Bruce Willis


Im Kino verkörpert er zumeist rauhbeinige Helden. Im persönlichen Gespräch aber präsentiert sich der US-Schauspieler Bruce Willis (42) von einer völlig anderen Seite.

Mr. Willis, im „Schakal“, ihrem neuen Film, spielen Sie einen kaltblütigen, von der Russenmafia geheuerten Killer. Waren Sie in der Lage, zu dieser fiktiven Figur eine Beziehung aufzubauen, obwohl es sich dabei um eine äußerst brutale Gestalt handelte?

Sicher. Einer der fesselndsten Züge an dieser Figur war für mich, daß sie sich scheinbar in Luft auflösen konnte. Ich bin sicher, daß Sie das ein oder andere Mal in Ihrem Leben gedacht haben, wie es wäre, wenn die staatlichen Stellen Ihre Spur nicht zurückverfolgen könnten. Ich weiß nicht, wie es sich in Europa verhält. Aber hier in den Staaten haben wir Sozialversicherungsnummern. Das ist so, als ob über jeden einzelnen Bürger eine komplette Akte geführt würde. Es wäre also sehr schwierig, zu verschwinden und eine andere Person zu werden. In der Phantasie ist es demnach sehr interessant, eine neue Identität anzunehmen und in der Lage zu sein, sein Äußeres zu verändern.

Und im richtigen Leben? Gibt es da so etwas wie eine Lieblingsphantasie für Sie?

Nun ja, ich habe eine Menge verschiedener Phantasien. In einem bestimmten Szenario werden mir Anonymität und Privatsphäre für immer weggenommen. Falls ich nicht nach Tibet auswandern will, gibt es dann keine Situation, in der ich mich frei in der Öffentlichkeit bewegen kann. Dementsprechend male ich mir aus, wie es wäre, wenn ich die Straße runtergehen könnte, ohne von Leuten fotografiert oder gejagt zu werden. Diese Vorstellung kehrt immer mal zurück. Vielleicht ist es sogar die vorherrschendste meiner Phantasien.

„Der Schakal“ (läuft ab März in Deutschland/Anmerkung der Redaktion) ist ein Remake des gleichnamigen Films von Fred Zinnemann aus dem Jahr 1972. War das für Sie ein Grund zu zögern, als es darum ging, eine Hauptrolle zu übernehmen?

Ganz ehrlich, darüber hat es nie eine Diskussion gegeben. Dieser Film ist kein Remake. Abgesehen davon, daß er sich mit politischem Terrorismus auf internationaler Ebene beschäftigt, hat der Film nichts mit der Originalstory zu tun – er spielt 1997, im Computerzeitalter.

Was fanden Sie an der Geschichte über Gewalt und internationalen Terrorismus so interessant?

Es ist kein Geheimnis, daß wir in einer sehr gewalttätigen Welt leben, in der Terrorismus eine große Rolle spielt – nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern überall auf der Erde. Vielleicht gibt es in Europa stringentere Methoden, um dem Terror Herr zu werden. Aber er wird nicht enden, bis man sich mit ihm in einer sehr harschen, endgültigen Weise beschäftigt.

Können Sie diese Aussage konkretisieren?

Solange man sich mit dem Terrorismus in der jetzigen Weise auseinandersetzt, wird er weiter gedeihen. Ich möchte die Dinge nicht zu sehr vereinfachen, aber ich würde sagen, es gibt zwei verschiedene Formen von Terrorismus – zum einen den, der von religiösen Ideologien angetrieben wird, zum anderen den, der auf einen finanziellen Vorteil ausgerichtet ist. Es laufen gedungene Mörder herum in der Welt. Wenn du dir die Geschichte ansiehst, wirst du feststellen, daß die Welt schon immer ein gewalttätiger Ort gewesen ist – bis hinein ins Rußland des 16. Jahrhunderts. Eine meiner Erkenntnisse aus den Dreharbeiten zum „Schakal“ ist diese: Wir sehen uns gern als menschliche Wesen. Dabei hocken wir nur auf der Spitze der Nahrungskette. Wir stehen dem Reich der Tiere viel näher, als jeder von uns gern zugeben würde. Schon viele Menschen haben ihr Leben ohne Rücksicht darauf gelebt, was richtig ist oder falsch.

Einen gnadenlosen Killer konnten Sie im Vorfeld der Dreharbeiten nicht treffen. Wie also haben Sie sich auf die Rolle des „Schakals“ vorbereitet?

Ich bin nach Washington gefahren, wo ich mit einer Reihe von Offiziellen gesprochen habe, deren Job es ist, Terroristen auf die Spur zu kommen und sie letztlich dingfest zu machen. Ich wollte herausfinden, ob es Typen wie den „Schakal“ wirklich gibt. In Washington hat man mir versichert, daß da draußen genau in diesem Moment ein paar Kerle von dieser Sorte zugange sind.

