Aus der Luft gegriffen


Vor dem nächsten Manic-Street-Preachers-Album widmet sich Nicky Wire mal wieder seiner Lieblingsbeschäftigung: verweigern und verwirren.

Seit Richey Edwards vor bald zwölf Jahren verschwunden ist, hat Nicky Wire seinem Sänger James Dean Bradfield allein die Worte in den Mund gelegt und dafür gesorgt, dass der Glam und das Androgyne nicht ganz hinter dem Arbeiterklassenpathos der Manie Street Preachers verschwindet. Nun haben beide, Bradfield und Wire, erste Solo-Alben veröffentlicht, die wenig gemein haben und, wie Wire eilig versichert, auch nur zufällig zur selben Zeit erscheinen. Bradfield langweilte sich bei der Gartenarbeit und brauchte Beschäftigung, Wire schreibt sowieso immer, und die Songs auf 1 killed THE ZEITGEIST lagen einige Monate herum, bis das kleine Label Red Ink den Zuschlag bekam. „Ich wollte einfach nur eine Independentplatte machen, ganz für mich allein. Mir ist egal, wie viel ich davon verkaufe, und einen Sticker .Bassist & Songwriter of The Manie Street Preachers’gibt es auch nicht. Ich weiß, dass es ein bisschen unglücklich ist. die Platte so kurz nach James‘ Album zu veröffentlichen. Aber nun sind eben beide Platten da, und ich mag die Idee, doss sie den Druck und die hohen Erwartungshaltungen an die nächste Manics-LP etwas eindämmen könnten.“

Nicky Wire kann überhaupt nicht singen. Das weif) er auch und hat das Beste daraus gemacht: Im Titelstück belfert er wie der Wut-Opa Mark E. Smith auf TH1S nation’s savinq grace, Nickys Lieblingsalbum von The Fall. Wires Balladen klingen angeschlagen, die Rocksongs zerschunden, fast abweisend. Der Songschreiber ist im Bilde: Nach diesen 13 Kompositionen mag vielleicht kaum jemand verlangt haben, doch sie schwirrten durch die Luft und mussten einfach geschrieben werden – Ende der Diskussion.“.Die nächste Manie Street Preachers wird auch ein wenig in diese Richtung gehen“, verrät er. „Das heißt: um einiges härter als unsere letzten Sachen. Ein paar Stücke klingen so, als würden GunsN‘ Roses .AU You Need Is Love‘ covern.“ Ob man die Platte wohl Chinese democracy nennen dürfte, wo doch das gleichnamige Mysterium von Axl Rose immer noch nicht erschienen ist? Wire lacht.“.Good old Axl! Wir könnten wahrscheinlich ein Triple-Album einspielen und wären immernoch eher fertig.“

Ganz am Ende gesteht Nicky Wire: Erdenkt noch immer oft an Richey. Eigentlich spricht fast alles dagegen, dass er noch lebt, und schon das empathische Meisterwerk everything must go von 1996 war ja eher ein Versuch, das Unbegreifliche zu begreifen und der Tragödie irgendeinen tieferen Sinn abzuringen. „Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren“, sagt Wire, und dann schweigt er.

www.nickywire.de