Can – Monster Movie


2.

August ’69: Die Rockgemeinde verneigt sich gen Woodstock, doch im langen Schatten des fernen (und überschätzten) Mega-Ereignisses trägt sich auch hierzulande Bedeutsames zu. Zu jener Zeit nämlich experimentieren der Jazzdrummer Jaki Liebezeit, der Rockgitarrist Michael Karoli, die beiden Stockhausen-Schüler Irmin Schmidt und Holger Czukay, dazu Malcolm Mooney, dessen angestammtes Metier die Bildhauerei ist, als Sänger, in einem „Inner Space“ genannten Studio in der Nähe von Köln mit Klängen, die von klassischer Avantgarde, Free Jazz, Elektronik, Hendrix, Zappa und Velvet Underground inspiriert sind. Das Ergebnis dieser Sessions ist-unter anderem-Monster Movie, ein Album, das auf die Fortentwicklung der populären Musik vermutlich mehr Einfluss hatte als das geballte Staraufgebot auf Yasgurs Acker in Bethel – Jimi Hendrix und The Who mal ausgenommen. Allenfalls Tempi und grobe Strukturen waren vorgegeben, alles andere wurde kollektiv improvisiert – und zwar mit viel Intuition, einem derart traumwandlerisch sicheren Aufgreifen und Antizipieren der Ideen der jeweils anderen, dass es an Telepathie grenzte. Schon der Opener „Father Cannot Yell“ drückte einen mit seiner Power platt an die Wand,“Mary, Mary So Contrary“ war eine hinreißend schräge Ballade, auf „Outside My Door“ wäre auch Syd Barrett stolz gewesen. Den Vogel aber schoss das 20-minütige „Yoo Doo Right“ ab, das die zweite Seite der Vinyl-LP einnahm. Liebezeits repetitive Rhythmus-Patterns und Czukays stoische Bass-Linien bildeten die Startrampe für eine fürwahr trancezendentale Reise. Was durchaus nicht ohne Diskussionen abging. „Jaki sagte immer, ‚Ich spiele sowieso Bass mit meiner Fußtrommel, da störst Du nur'“, erinnert sich Czukay heute amüsiert. „Ich sollte nur da spielen, wo er nicht spielte.“ Wie auch immer: Die Herren einigten sich, derweil Michael Karoli und Irmin Schmidt Sensationelles aus Saiten und Tasten zauberten, und Malcolm Mooney sich wie ein Derwisch auf Speed die Seele aus dem Leib sang:“You make a believerout of me.“ In der Tat: Die, die Ohren hatten zu hören, waren fortan Gläubige. Wie Julian Cope. Can, erklärte der Wave-Star der 80er kategorisch, „will be remembered as one of the greatest 20th Century bands.“ Right, Julian.