Wir wissen nicht viel über den „Schakal“, wenn wir ihm demnächst auf der Leinwand begegnen. Können Sie uns sagen, welcher Typ Mann er ist?

Ich kann nur sagen, wie ich mir sein Verhalten vorstelle: Wenn er nicht arbeitet, hält er sich in Südfrankreich auf oder irgendwo auf einem Boot. Ich bin mir sicher, daß er im August nach St.Tropez fährt und gut ißt. Wenn er nicht umgebracht worden ist, trinkt er jetzt eine gute Flasche Wein. Er ist sehr kultiviert, ein Geschäftsmann, dessen Job Mord beinhaltet.

Sie sprachen gerade von Frankreich. Inzwischen hat auch Paris sein „Planet Hollywood“ (eine Gastronomiekette, an der Willis beteiligt ist/Anmerkung der Redaktion). Bedeutet das, daß Sie in Paris nun im „Planet“ essen, oder bevorzugen Sie doch immer noch die französische Küche?

Ich bin ein viel größerer Fan der französischen Küche, als ich das von amerikanischen Hamburgern bin.

In Ihren Filmen spielen Sie meistens einen coolen Kerl, der als Markenzeichen dem Desaster frech ins Gesicht grinst. Sind Sie auch im richtigen Leben so, ein cooler Typ eben?

Nein, im richtigen Leben bin ich manchmal verwirrt von den Ereignissen um mich herum. Und was reale Desaster betrifft: die kann ich mir nur in meiner häuslichen Umgebung vorstellen – wenn meinen Kindern etwas zustoßen würde. Mit den ganzen anderen Dingen befasse ich mich nicht. Die Nachrichten schaue ich mir nicht mehr an. Das habe ich vor einiger Zeit aufgegeben. Ich kann mich nicht zwingen, diese tägliche Einimpfung von Horror über mich ergehen zu lassen. Ich bin nicht sicher, wie es sich in anderen Ländern verhält. Aber in den Vereinigten Staaten servieren sie dir an sieben Tagen pro Woche stundenlang schlechte Nachrichten. Das Satellitenfernsehen ermöglicht dir zu sehen, was du sehen möchtest – und ich persönlich möchte mir einfach keine Nachrichten mehr ansehen.

Haben Sie sich mit Blick auf den „Schakal“ darauf gefreut, nach etlichen Auftritten als Held endlich mal den Bösen zu spielen?

Ich habe wirklich lange darauf gewartet, endlich mal einen Schurken spielen zu können. Denn generell werde ich gefragt, im gegnerischen Team zu spielen, in der Mannschaft also, die Terroristen und andere böse Buben einfängt. Und offen gestanden: Diese Rolle langweilte mich schon ein wenig. „Der Schakal“ gab mir die Gelegenheit, einen sehr interessanten Schurken zu spielen. Ich habe es genossen, keinem moralischen oder ethischen Kodex gehorchen zu müssen.

Trotzdem, was war es für ein Gefühl, einen solch grausamen Menschen zu spielen, jemanden, der nichts Gewinnendes an sich hat?

Nichts Gewinnendes? Nun ja, immerhin ist er gut angezogen. Nein, es stimmt schon, der Typ ist brutal. Ich habe die Rolle ausgewählt, um mir das Interesse am Hin zu erhalten. Die Arbeit wäre langweilig, wenn ich die ganze Zeit nur Helden spielen würde. Ich versuche nicht mich selbst limitieren. Vielmehr wage ich mich an Auf gaben heran, von denen ich nicht weiß.ob ich sie schaffe

Sie haben in Filmen mitgewirkt, In denen Gewalt eine wichtige Rolle spielt. Darüber hinaus haben sowohl Sie als auch Ihre Frau Demi Moore in Filmen mit Sex- und Nacktszenen Rollen übernommen. Wie vermitteln Sie die Bedeutung solcher Filminhalte Ihren Töchtern? (Das Ehepaar Bruce Willis/Demi Moore hat drei Töchter – Rumer Glenn (9), Scout LaRue (6) und Talullah Belle (3) / Anmerkung der Redaktion.)

Ich bringe meinen Töchtern nichts über den Zustand bei, in dem sich unsere Welt heute präsentiert. Demi und ich, wir versuchen beide so gut wie nur möglich, unseren Töchtern zu erlauben, so lange Kind zu sein, wie es nur geht. Unglücklicherweise werden meine Kinder schneller, als es meiner Frau und mir recht ist, in der Lage sein, selbst herauszufinden, in welch schrecklichem Zustand sich die Welt befindet. Aber sie jetzt schon über den Horror zu unterrichten, das mache ich nicht.

