Boom Tschak


Die Electro-Kolumne von Albert Koch

Space is the Place

Der Fortschrittsglaube hat den Weltraum und die elektronische Musik auf ewig miteinander verbunden.

Der Zusammenhang zwischen elektronischer Musik und kosmischen Themenkomplexen ist leicht erklärt. In den 1950er-Jahren fiel der Beginn des „Raumfahrtzeitalters“ mit den Anfängen der elektronischen Musik zusammen. Die Pläne von der Eroberung des Weltalls und die ko(s)mische synthetische Musik kündeten von einer verheißungsvollen Zukunft, in der es keine Grenzen mehr geben würde. Die Klänge aus den Vorläufern der Synthesizer lieferten den Soundtrack zum Space Age.

Der Komponist Karlheinz Stockhausen, einer der Gründerväter der elektronischen Musik in den 50er-Jahren, behauptete, im 8,6 Lichtjahre von der Erde entfernten Doppelsternsystem Sirius „ausgebildet“ worden zu sein. Die Berliner Elektronikschüler Tangerine Dream nannten frühe Alben Alpha Centauri und Stratosfear. Der Autor und Musikproduzent Rolf-Ulrich Kaiser gab Anfang der 70er-Jahre seinem Label den Namen „Kosmische Kuriere“ und irgendwann bekam experimentelle Musik aus Deutschland generell das Adjektiv kosmisch zugewiesen. Der Freejazz-Pionier Sun Ra, der früh mit Synthesizern experimentierte, behauptete, vom Planeten Saturn zu stammen und proklamierte 1973 in einem Albumtitel: Space Is The Place. Kraftwerk dagegen wurden nur zweimal schwach bei der Wahl von Songtiteln: „Kometenmelodie“ und „Spacelab“.

Kosmische Themen zogen sich sporadisch durch Artwork und Tracktitel früher Techno- und House-Acts. Juan Atkins, einer der Initiatoren des Detroit Techno, besang in seinem frühen Elektro-Funk-Projekt Cybotron die „Cosmic Cars“ und den „Cosmic Raindance“. Ein Album von Atkins‘ Projekt Model 500 heißt Deep Space und zeigt einen Sternenhaufen auf dem Cover. Detroit-Techno-Legende Jeff Mills ist besessen vom Weltall, seit er mit Underground Resistance „The Rings Of Saturn“ erforscht hat. Zwei von Mills‘ in diesem Jahr veröffentlichten Alben sind inspiriert von klassischen Science-Fiction-Filmen: 2078 und Fantastic Voyage.

Die Zukunft, Raumfahrt und elektronische Musik, ist schon lange zur Normalität der Gegenwart geworden. Und diese Gegenwart ist so rückwärtsgewandt wie nie zuvor. Vielleicht nehmen sich bald andere Produzenten an Jack Hamill aus Belfast ein Beispiel. Der nennt sein Projekt Space Dimension Controller. Das aktuelle Album The Pathway To Tiraquon6 ist ein Konzeptwerk mit einer irrwitzigen Science-Fiction-Story.