einfach das Mobiliar in Stücke.“

Die Frustration sitzt tief, Eddie Vedder sieht seine eigenen Probleme durch Kurts Freitod in makabrer Weise auf den Punkt gebracht. Doch anders als Kurt Cobain, der – vom jahrelangen Heroinkonsum zermürbt – offenbar keinen Ausweg aus seinem persönlichen Dilemma fand, gibt sich Vedder weiterhin kämpferisch:

„Ich werde die nächste Zeit damit verbringen, in meinem Keller Musik zu machen. Das ist für mich die einzige Möglichkeit, mit meinen Problemen konstruktiv fertig zu werden. Nach allem was Kurt zugestoßen ist, habe ich begriffen, daß ich einfach weiterarbeiten muß – und sei es nur deshalb, um nicht auch vor die Hunde zu gehen.“