Abenteuer hinter dem Bildschirm


Die Geschichte war längst fällig: Im Zeitalter der Computerspiele ist Stevm Lisberger der erste Regisseur, der sich hinter den Bildschirm begibt. Neu auch die Kombiivitum aus konventioneller Aufnahmetechnik und aufwendigen Tricks, die in den Disney-Studios hergestellt wurden. „Tron“ ist aber nicht nur ein optisch aufregender Film, sondern auch Märchen und futuristisches Denkspiel Die Märchen beginnen ab sofort nicht mehr mit „Es war einmal“, sondern mit „irgendwann“. Oder einfach damit, daß sich ein genialer Regisseur wie Steven Lisberger ins Innenleben eines Elektronengehirns begibt und dort Machtkämpfe galaktischen Ausmaßes inszeniert. Die Rede ist von einem der spektakulärsten neuen Filme, die derzeit in den Kinos zu finden sind: „Tron“.

„Tron“ ist nicht nur ein Novum, was die nebenbei gesagt längst fällige -Story betrifft. Neu ist vor allem die Kombination aus konventionellen Aufnahmen und einer aufwendigen Tricktechnik plus Computer-Grafik. Steven Lisberger, bekanntlich auch der Schöpfer der Dschungelolympiade (Animalympics), animierte die sonst eher traditionsbewußten Disney Studios in Burbank zu diesem neuartigen Versuch. Keiner von ihnen sollte das Experiment bereuen, denn „Tron“ ist genau der richtige Film in der richtigen Zeit, was schon der Kartenverkauf im Ausland beweist.

Hier geht es um mehr als um ein größenwahnsinniges Elektronengehirn. Hier geht es um eine völlig neue Schöpfungsgeschichte: neue Glaubensbekenntnisse werden von Computerprogrammen in Menschengestalt verinnerlicht. Denn die neuen Schöpfer heißen „User“ und haben die Computer programmiert.

Einer dieser User, Flynn (Jeff Bridges), entwickelte zahllose dieser Bildschirmspiele, für die neuen Altäre einer elektronisch faszinierten Generation. In seinem Spielerparadies schlucken diese Maschinen ein Vermögen, von dem er jedoch nur einen geringen Bruchteil sieht. Dillinger (David Warner), ein skrupelloser Kollege beim Elektronik-Konzern EN-COM, hatte ihm die Daten peu a peu aus dem Speicher geklaut, um sichmit diesen Ideen für neue Bildschirmspiele den Präsidenten-Sessel zu si ehern.

Aber Dillinger ist selbst nicht mehr ganz Herr der Lage. Das riesige von ihm aufgebaute Master Control Programm (MSP) hat ihn längst in der Hand und verlangt nun nach der Weltherrschaft. Natürlich ist der MCP auch gerissen genug, um mitzubekommen, daß Flynn seit seiner Entlassung aus dem Konzern verbissen versucht, die in dem Monstrum gespeicherten Informationen anzuzapfen. Also hat der Computer eigenmächtig eine interne Sperre ausgelöst.

Mit Hilfe der befreundeten Kollegen Alan (Bruce Boxleitner) und Lora (Cindy Morgan) startet Flynn ein abenteuerliches Unternehmen; er will den ausgedruckten Beweis, daß er der Erfinder jener umsatzrrächtigen Videospiele ist. Der Kampi beginnt:

Das MCP saugt ihn per Laser in sein Innerstes, ein Reich aus Koordinaten, Zellen, Energie. Nicht selten wirken die Ereignisse hinter dem Bildschirm wie Abenteuer im Weltraum : Es gibt unendliche Räume und eine Armee funktionstüchtiger Geister in futuristisch unwirklich blinkenden Uniformen.

Hier herrscht ein bösartiges System. (Jeder User hat hier sein zweites Ich in Form des von ihm eingegebenen Programmes.) Der diktatorische Sark ist Dillingers Nebengeschöpf. Ohne Skrupel laßt er friedfertige Buchhalter-Programme kidnappen, um sie der Abteilung Kriegsspiel oder Gladiatorenkämpfe einzuverleiben. Daß Flynn – der erste User, der je so realistisch mit den Auswüchsen seiner Arbeit konfrontiert wird in diesem unberechenbaren Labyrint überlebt, liegt einzig und allein daran, daß er all die Panzer, Motorräder, Kampf- und Abwehrkräfte einst per Knopfdruck auf den Weg gebracht hat.

Flynn ist der eigentliche Held, aber ohne Tron wäre seine Mission mit Sicherheit gescheitert. Tron ist das Programm von Alan und bis zur Selbstaufgabe loyal. (Natürlich ist er auch sein Ebenbild.) Und auch Lora hat ihre Spuren in dem unterdrückten System hinterlassen: Yori heißt ihr Schatten.

Wer hätte gedacht, daß die von Menschenhand geschaffenen Programme auch eine Seele besitzen? Yori und Tron lieben sich wie Alan und Lora. Der zum Elektronen-Gladiator ernannte Crom empfindet immerhin sowas wie Respekt vor dem wahrhaftigen User Flynn, und Dumont (Barnard Hughes), geistig verwandt mit dem Wissenschaftler Gibbs, agiert als weiser Hüter der Pforte, die in keinem Märchen fehlen darf.

Lisbergers Film ist Märchen und futuristisches Denkspiel zugleich. Hier grenzenlos naiv – dort schon wieder abstrakt. Abstrakt? Nicht für eine Generation von Kindern, die innerhalb weniger Minuten die Farbflächen des Zauberwürfels umsortiert und selbst schon im Kinderzimmer an Computerprogrammen tüftelt, die ihre begriffsstutzigen Eltern in fassungsloses Staunen versetzen.