Blog-Party für Singles


Beruf: Schauspieler. Orientierung: heterosexuell ... Warum suchen Stars wie Jeff Bridges und Rivers Cuomo von Weezer über Blog-Seiten Kontakt?

Daß Weblogs – kurz „Blogs“ – das Bedürfnis des „Normalbürgers“ befriedigen, ein potentielles Milliarden-Publikum mit den eigenen Tagebuch-Eintragungen langweilen zu können, ist in den Feuilletons der Tageszeitungen 2004 ausführlich diskutiert worden. Obwohl auch der ME nicht zu knapp über das Phänomen der „Jederisierung der Literatur, Poesie und des Journalismus“ berichtet hat (n/2004), müssen wir noch einmal zu dem Thema zurückkehren, um einen absurden Aspekt des wilden Publizierens im Internet zu beleuchten: Tatsächlich verfallen nämlich inzwischen mehr und mehr hochkarätige Celebrities dem Weblog-Fieber.

Daß heute längst nicht mehr nur Moby (www.moby.com/journal) einer geduldigen Website den eigenen Alltag diktiert, sondern zahlreiche Musiker, Schauspieler und Sportler im Internet pausenlos Persönliches veröffentlichen, hat einen einfachen Grund: Vermittelt „bloggen“ dem „kleinen Mann“ die Illusion, ein Star zu sein, glaubt sich umgekehrt der Star als Autor eines Weblogs auf Augenhöhe mit dem „ganz normalen Menschen“. Müssen Celebrities in der Öffentlichkeit neugierige Blicke und das beständig zu laute Gelächter ihrer nervösen Umwelt ertragen, können sie über das Internet mit Fremden in Kontakt treten, ohne die sichere Festung zu verlassen. Der Schauspieler (und Hobby-Musiker) Jeff Bridges beispielsweise nutzt seine Seite, um unzählige bunte, naive Skizzen auszustellen und in regelmäßigen Abständen aus dem Nähkästchen zu plaudern. In der Rubrik „Latest“ auf www.jeffbridges.com schreibt der erfolgreiche Kalifornier in riesigen Lettern, daß er eine Rolle in irgendeinem Film bekommen hat, daß sein Album BE HERE SOON (ein Oasis-Fan?) fertig ist und daß er sich neulich nicht zu schade war, bei einer der zahlreichen Big-Lebowski-Partys (www.lebowskifest.com) für ein paar Songs die Gitarre auszupacken (Fotos bei: www.joereifer.com).

Ebenfalls eine neue Platte und ein ähnlich ausgeprägtes Kommunikationsbedürfnis hat der Komiker, Schauspieler und Drew-Barrymore-Ex-Mann Tom Green, der uns unter http://tomgreen.com/blog /blog.html wöchentlich an seiner Begeisterung für das Fernsehprogramm und anderen Geschichten aus Wiebelsum teilhaben läßt. Gänzlich uninteressant sind leider auch die Blogs von Pamela Anderson (http://pamelaanderson.blogs.friendster.com) sowie von Tennis-Showgirl Anna Kournikova (www. kournikova.com/journal).

Billy Corgan ist ein sonderbarer Mann, und es ist keine Überraschung, daß sein Weblog höchst lesenswert ist. Wer erst Corgans Aufsatz zu seiner Kindheit im Schatten der psychischen Erkrankung seiner Mutter gelesen hat (www.billycorgjn.com/confessiono9.html), wird sich nie wieder an Britneys seichten Ergüssen (www.britneyspears.com/letters-latest. php), RuPauls Lobeshymnen auf diesen oder jenen Pornofilm (www.rupaul.com/weblog.shtml) und Mariah Careys stupiden „Voice-Blogs“ (www.mariahcarey.com) freuen können.

Empfehlenswert sind die phantasievollen Einträge, die die New Yorker Avantgarde-Punks von TV On The Radio unter http://youngliars.blogspot com veröffentlichen, auf keinen Fall entgehen lassen aber sollte man sich einen Besuch bei www.rivercuomo.com. Wer hätte gedacht, daß der notorische Interviewverweigerer einen privaten Bereich bei dem populären Portal www.myspace.com eingerichtet hat, in den er unendlich viele „Freunde“ einlädt (im April: „Rivers has 1805 friends“) und sich im Steckbrief als „Musiker“, „Single“ und „heterosexuell“ beschreibt. „Koche gerne“, nicht zu vergessen. Interesse?