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„American Vandal“ auf Netflix: Ein Satire-Epos, den Schwänzen sei Dank


Im Stile von „Making A Murderer“ erzählt eine neue Comedy-Serie von Vandalismus und Social-Media-äbhängigen Teenagern. Und kritisiert im vorbeigehen die schlimmsten Eigenschaften von Dokumentationen.

Als Netflix vor einigen Wochen den Trailer zu „American Vandal“ veröffentlichte, dachten nicht wenige, dass es sich dabei um einen Scherz handele. Kann man wirklich eine komplette Crime-Serie darüber drehen, dass ein Lausbub Penisse auf 27 Autos gesprüht hat, die auf dem Schulparkplatz stehen? Das Vorhaben von Dan Perrault und Tony Yacenda, die Erfinder der Serie, klang zu absurd, um wirklich wahr zu sein. Nun steht die Serie aber tatsächlich auf Netflix zur Verfügung – und erweist sich als kleiner Triumph.

„American Vandal“: Trailer

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Perrault und Yacenda müssen das Genre True-Crime in den vergangenen Jahren nahezu verschlungen, seziert haben. „Making A Murderer“, „The Jinx“ und „American Crime Story“ fesselten zuletzt Zuschauer weltweit, ließen miträtseln, das Publikum Schuld- und Freispruch auf der Couch fällen. Die große Kunst bei diesen Serien war zum einen aufwändige Recherche, zum anderen geschickt geschriebene Drehbücher. In jeder Episode musste ein neuer Zeuge herangezogen und irgendwann mundtot gemacht werden, musste ein neuer Beweis, ein neues Motiv oder ein neuer Verdächtiger vorgestellt werden – glaubhaft natürlich.

All diese Mechanismen finden sich nun in „American Vandal“ wieder. Zwar ist die Show, deren acht Episoden jeweils etwas länger als eine halbe Stunde dauern, etwas zu lang und wiederholt die aktuelle Beweislage im Fall Dylan Maxwell, der die Schwänze auf die Autos gesprüht haben soll, etwas zu oft. Spannend bleibt die Frage nach Schuld und Unschuld dennoch. Weil „American Vandal“ beweist, dass jeder Kriminalfall aufregend ist und mysteriös wird, wenn man ihn nur richtig zusammenschneidet und die Musik an den richtigen Stellen anschwellen lässt.

Der Ausgangspunkt für ein Satire-Epos: Wer hat die Penisse auf die Autos gemalt?

Die Ausgangslage: Dylan wurde der Schule verwiesen, weil sich Schüler und Schulleitung schnell einig waren, dass nur er die Schwänze auf die Autos gemalt haben kann. Dylan ist ein Trottel, der sowieso oft Genitalien irgendwo hinschmiert, dazu dreht er Prank-Videos auf YouTube. Dort furzt er Leute an, wirft Bauarbeiterklos um und verarscht den 9/11-Verschwörer von nebenan. Allerdings können einige Freunde ihm ein halbwegs glaubwürdiges Alibi geben und der Kronzeuge Alex ist als notorischer Lügner bekannt. Immerhin hat Alex auch behauptet, dass das heißeste Mädchen der Schule ihm einen runtergeholt hat – eine These, der „American Vandal“ eine ganze Episode lang nachgeht. Immerhin ist der Fall so bedeutsam, dass jeder Zeuge, jeder Ankläger und jeder Anhaltspunkt bis ins Details überprüft werden muss.

Nur eine sehr kluge Show darf so dumm sein

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Rick and Morty“, die seit einigen weltweit gefeierte Trickfilmserie, hat folgenden Leitspruch: „Nur eine Show, die dermaßen klug ist, kann dermaßen dumm sein.“ Ähnlich verhält es sich bei „American Vandal“. Statt Fingerabdrücken und DNS-Tests halten hier Instagram-Follower und die banalen Chats zwischen Teenagern als Beweisstücke  her. Die Serie porträtiert eine vermeintliche durch Social Media verrohte Jugend, macht aus Macken, kindischen Lügen und unerfüllten High-School-Lieben ein Puzzle, das zusammengesetzt werden muss, um den Schwanz-Skandal aufzuklären. Und den unsympathischen Dylan vor seiner ungerechtfertigten Strafe zu zu retten.

Oder ist es doch alles viel einfacher? Hat Dylan die Autos am Ende wirklich besprüht? „American Vandal“ baut im Verlauf noch eine weitere Meta-Ebene in dieses große Schwachsinns-Mosaik ein: Der „Kriminalfall“ wird von zwei Schülern via Kamera dokumentiert. Von zwei Randfiguren des High-School-Lebens, die sich immer mehr in den Mittelpunkt der Dokumentation drängen, ihre Chance auf Ruhm und Anerkennung sehen. Und dabei zu spät merken, dass sie das Privatleben ihrer Protagonisten vielleicht zu sehr ausschlachten. Damit krönt sich „American Vandal“ dann auch noch endgültig zum smarten Kritiker eines Genres, das viel größer ist als True-Crime. Den Schwänzen sei Dank.

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