Wie muß man sich denn Ihren elterlichen Beistand vorstellen? Sicher öffnen Sie Ihren Kindern doch die eine oder andere Tür des Verstehens?

Um genauer zu sein: Wir bringen ihnen den Unterschied bei zwischen richtig und falsch. Die Art, wie wir unser Leben führen, soll dafür ein Beispiel geben. Jedenfalls bemühen wir uns darum. Und was das Thema Film betrifft: Unsere Kinder wissen, daß Mommy und Daddy da nur bestimmte Rollen spielen, eben etwas vortäuschen. Wir geben vor, bestimmte Menschen zu sein. Das ist alles. Außerdem können sich meine Kinder einige meiner Filme durchaus ansehen. Nicht alle handeln von Gewalt.

Zum Thema Familie: Hollywood ist möglicherweise einer der ungeeignetsten Orte, um eine Ehe zusammenzuhalten…

Hollywood und die Politik.

…und einmal im Jahr schreiben die Zeitungen, daß Demi und Sie sich trennen.

Inzwischen schreiben sie es schon alle sechs Monate. Aber wir haben es aufgegeben, den Sachen Beachtung zu schenken, die über uns gesagt oder geschrieben werden. Folgendes muß man verstehen: Wie meine Frau, ich selbst oder jeder andere Hollywood-Schauspieler auf der Basis bestimmter Rollen draußen wahrgenommen wird, ist genauso verschieden wie das Empfinden der Menschen. Ich könnte erzählen, wie ich als Typ bin, mit dem man um die Häuser zieht. Aber die Charaktere, die ich die meiste Zeit über im Film verkörpere, überstrahlen das wahre Leben. Was sie nicht zeigen ist, wie ich als Mensch bin.

Seit November sind Sie zehn Jahre verheiratet. Welchen Faktoren haben Sie den Erfolg Ihrer Ehe zu verdanken?

Wir haben jeden Tag so gelebt, wie er gekommen ist – 36smal im Jahr, immer nur einen Tag auf einmal. Demi und ich wissen.daß Gott uns die Tage nur einzeln herunterreicht. Also versuchen wir erst gar nicht, uns auszumalen, was nächstes Jahr passiert oder nächste Woche oder nächsten Monat. Wir beschäftigen uns nur mit dem Tag, der uns heute gegeben wurde und verbringen genau an diesem Tag eine gute Zeit. Wir sagen: „Ich freue mich heute.“

Als Vater von drei Töchtern hätten Sie gem einen Sohn? Würden Sie vielleicht einen Jungen adoptieren?

Ja, wenn wir es müssen. Wir haben schon über das Thema Adoption gesprochen, bevor wir überhaupt eigene Kinder hatten. Also wäre ich nicht überrascht, wenn es wirklich dazu käme. Auf der anderen Seite hätte ich schon morgen gern drei weitere Töchter.

Nachdem Sie in Deutschland geboren wurden und eine deutsche Mutter haben – bemerken Sie an sich etwas, das man gemeinhein als typisch deutschen Zug bezeichnen könnte?

Ich glaube, ja. Ich mache ziemlich genau das, was ich machen möchte. Ich frage niemanden um Erlaubnis, wie ich mich in der Welt zu benehmen habe. Und ich denke, eine Menge davon stammt von meiner Mutter, die in Deutschland geboren wurde. Ob es nun genetische Gründe hat, oder ob es an der Art und Weise liegt, wie ich erzogen wurde, ich weiß es nicht wirklich. Aber ich bin definitiv eine unabhängige Natur.

Haben Sie jemals Ihre deutsche Heimatstadt besucht?

Ich war bisher weder in Kassel noch in Idar-Oberstein. Aber ich würde gern noch einmal dorthin zurückkehren. Letztes Jahr war ich in Berlin, was sehr aufregend und wirklich interessant für mich war. Ich hatte eine gute Zeit dort.

Zurück zum Film, zurück zum „Schakal“. War es schwer für Sie, in dieser Szene in der Schwulenbar einen Mann zu küssen?

Nein, ich bin mit meiner Sexualität im reinen. Also hatte ich kein Problem damit. Ich glaube,einen Mann zu küssen, ist bestimmt nicht unfeiner als einem kleinen Mädchen eine Knarre an den Kopf zu halten, einen Polizisten zu erschießen oder jemandem den Arm wegzusprengen. Trotzdem, auf die homosexuelle Szene im „Schakal“ bin ich häufig angesprochen worden. Aber keiner hat mich gefragt, wie es sich anfühlt, Menschen umzubringen.

