Billy Idol: Los Angeles, Forum


Ein gewagter Auftakt: Während die Band den satten Groove von „Don’t Need A Gun“ in die Halle pumpt, erscheint der wilde Bill auf einer Hebebühne hinter dem Schlagzeug, steigt langsam in die Lüfte, immer höher und damit näher dorthin, wo die bestrumpften weiblichen Beine der Bühnendekoration zusammenfinden und den Schritt bilden. Billy ballt die Fäuste, grinst sein dreckigstes Grinsen, voll bewußt der Tatsache, daß er für den Großteil der Zuschauer nun nichts anderes darstellt als einen mannshohen Phallus – auf dem Weg ins Paradies…

Er ist also immer noch der Alte: viel schwarzes Leder, Ketten, Nieten, die Stachelfrisur und das berühmt schieflippige Grinsen – die perfekte Sado-Maso-Comic-Figur, der man letztlich gar nicht so ganz abnimmt, was da so als knallharte Brutalität rüberkommt. Ein Umstand, der dem blonden Rotzlöffel viele Sympathiepunkte bringen dürfte.

Das ebenso schlüpfrige wie dramatische Opening verfehlt seine Wirkung nicht. Sofort sind die erschienenen 20.000 auf den Beinen, recken die ebenso geschlossenen geballten Fäuste gen Bühne und tanzen wie von Taranteln gestochen.

Doch als der Meister gleich anschließend „Baby Talk“ und „Man For All Seasons“ zelebriert, ist die Euphorie schnell wieder erkaltet; die Menge – fast ausnahmslos durchgestylte Billy-Kopisten im zerfledderten Rebellen-Outfit – war scheinbar nur gekommen, um die Hits zu hören. Und so kommt erst wieder richtig Bewegung in die Massen, als „Flesh For Fantasy“ auf dem Programm steht.

Die Band gibt sich redlich Mühe, die weniger populären Idol-Stücke (wie „World’s Forgotten Boy“ oder „Soul Standing By“) ebenso attraktiv zu gestalten. Allen voran Steve Stevens, seit einigen Jahren nun schon Idols „partner in crime“, der mit dem Heavy Metal-Terminus „Axeman“ („Mann mit der Axt“) als Gitarrist trefflicher nicht beschrieben werden kann. Er traktiert sein Gerät, als gelte es die Gesetze der Physik zu brechen, schlägt auf die Saiten ein, daß jedes Solo dem akustischen Ambiente eines gut ausgelasteten Schlachthofes sehr nahe kommt. Der Rest der Band (Susie Davies, Keyboards, Kenny Aaronson, Baß, Thommy Price, Schlagzeug) verrichtet gute, wenn auch unauffällige Arbeit.

Billy selbst tut alles, um die Leute bei Laune zu halten. Er wälzt sich am Boden bei „To Be A Lover“, schwingt seine Hüften in eindeutiger Manier, übt sich auch sonst im großen Gesten, hat aber gegen Ende des Konzertes immer eindeutiger Probleme, die gute Stimmung über die Vier-Minuten-Hits hinaus zu halten. „Sweet Sixteen“, „Eyes Without A Face“ und natürlich „Rebel Yell“ werden hingegen heftig gefeiert.

Vielleicht liegt der Grund für die nicht ganz komplette Begeisterung auch an Billy selbst. Zu wenig hat sich bei dem Engländer seit seiner 84er-Rebel Yell-Tour getan. Und den Zeitraum einer halben Showbiz-Ewigkeit von drei Jahren mit ein und demselben Image verstreichen zu lassen, keinerlei neue Facetten dazuzugewinnen – das kann sich böse rächen. Man denke da nur an eine Madonna, die sehr schnell begriffen hat, daß schon ein neuer Haarschnitt einen ganz schön weiter bringen kann …