Bryan Ferry : Buddha in der Nische


Bryan Ferry gibt mit seinen 56 Jahren noch immer den Zwitter zwischen Gentleman und Rock'n'Roller. Und den Suchenden - nach Musik mit mehr Tiefe.

Ihr 12. Soloalbum Frantic besteht zu weiten Teilen aus Coverversionen – es ist das letzte einer ganzen Reihe ähnlicher Platten, wie These Foolish Things von 1973 oder Taxi von 1993. Woher rührt Ihre Freude am Interpretieren fremder Songs?

Das erste Mal, dass ich auf Coverversionen gesetzt habe, das war auf „Foolish Things“. Das ist lange her, es war nach dem zweiten Roxy Music-Album. Nun, ich hatte das Gefühl, als Songwriter bereits eine Art Statement abgegeben zu haben und dass es interessant wäre, wenn ich – als One-Off-Album – Songs aufnähme, die man sich vielleicht gerne anhört. Und die mich beeinflusst haben. Das Album war für mich – und viele andere Leute – ein großer Erfolg. Es zündete überhaupt meine ganze alternative Karriere als Interpret von Liedern, die andere geschrieben hatten.

Und als Arrangeur? Was macht man noch mit „Don’t Think Twice“ von Bob Dylan ?

Man ersetzt die Mundharmonika durch ein Piano, und dann mischt man das Piano so, als stünde es in einem anderen Raum. Das gibt dem Song etwas Dreidimensionales, als säße man im Saloon in der Ecke. So erzeuge ich ein altmodisches, New-Orleans-mäßiges Ambiente, von dem ich glaube, dass es dem Song sehr gut bekommt.

Sie arbeiten auch mit jüngeren Musikern, beispielsweise mit Jonny Creenwood von Radiohead. Hören Sie das auch privat?

Radiohead ist eine gute Band – vielleicht eine der Besten gerade. Aber ich höre nicht viel Musik, vor allem keine Bands. Lieber höre ich, was auf MTV so läuft, wie Mary J.Blige.

Bryan Ferry sitzt also zuhause und glotzt MTV?

Nein, MTV sehe ich höchstens im Hotel. Ich mag die Tanzchoreografien. Die meisten Stücke, die dort gespielt werden, basieren auf Rhythmus und Groove. Wenn dann mal ein echter Song dabei ist, kommt das ziemlich kraftvoll rüber.

Moderne Musik spielt gerne damit, was technologisch möglich ist…

Auf den letzten beiden Alben wollte ich zurück zu richtigen Instrumenten. Aber die Jahre vorher habe ich auch mit Drum-Programmen und anderen elektronischen Spielereien herumexperimentiert. Es hat aber nicht funktioniert, zumindest nicht für mich.

Und professionelle Hilfe hätte da nichts genützt?

Ja, es wäre ein Spaß, mit Timbaland oder Dr. Dre zu arbeiten, weil sie Tanzbares mit sehr minimalistischen Mitteln erreichen – übrigens die besten Mittel.

Warum fragen Sie die nicht mal?

Weil ich zu viel Musik in meine Stücke packe, sozusagen. Am Ende klingt das dann zu verwirrend, glaube ich. Nein, im Moment möchte ich es lieber nackt und ohne Firlefanz.

Bryan Ferry als Künstler, das ist zu einer Hälfte Musik, zur anderen aber Stil, Anzüge, Mode, das Auftreten. Erkennen Sie sich wieder, wenn Sie etwa Pulp hören, Jarvis Cocker? Das Auftreten, die Attitüde?

Mir sind bei Jarvis ein paar Beinbewegungen, ein paar Tanzschritte aufgefallen, wo ich dachte: Moment mal, das kenne ich doch. Aber leider habe ich kein Copyright darauf. Bei vielen Gruppen oder Künstlern hört man am Anfang ihrer Karriere die Einflüsse ganz deutlich. Erst wenn sie sich entwickeln, machen sie ihr eigenes Ding. Nach einer Weile legt sich dieses Kopieren also. Als die Talking Heads auftauchten, dachte ich zuerst auch: Hm…, aber dann entwickelten sie ihren eigenen Stil, der sich von meinem ganz deutlich unterschied. Dass ich kopiert wurde, ist mir also schon häufiger passiert. Ich komme mir inzwischen vor wie ein weiser alter Buddha…

Es gäbe kein Liebeslied ohne Schmerz, sagte Nick Cave einmal. Stimmt das?

Das ist richtig. Jede Musik, die mich interessiert, jede gute Musik hat dieses Element der Angst, eine rastlose Energie gequälter Seelen. Billie Holiday, Charlie Parker, vielleicht sogar Jimi Hendrix, diese brennende Energie. Das ist die Musik, die ich immer anziehend fand. S Club Seven zum Beispiel machen ihre Sache ganz gut, mir persönlich ist das aber zu leicht. Auf Tapetenmusik stehe ich überhaupt nicht. Ich mag Bilder.

Also keine Lounge-Musik.

Die hat nicht genug Tiefe.

Und erzählt keine Geschichten… ?

Es geht vielleicht eher darum, ein Gefühl zu skizzieren. Es darf vage sein, aber es trifft dich mit irgendwas.

Musiker, Popstar, Model – wie sehen Sie sich?

Ich kann es nicht sagen, vielleicht alles zusammen. Ich finde interessant, was ich mache, und das findet das Publikum auch, das reicht. Ich habe meine eigene Nische, von der aus ich operieren kann, zum Beispiel als Interpret. Ich hoffe, dass mein neues Album alle Facetten reflektiert: die Moden, die Musik…

Wenn Sie heute dem jungen Bryan Ferry einen Rat geben könnten, welcher wäre das

Gute Frage. Ich würde mir raten, von Frauen und Drogen die Finger zulassen.

In dieser Reihenfolge?

Ja, beides. Außerdem würde ich mir nahe legen, häufiger in die Kirche zu gehen.

www.bryanferry.com