BAP


München. Weltstadt mit Herz. Ha! Zwecks Promotion ihres neuen Albums ‚Amerika‘ hatten BAP einen Sonderzug gechartert, um die Platte in bundesdeutschen Bahnhöfen live vorzustellen. Natürlich auch in München. Indes: „Die Veranstaltung kann nicht stattfinden, da die Sicherheit der Fans nicht gewährleistet ist“, so das örtliche Kreisverwaltungsreferat. Was überall im Land reibungslos über die improvisierte Waggonbühne ging, darf einzig in der bayerischen Landeshauptstadt nicht stattfinden. Statt dessen ein martialisch uniformiertes und schwer bewaffnetes Empfangskomitee der bajuwarischen Art – Bundesgrenzschutz, bekanntlich nicht eben diskussionsfreudige Zeitgenossen. Trotz der fast 500 Menschen, die sich am abgesperrten Gleis drängen, bleibt der BGS hart. Denn: Mit dem pünktlich um 13.55 Uhr einfahrenden ‚Gesellschafts-Sonderzug‘ ist Gefahr „im Ver-Zug“ – Chaos, Rock’n’Roll, Anarchie und Wahnsinn drohen! BAP bleibt nichts anderes übrig, als die neue Single ‚Nix Wie Bessher‘ und den Oldie ‚Verdamp Lang Her‘ akustisch zu spielen. Die Menge singt lauthals mit, der bayerische Mensch feiert eben gerne – wenn’s sein muß, auch unter Polizeischutz. Anschließend, als Entschädigung, eine ausgiebige Autogrammstunde.

Währenddessen drückt der Vertreter der Plattenfirma dem ME/S-Reporter einen Paß für den Sonderzug in die Hand: „Jungs, das ist doch Mist hier, ihr müßt mitkommen nach Nürnberg.“ Der ME/S-Reporter ist ein flexibler Mensch, sein Fotograf hat ebenfalls nichts besseres vor, ein Anruf beim Chefredakteur ergibt grünes Licht, und wenige Minuten später finden wir uns im blaulackierten, mit BAP-Logo beklebten Bummelzug wieder. Und da wimmelt es von TV-Teams und Pressemenschen – alle wie immer schrecklich wichtig. Niedecken und Gitarrist Klaus Heuser halten Hof im ehemaligen Salonwagen des Genossen Honecker selig und absolvieren mit stoischer Gelassenheit ihre Interviews. Derweil werden in den anderen Waggons die ersten Bierbüchsen geleert. Die restlichen BAPs plaudern dort mit alten Bekannten, bevor die komplette Band fürs Fernsehen einen kurzen Akustik-Gig, untermalt vom Rumpeln des im VEB Waggonbau Bautzen hergestellten Schienengefährtes, spielt.

Mit den ersten Außenbezirken von Nürnberg steigt die Spannung – in wenigen Minuten wird der BAP-Sonderzug in den Bahnhof der Frankenmetropole einrollen. Bevor noch irgendetwas vom Bahnsteig zu sehen ist, dringt schon der Jubel der Nürnberger Fans in den Zug. ‚Wolfgang‘-Sprechchöre, als die quietschenden Bremsen das Erreichen von Gleis 1 b verkünden. Kaum zehn Meter Platz sind es bis zur gegenüberliegenden Wand des Bahnhofsgebäudes. Der Bahnsteig ist rammelvoll mit Fans. Die Roadies entfernen mit geübtem Griff die Verkleidung des von den P.A.-Waggons umrahmten Bühnenwagens. Ein straff gespanntes Seil schafft eine schmale Gasse für die Fotografen. Niedecken begrüßt die Fans, und los geht’s mit ‚Silver Un Jold‘, gefolgt von ‚Amok‘, ‚Sach, Wat Ess Bloss Passiert‘ und ‚Niemohls Verstonn‘. Augenblicklich rockt der ganze Bahnhofdie Musiker strahlen, die Fans singen und tanzen. Die kleine Tjalda überreicht dem lachenden BAP-Boß „wirklich wichtige“ Post. Umjubelte Höhepunkte des 4ominütigen Gigs: ‚Nix Wie Bessher‘ und, natürlich, ‚Verdamp Lang Her‘. Ein Wort noch zum unter nicht ganz einfachen Umständen fabrizierten Sound auf Gleis 1 b: formidabel. Fazit: Die ‚D’r Zoch kütt‘-Tour ist eine feine Sache. Und Münchens Kreisverwaltungsreferat, so scheint’s, ein armseliger Haufen ignoranter Sesselpupser.