Ariel Pink


Gebäude 9, Köln

Ein Loblied auf Kurzweil, aufrichtige Exzentrizität, die Arche Noah für Zombies und eines der aufregendsten Konzerte des Jahres.

Im Vorraum des Gebäudes 9 in Köln erzählt mir jemand, Ariel Pink sei unsympathisch, Typ schwierige Künstlernervensäge, im Club King Georg habe er seine Band während des Konzertes (das er auf einer Box kauernd sang, ohne diese Position je zu verlassen) bepöbelt, der Schlagzeuger sagte angestrengt: „It’s so not cool to do this in front of an audience“, er gab zurück, dass das deutsche Publikum ohnehin kein Englisch verstehe. Nach dem Konzert belausche ich einen anderen, der sich alles soeben Erlebte mit Drogen erklärt, unter denen der Künstler laut ihm vorliegender Informationen stünde. Ein kindlicher Glaube der Einfaltspinsel: alles, was exzentrisch, far out, schräg ist, mit einem „ich möchte nicht wissen, was die genommen haben“ zu kommentieren – als würde alleine das im Handstreich wie der Zaubertrank, der Asterix Kräfte verleiht, aus einem Normalo einen durchgeknallten Künstler machen, der sich rätselhaft verhält. Aber ich falle mit der Tür ins Haus, in wenigen Zeilen mehr über Exzentrizität und sonderbares Benehmen.

Erst tritt Geneva Jacuzzi auf, die Exfreundin des Pinken. In Zebramusterhose, Sgt.-Pepper-Uniformjacke und Headset-Mikrofon (siehe Telemarketing, Madonna, Michael Jackson) führt sie eine irre und irre gute Performance zu rudimentären Noise-Wave-Dance-Tracks auf. Ihre Songs handeln von Möbeln, Riesenkraken oder einer Arche Noah für Zombies, was eines der schönsten Bilder ist, das sich ein Mensch vorstellen kann. Die Texte laufen wie bei Karaoke als Projektion über eine Leinwand, gelegentlich sind Zeilen durch „bla bla bla“ ersetzt, ständig gibt es solche Momente, wo der erwartete Fluss unterbrochen wird. Dazu Choreografien, die an Pantomime erinnern, oder an Stewardessen, die die Flugzeugsicherheitsvorkehrungen demonstrieren. Großartig!

Die Band beginnt ohne Sänger auf der Bühne, er wird per Videokamera-Livebroadcast aus dem Backstageraum auf die Leinwand projiziert, was einen ganz seltsamen Effekt hat, gerade in Zeiten, wo der virtual performer (Elvis, Tupac) zum immer gängigeren Spektakel wird. Natürlich fragt man sich: Ist es live oder aufgezeichnet? Wird er auf die Bühne kommen oder nicht? Ich erfahre später, dass in seinen Technikanweisungen verzeichnet ist, dass er die erste Viertelstunde nur virtuell zur Verfügung steht. Was die Sache nur interessanter macht, weil klar ist, dass es sich nicht um erratisches Benehmen einer spinnert-genialen Superknalltüte aus L.A. handelt, sondern um ein Spiel. Als er zur Band stößt, wird das Konzert weiterhin von Geneva J gefilmt und auf die Leinwand übertragen, verfremdet durch Videokamera-interne Digitaleffekte, was eine schrottig-psychedelische 80s-Cyberpunk-Home-Movie-Ästhetik ergibt, viel besser anzusehen, als diese Beschreibung vermuten ließe. Es ist von Anfang bis Ende ein herrliches Erlebnis, das einen Sog erzeugt, wie man es sich immer wünscht und nur selten wirklich erlebt: ein von der Zeit abgekoppelter Raum, in dem nicht mehr klar ist, ob 15 Minuten oder zwei Stunden vergangen sind. Bei aller Schrägheit seines Gebräus aus MOR-Rock, Bauhaus und den zwei Stimmen, mit denen er abwechselnd singt (Heliumstimme vs. Wavepop-Bariton) hat es eine große Leichtigkeit, selbstverständliche Coolness, und doch, ja: Humor. Obwohl alles unheimlich tight, routiniert, professionell ist, atmet es die Unberechenbarkeit, den Wahnsinn, die spontane Energie seiner frühen Homerecording-Experimente. Das Konzert ist aufregend, findet in seiner eigenen Welt mit eigenen Gesetzmäßigkeiten statt und erlaubt in seiner Mischung aus tighter Rockshow und verquerer Spleenigkeit einen Blick, wie man ihn als Teenie hatte, noch bevor einem die letztlich immer ähnliche Dramaturgie von Rockkonzerten klar geworden war. Dieses war anders.

Setlist

Kinski Assassin

Is This The Best Spot?

Pink Slime

Mature Themes

Only In My Dreams

Driftwood

Crusades

Among Dreams

Strange Fires

The Facts Of Destiny

Early Birds Of Babylon

She’s My Girl

Fright Night (Nevermore)

Menopause Man

Nostradamus & Me

Symphony Of The Nymph

Round And Round