Alexis Korner


Was da so ganz anonym als "Jazz Rock Session" in Hamburgs Aushängeschuppen 'Onkel Pö' angekündigt war, entpuppte sich als Live-Produktion der neuen Alexis Korner-LP: zusammen mit den Musikern der englischen Jazz-Rock-Formation Back Door. Alexis, der bekanntlich niemals mit einer Gruppe zweimal auf Tour geht, sondern immer nur einmal dabei ist, um eine Gruppe zu fördern, erklärt: "Ich wüßte im Moment wirklich nicht, welche andere Band ich unterstützen sollte. Die Jungs von Back Door sind keine eingefahrenen Musiker, es macht ungeheuer Spaß, mit ihnen zu arbeiten und mit ihnen auf Tournee zu gehen."

Als ein sehr sympathischer Zug während der gesamten Korner-Tournee erwies sich der Umstand, daß Back Door nicht dazu verurteilt waren, lediglich das Vorprogramm zu bestreiten. Die dreiköpfige Newcomersroup bildete einen festen Bestandteil der Alexis Korner-Band – neben Alexis‘ Schatten Peter Thorup und dem ehemaligen If-Saxophonisten Dick Morrisey. Verständlich, daß in einer angejazzten Stadt wie Hamburg fürcinen solchen Konzertabend das Pö auch dann noch zu klein gewesen wäre, wenn es das zehnfache Fassungsvermögen gehabt hätte. Zum Glück jedoch stand Alexis einen Abend vor den Aufnahmen noch auf den Bühnenbrettern zusammen mit seinem neuen Team.

Hier zog er vor so gut wie ausverkauften Rängen ein Programm ab, das sich vom simplen Country-Blues bis zum trickreich arrangierten Jazz-Rock erstreckte.

„…und wehe ich mach‘ Jazz“

So sehr Korner sich momentan der Jazzmusik verschrieben zu haben scheint, so nachdrücklich verlangten mutige Stimmen aus dem Publikum immer wieder Blues, Blues und noch mehr Blues. Alexis Korner ist sich dieses Problems voll bewußt, dem er sich Abend für Abend ausgeliefert sieht: „Wenn ich auf der Bühne steh‘, mit der Gitarre in der Hand oder hinterm Klavier, dann ist alles klar, dann reiß das Publikum: Jetzt gibt’s Blues. Das ist natürlich verständlich. Ein großer Teil der Leute, die mich live erleben, kommen zum erstenmal in eines meiner Konzerte. Und für sie bin ich nach wie vor so etwas wie eine lebende Blues-Legende — und wehe, ich mache Jazz!“ Unumwunden gibt er zu, daß ihm die Titulierung „Der Vater des weißen Blues“ zum Halse heraushängt.

Damit hat Alexis das Kernproblem seiner Karriere angesprochen. Er, aus dessen Bands Weltstars wie Mick Jagger, Eric Burdon, Ginger Baker oder Jack Bruce hervorgegangen sind, ist eigentlich nie in den Ruf gekommen, ein Superstar zu sein. Wohl nicht zuletzt, weil ihm die Musik immer eine Idee wichtiger war als die Popularität.

Ein Juwel in der Masse neuer LPs

Dennoch sieht es so aus, als ob es ihm mit seinem im April veröffentlichten Album „Get Off Of My Cloud“ doch noch gelingen wird, die Kluft zwischen ihm und allen Popmusik-Fans zu überbrücken. Musiker, die unter den jüngeren Popfans weitaus bekannter sein dürften als er selbst, die aber immer noch nicht müde geworden sind, sich von den musikalischen Impulsen des Altmeisters inspirieren zu lassen, haben mit dafür gesorgt, daß das neue Korner-Album gute Aussichten hat, ein Juwel unter den unzähligen Neuerscheinungen zu werden. Doch nicht nur das Mitwirken von Keith Richard, Steve Marriott, Peter Frampton oder Nicky Hopkins wird diese Scheibe für einige Zeit unvergeßlich machen; auch die Auswahl der frisch belebten alten Titel wie der Titelsong „Get Off Of My Cloud“ (Alexis und Keith im Duett) oder „Slow Down“ und „You Are My Sunshine“ werden dazu beitragen.

„Für mich ist diese LP eine Erlösung“, gesteht Alexis, des eingefahrenen Images müde. „Und ich verspreche, daß dies nicht die letzte Produktion in dieser Richtung bleiben wird!“ Seiner Idealvorstellung würde das Album zwar noch nicht entsprechen, aber er sei damit schon „viel zufriedener“.

Die sogenannte Idealvorstellung kann er sowieso nicht in Worte kleiden. „Ich hab‘ da immer irgendwas im Kopf, aber das werfe ich laufend um.“ Wenn Alexis etwas ausbrütet, dann geht das innerhalb von mehreren Wochen vor sich.

Alexis plant Familien-LP

Eines dieser Vorhaben hängt schon lange in der Luft und konnte aus Zeitgründen noch nicht verwirklicht werden. Alexis plant, eine „Familien-LP“ im Studio von Steve Marriott aufzunehmen. „Ja, das wird ein Album mit meiner Tochter Sappho, mit einem meiner Söhne, der ein viel besserer Jazz-Gitarrist ist als ich, und einigen Freunden.“ Aber der Sohn ist voll ausgebucht. „Sappho“, (die übrigens auf der neuen LP die hohe Begleitstimme auf „I Gotcha Number“ sang) erklärt der stolze Vater, „ist eine fantastische Sängerin, aber leider möchte sie lieber Hausfrau bleiben als Karriere machen.“

„Die britische Szene ist zu steril

Nachdem Alexis nun die Gruppe Back Door gepusht und jetzt wieder auf die eigenen Füße gestellt hat, wird es wohl so schnell keine neue Band geben, die sein Interesse findet. „Die englische Popszene ist zu steril im Moment. Ich brauche Emotionen, aber ich muß sagen, daß mich das Popgeschehen vor fünf oder sechs Jahren viel mehr erregt hat. Ich bin total gegen diese Nostalgie, das Aufwärmen von alten Klamotten. – Und was das Feeling angeht: Bad Company zum Beispiel finde ich live recht gut. Doch sie werden niemals die Ausstrahlung von Free haben. Keine Gruppe, die aus Free hervorgegangen ist, hat das jemals geschafft.“

Für Alexis ist die englische Szene tot. „Im Moment erwarte ich den Stoß aus Amerika. Little Feat halte ich für eine ausgezeichnete Band.“ Und zur heimatlichen Szene meint er nur: „Wenn die Depression groß genug ist, wird es auch wieder gute Musik geben, mehr Feeling.

Es ist noch nicht schlimm genug, um besser zu werden …“