Wenn sich Bono Vox & Co. im Sommer nächsten Jahres in ihr eigenes Windmill Lane-Studio in Dublin einschließen, um die Stücke für ihre kommende LP auszuwählen, werden sie eine lange Reise hinter sich – und einen Koffer voll Song-Material bei sich haben. Die Aufnahmen entstehen in etlichen Studios rund um den Globus, und im Moment weiß noch nicht einmal die Band, welche davon auf das Album kommen. Am liebsten arbeiten die Iren an historischen Stätten – wie zuletzt mit ihrem Produzenten Daniel Lanois im Herzen Berlins.

U2 arbeiten ein paar Wochen lang im legendären Hansa Studio am Potsdamer Platz, wo zuerst die Betonmauer der SED und später die Styropor-Klötze von Roger Waters zum Einsturz kamen. Im turnhallengroßen Aufnahmeraum II des Studios tanzt seit Jahrzehnten der Pop-Bär: David Bowie produzierte hier sein HEROS-Album, Depeche Mode programmierten ihre Synthies für CONSTRUCTION TIME AGAIN. Daß nur U2 hier ihre Gitarren und Verstärker auspackten, hat aber weniger mit den prominenten Vormietern zu tun, als vielmehr mit der coolen Anonymität, die derzeit in der Stadt herrscht – die Veränderungen hier sind für alle Bewohner so gravierend, daß sie selbst für Rock-Größen wie U2 kaum mehr als ein kurzes Zucken mit den Augenbrauen übrig haben. Bono freut sich über den Freiraum: „Toll, daß wir in Berlin absolut unsere Ruhe haben. Überall anders wären wir ständig von Fans und Presseleuten belagert.“

Außerdem ist es nicht nur für die vier Iren die letzte Gelegenheit, in dem akustisch kaum überbietbaren, 265 Quadratmeter großen Aufnahmeraum zu arbeiten, denn das Studio schließt – mit Ausnahme des neuen Computerbereiches im Dachgeschoß – , wenn Bono & Co. mit ihren Aufnahmen fertig sind. „Arbeit‘ ‚ist durchaus wörtlich gemeint – nur von kurzen Kaffee- und Tischtennis-Pausen unterbrochen, werkelt das Quartett täglich von 11 Uhr früh bis spät in die Nacht. U2-Fans werden freilich noch lange darauf warten müssen, ob auf dem neuen Album wirklich Berliner Tracks zu hören sind – die LP kommt frühestens 1991.