Bobby Gillespie (Primal Scream)


BEAUTIFUL FUTURE war den Fans zu poppig. Primal Scream konzentrierten sich danach auf ihre Vergangenheit und zogen mit ihrem Klassiker Screamadelica durch die Lande. Demnächst erscheint ihre neue Platte, MORE LIGHT.

1 Glasgow

In der schottischen Industriemetropole kam Bobby im Sommer 1962 zur Welt.

In meiner Heimatstadt war das Leben nie einfach. Die Leute lassen sich aber nicht unterkriegen, sie sind mit Leidenschaft bei der Sache. Früher, in der Zeit der Arbeiterkämpfe, war Glasgow die Heimat des politischen Radikalismus. Man nannte die Stadt damals „Red Clydeside“, und die britische Regierung schickte ihre Armee vorbei. Die Leidenschaft spürt man noch bei Fußballspielen und Rockkonzerten. In den 70ern haben Roxy Music und Status Quo im Apollo Live-Alben aufgenommen. Wer hierherkommt, weiß, wie man sich im Leben durchbeißt. Hier wird dir nichts geschenkt.

2 Thin Lizzy

Die irischen Hardrocker haben Bobbys Musikgeschmack nachhaltig geprägt.

Die erste Band, die ich live gesehen habe. Ihr Konzert hat mich umgehauen. Sie spielten diesen harten, kompakten Straßenrock. Zur Zeit des Punk war ich natürlich auch heiß auf die Buzzcocks und die Ramones. Zu Thin Lizzy bin ich trotzdem gegangen. Der Punk wollte ja wieder bei null anfangen. Aber das interessierte mich nicht. Ich liebe The Clash von ganzem Herzen, aber musikalisch konnten sie Thin Lizzy nie das Wasser reichen. Die haben dich einfach an die Wand gedrückt.

3 Paisley

Geblümte Hemden gelten als typische Tracht des frühen Primal-Scream-Jüngers.

So ein Hemd habe ich nie besessen. Aber es passt zu den frühen Primal Scream. Wir standen damals total auf die Byrds und Love. Oder die Doors: Die waren ja schon so wütend und gewalttätig wie wir später. Neulich waren wir bei den „NME“-Awards. Da fiel uns auf, dass heute alle Bands gesund, ausgeglichen und gut erzogen sind. Rock’n’Roll scheint ihnen nichts mehr zu bedeuten. Früher gab es Birthday Party, Gun Club, Jesus & Mary Chain. Die waren alle noch auf Ärger aus.

4 E

Ecstasy wurde zur Zeit von screamadelica als Grundnahrungsmittel gehandelt.

Ecstasy revolutionierte die britische Jugendkultur, als Rock langweilig geworden war. Man ging lieber zu Acid-Partys in verlassene Lagerhäuser und hörte seltsame elektronische Musik. Das hat uns magisch angezogen. Die Musik, die Drogen, der Sex und vor allem dieses Gemeinschaftsgefühl. Das kannte ich vom Indie-Rock nicht. Da wurde einem dauernd Prügel angeboten. Im Town & Country Club in London schlug mir jemand auf den Kopf, als ich gerade die Hände voller Drinks hatte. In den House-Clubs kamen muskulöse, tätowierte Ex-Knackis auf mich zu, umarmten mich und erklärten mir, wie toll sie mich fänden.

5 Gospel

Bobby mag Kirchenchöre.

Wir wollten mit unseren neuen Songs etwas sagen, wussten aber nicht wie. Auf Screamadelica spürt man sowohl Liebe als auch Trauer. Das ist bei amerikanischer Soulmusik genauso. Man tanzt zu ihr, sie ist sexy, aber oft auch so verdammt traurig, dass sie dir das Herz bricht. Mitglieder von Gospelchören singen und tanzen auf dem Podium und machen sich damit Mut für den Alltag. Das versteht man auch ohne religiöse Neigungen. Du findest dieses Gospelding auf unserem Album in „Movin‘ On Up“ oder „It’s Alright, It’s OK“.

6 David Cameron

Politisch ist Bobby als entschiedener Anti-Neoliberalist bekannt.

Trotz seiner durchaus menschlichen Erscheinung halte ich Cameron für einen Extremisten. Er ist ein unverbesserlicher Anhänger der neoliberalen Marktwirtschaft. Für mich sind Cameron und seine Partei der Feind, sie ekeln mich an (Bobby zerreißt das Bild). Ich habe am Wochenende auf einer Welle der BBC ein Interview mit seiner Innenministerin Theresa May gehört. Unbekümmert erklärte sie, die konservative Regierung plane, nach ihrer Wiederwahl im Jahr 2015 allein zu regieren und die Menschenrechte einzuschränken. Die sind doch nicht ganz dicht! Die müssen zum Arzt! Ständig behaupten sie, dass ihnen leider kein Geld für Gesundheit, Sozialhilfe, Altersfürsorge und die Unterstützung alleinstehender Mütter zur Verfügung stünde. Für militärische Einsätze im Irak, in Afghanistan, in Libyen und demnächst wohl auch in Syrien aber sind sofort enorme Summen da. Für mich sind Cameron und seine Leute legalisierte Gangster.

7 Heaton Park

Im vergangenen Sommer wurden in Manchester wieder die frühen Neunziger gefeiert.

Ja, das war schön, das Freiluftkonzert anlässlich der Wiedervereinigung der Stone Roses. Rückhaltlose Liebe überall. Man merkte, dass manchen Menschen manche Bands wirklich etwas bedeuten. Wir haben da gern im Vorprogramm gespielt. Unser langjähriger Bassist Mani ist jetzt wieder bei den Roses. Für ihn spielt jetzt Debbie Googe bei uns. Hoffentlich hält das ein bisschen. Sie ist ja auch wieder mehr bei My Bloody Valentine eingebunden.

8 Licht

More Light heißt das neue Album von Primal Scream.

Mein jüngster Sohn heißt Lux. Der Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Licht. Viele glauben ja, dass wir gerade ein dunkles Zeitalter erleben. Ich weiß nicht, ob sich wirklich so viel verändert hat. Aber mehr Licht können Menschen im Leben immer gebrauchen. Wir wollen nicht aufgeblasen erscheinen. Unsere früheren Alben aber, Vanishing Point, Evil Heat oder Riot City Blues, konnten einen mit ihren nihilistischen Titeln ganz schön erschrecken. Es ist gut, mal einen einladenden Plattentitel zu haben.

In seiner Jugend versuchte sich Bobby Gillespie zunächst am Schlagzeug bei The Jesus & Mary Chain. Ab 1985 konzentrierte er sich auf seine eigene Band Primal Scream, die sich stilistisch als verwirrend wandlungsfähig erweisen sollte: Flower Power, Psychedelic, Dance Music, Dub, Agitprop, kraftmeiernder Rock’n’Roll. Der mit 50 Jahren immer noch hagere und aufbrausende Sänger lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in London.