Achtung! Fertig. Los?


Dichter als die Nebel von Avalon ist die Informations-Sperre im U2-Camp. Aha-Erlebnisse einer Schnitzeljagd.

Wenn die Ventile klappern, gibt’s bald einen Motorschaden. Wenn U2 im Berliner Hansa-Studio 44 Spulen Bandmaterial vollspielen, gibt’s bald eine neue Platte. Motor wie Band — keiner weiß genau, wann es passiert. Eigentlich sollte das neue Album (Titel: ACHTUNG BABY!) der irischen Supergruppe Anfang Oktober in den Regalen der Händler stehen. Ihre Plattenfirma BMG Ariola machte diesen Termin-Traum bereits Ende August zunichte. Begründung: “ U2 sind eben noch nicht fertig.“ Tag der Veröffentlichung sei nun der 18. November.

Das U2-Camp in Dublin hat die Informations-Schotten dicht gemacht, vor allem über den neuen Sound der Band gibt es nur mehr oder weniger nebulöse Spekulationen. Von dancefloor-orientierten Stücken war die Rede, dann sollte es wieder europäisch und modern klingen. „Die Songs sind ein bißchen schneller und umspannen eine breite Palette von Folk bis Rock“, sagt Alexander Kröpf]. Der 21jährige Tonassistent war bei der Produktion im Berliner Hansa-Studio-2 ständig präsent und gewann viele Höreindrücke. Aussagekraft über das Endprodukt haben sie aber genausowenig wie die Tracks des (aus dem Hansa-Studio geschmuggelten) Bootlegs „The New“, denn „im Prinzip könnte es eine ganz gewöhnliche U2-Platte werden, aber bei der Abmischung läßt sich der Spieß natürlich völlig umdrehen. Auf jeden Fall haben sie alles live eingespielt und wenig Keyboards benutzt.“ Aha.

Sicher ist dagegen, daß Bono und Konsorten in Berlin 44 Mehrspur-Bänder mit je 30 Minuten Spielzeit volljammten und sich anschließend im Frühling dieses Jahres mit dem Materialberg in ihr Windmill-Lane-Domizil nach Dublin zurückzogen. Dort gewährten sie nur einem Reporter des U2-Fanzines „Propaganda“ einen kurzen Blick durch die Studiotür. Immerhin durfte er mit Hausproduzent Daniel Lanois reden, doch auch der bleibt, auf den aktuellen U2-Sound angesprochen, eher nebulös: „In Berlin herrschte etwas mehr Spannung, weil wir dort eine Mission hatten, eine konkrete Absicht. Wir mieteten das Hansa-Studio, um die Identität der Platte festzulegen und die härteren Rock-Titel aufzunehmen. „Diese seien nach Meinung von U2 weitaus schwieriger zu schreiben und produzieren, wohingegen die verträumten, melancholischen Songs wie von selbst kämen. „Die schreibst du besser in deinem Schlafzimmer und spielst sie in einer vertrauten Umgebung ein“, sagt Lanois. „Irland, abseits der Großstädte, ist dafür der richtige Ort. Die Kraft der See ist ein zuverlässiger Freund. “ Aha.

Ein anderer Freund — Brian Eno — hatte im Winter für zwei Wochen in Berlin vorbeigeschaut und das Regiment kurzzeitig übernommen. Alexander Kröpfl erinnert sich, daß die Musiker von U2 während dieser Periode viel arbeitswütiger waren: „Dieser Mann strahlt einfach eine tierische Energie aus.“ Auch Daniel Lanois schätzt Brian Eno als kreativen Geist mit einer Reihe guter Einfälle und einer reich gefüllten Trickkiste. „Wenn er da ist, dann wird es eine spaßige Zeit mit verrückten Ideen und am Ende sind mindestens die Hälfte aller Ideengut und siegeben dem Album den Hauch von Innovation und Fremdartigkeit, das es benötigt. “ Aha.

Versuchen wir’s bei Anja Scheding, die die Buchungen für das Hansa-Studio vornimmt und dort im Büro arbeitet. „Die Gitarrenmelodie war im ganzen Haus zu hören. Mir hat’s gefallen, aber mit Dancefloor hatte das bestimmt nichts zu tun. “ Möglicherweise war es jener Song, von dem Daniel Lanois schwärmt: „Er erinnert mich an eine große amerikanische Ballade, ein bißchen Everley Brothers, mit einer dichten, straffen Rhythmussektion und üppigen Streichern.“ Vielleicht fragen wir den Produzenten besser nach der Arbeitsweise der Band: „Bonos Texte entstehen, während die Band im Studio probt.“ Bono murmelt dazu einige undefinierbare Gesangstöne. „Wir nennen die Worte Kongolese'“, weiß Lanois, „Bananentötfe“heißt das, wie man weiß, bei anderen Bands. „One“, „Mysterious Ways“, „Fat Boy“, .Arms Around The World“, „Bareback“, die geplante Vorab-Single „Wild Horse“ und der Soundtrack-Beitrag zum neuen Wenders-Film „Until The EndOf The World“.

Die Plattenfirma ist dagegen optimistisch (das ist ihr Job), daß das Album ACHTUNG BABY! tatsächlich am 18. November in den Laden steht. Aber auch sie weiß nicht zu sagen, wie lange U2 an ihren Songs herumdoktern und wann Daniel Lanois die Schnauze voll hat.

Zumindest sieht es danach aus, als hätten U2 Anfang September noch ordentlich in Dublin gearbeitet, denn „die haben unsere Tonassistentin Shannon Strong mit nach Irland genommen „, sagt Anja Scheding von Hansa, “ und bis jetzt ist sie noch nicht zuriickgekehrt. “ Aha.