Sie unterstützen die Homosexuellen in ihrem Recht auf einen eigenen Lebensstil. Was halten Sie von dem Druck auf bestimmte Schwule, sich zu outen?

Nun, ich glaube nicht, daß jeder diesen Druck ausübt. Aber in Amerika gibt es eine kleine jedoch einflußreiche Gruppe von Leuten, die allen anderen gerne vorschreiben würde, wie man über eine schwule oder lesbische Beziehung zu denken hat, über Politik oder über den Gott, den man sich ausgesucht hat – and I fucking hate it. Niemand darf mir vorschreiben, was ich denken soll. Also unterstütze ich jeden in seinem Recht, zu sein oder zu tun oder zu bumsen, was oder wen er mag.

Zurück zu Ihrem Beruf – welchen Ihrer Filme mögen Sie selbst am meisten und welchen Ihre Familie?

Ich selbst habe mehr als nur einen Lieblingsfilm. Wirklich gut gefallen hat mir ein Film, den ich vor ein paar Jahren zusammen mit meiner Frau gedreht habe -„Tödliche Gedanken“. Es kein aufwendiger Film.aber ich habe ihn gemocht. Ich mochte auch „Pulp Fiction“. Und ich mag den „Schakal“. Während der Dreharbeiten hatte ich eine gute Zeit. Und meine Familie? Nun, meine Kinder mochten „Kuck mal wer da spricht“, die Filme, in denen ich die Stimme des Babys war. Diese Filme haben sie so manches Mal gesehen.

In welchem Film, glauben Sie, waren Sie als Schauspieler besonders gut?

In „12 Monkeys“. Die Arbeit, die ich bei diesem Film geleistet habe, fand ich wirklich gut. Ich mag Stoff, der nicht so heldenhaft angelegt ist, der nicht so sehr davon handelt, die Welt zu retten oder ein guter Junge zu sein. Vielleicht mag ich „12 Monkeys“ ja auch, weil ich darin am Ende umgebracht worden bin. Als ich in dieser Zeitlupeneinstellung dran glauben mußte, das war wie in einem alten Film, wie in einem Streifen aus den 40er Jahren.

Welchen Ihrer Filme mögen Sie am wenigsten?

Davon gibt es einige. Was ich zu allen sagen kann ist, daß ich die Fähigkeit besitze, aus meinen Fehlern zu lernen. Unglücklicherweise werden 300 oder 400 Filme pro Jahr gemacht. Auf der anderen Seite gibt es in Hollywood definitiv keine 300 oder 400 großartigen Regisseure. Es Menge Leute sollten lieber nicht Regie führen. Und mit einigen von ihnen habe ich gearbeitet. Aber ich sage nicht, um wen es sich dabei handelt. Man kennt sie ohnehin. Und man kennt auch ihre Filme.

Was könnte Sie dazu bewegen, die vierte Folge von „Die Hard“ zu drehen? Geld? Das Drehbuch? Oder ein guter Regisseur?

Ich habe in den letzten zwölf Jahren 28 Filme gedreht. Und es ist schwer für mich, an der ganzen Sache interessiert zu bleiben. Dementsprechend lauten die Kriterien, nach denen ich entscheide, ob ich einen neuen Film drehe oder nicht: Wie interessant ist die Geschichte, und wie talentiert ist der Geschichtenerzähler, also der Regisseur? Ich habe jetzt eine Menge Geld. Wieviel ich für einen Film bezahlt bekomme,spielt bei meinen Überlegungen also keine Rolle.

Trotzdem, was wäre nach den drei bisherigen Folgen von „Die Hard“ für Sie Anreiz genug, den vierten Teil zu drehen?

Ich wollte ja nicht mal „Die Hard 3 drehen. Ich hab s nur gemacht, weil wir Sam Jackson und Jeremy Irons bekommen haben und weil John McTiernan zurückgekommen ist. Dennoch, die „Die Hard“-Serie hat über eine Milliarde Dollar eingespielt. Also bin ich sicher, daß schon jemand über einem vierten Teil brütet. Und sollte dabei ein interessantes Drehbuch herauskommen und zudem ein großer Regisseur zur Verfügung stehen, dann schau ich mir die Sache mal an.

Macht es Ihnen noch Spaß, in Ihrer Band zu spielen?

Ja, ich spiel‘ jetzt mehr als je zuvor, und ich habe enormen Spaß daran. Das ist eine der wenigen Beschäftigungen, denen ich noch nachgehen kann, die nicht durch einen finanziellen Aspekt herabgewürdigt werden. Ich trete auf, und ich nehme kein Geld dafür. Meine Band wird bezahlt. Aber ich spiele nur aus Liebe zum Rhythm’n’Blues. Ich liebe es, Lärm zu machen.