Captain Beefheart


Don Van Vliet, 29, bekannter unter dem Pseudonym „“Captaln Beefheart“, lebt zurückgezogen und beinahe ärmlich in einem kleinen Haus im San Fernando Valley von Los Angeles. Obwohl es in den vergangenen Jahren oft den Anschein hatte, als sei er auf dem Wege zu glorreichem Starruhm, haben ihn die Umstände immer wieder in Vergessenheit geraten lassen. In den sechs Jahren, die er Musik macht, Ist er nicht mehr als 25 Mal öffentlich aufgetreten.

Die Beefheart-Legende

Vor allem der Tatsache, dass ausser seinen Freunden ihn kaum jemals ein Mensch zu Gesicht bekommen hat, ist es zu verdanken, dass die Geschichte um sein Leben und seine Kunst den Charakter der Legende angenommen hat. Wenige Leute sind in der Lage, ihn als das zu akzeptieren, was er ist. Seine Manager, Musiker, Fans und Kritiker hören sich diese irre Stimme, die merkwürdigen Lyrics und das chaotische Spiel (harp, soprano sax) an und sind sich darüber einig, dass er der Grösste sein könnte, wenn er (1) deutlicher und sanfter sänge, (2) kommerzieller wäre und (3) Bluessongs spielte, die die Leute kapieren und nach denen sie tanzen könnten. Plattenfirmen haben ihn gebeten, seine Magic Band zum Teufel zu schicken und den Blues mit Unterstützung von Studiomusikern zu spielen. Produzenten meinten, Don Van Vliet sei nur einen kleinen Schritt vom g rossen Geld entfernt. Beefheart selbst jedoch, aller gutgemeinten Rat- und Vorschläge zum Trotz, bleibt seiner alten Masche treu und wartet geduldig auf den Tag, an dem ihn die Leute so nehmen werden, wie er ist. Eines Tages, so weiss er, werden sie so weit sein. Er weigert sich, seine Magic Band aufzulösen und mit seinen musikalischen Grundsätzen zu brechen: „“Mir ist klar, dass jemand, der Free Music macht, nicht so kommerziell m wie ein Hamburger-Stand. Hamburgers Kann man essen und in der Hand halten. Mit Free Music ist das nicht möglich. Ist sie zu frei, um noch kontrollierbar zu sein?“

Beefheart trifft Zappa

Beefhearts Leben als Musiker begann in Lancaster, einer Stadt inmitten der öden Verlassenheit Südkaliforniens. Er besuchte die Oberschule und befreundete sich mit einem berüchtigten jungen Mann, ebenfalls aus Lancaster: Frank Zappa. Als Junge von 18/19 setzte sich Van Vliet intensiv mit zwei Arten Musik auseinander: Mississippi Delta Blues und Avantgarde Jazz von John Coltrane, Ornette Coleman und Cecil Taylor. Obwohl er sich für Musik interessierte und für kurze Zeit mit den „“Omens“, einer R & B-Gruppe, spielte, hatte er damals noch nicht die Absicht die Musik zu seinem Beruf zu machen. 1959 schrieb er sich am Antelope Valley Junior College ein, wurde jedoch bald allen Büchern gegenüber misstrauisch und lief davon. Für kurze Zeit war er Manager einer Reihe von Schuhgeschäften: „“Ich habe das Ganze zu einem riesigen Konzern aufgebaut. Dann, mitten im grössten Weihnachtsgeschäft, habe ich mich davongeschlichen id absolutes Chaos zurückgelassen“, fang der Sechziger Jahre zog Van Vliet lach Cucamonga zu Zappa, der zu jener Zeit komponierte und Spielfilme produzierte. Damals erfanden Zappa und Vliet gemeinsam den Namen „“Captain Beefheart“. „“Aber fragt mich nicht, wie und warum“, sagt Beefheart heute. Die beiden planten, eine Gruppe namens „The Soots“ zu gründen und einen Film mit dem Titel „Captain Beefheart Meets The Grünt People“ zu drehen. Beide Projekte fielen Jedoch später ins Wasser.

Haare bis zur Taille

Als Zappa nach Los Angeles zog, um die Mother ins Leben zu rufen, ging Beefheart zurück nach Lancaster j und formierte zusammen mit ein paar anderen Leuten „“The Desert Musicians“. 1964 begann er mit der Magic Band auf Teenager-Tanzveranstaltungen in seiner Heimatstadt zu spielen. Zu einer Zeit da lange Haare noch als Rarität galten, hatte der Kapitän seine Locken bereits bis zur Taille wachsen lassen, die Mitglieder seiner Band waren in schwarze Ledermäntel und -hosen gekleidet und der Leadgitarrist trug eine schwarze Augenbinde. Der Eindruck war überwältigend. Die Gruppe wurde zur Sensation von Lancaster und bald In ganz Südkalifornien bekannt Plattenfirmen, die mit dem neuen Sound ins Geschäft einsteigen wollten, wurden auf Beefheart aufmerksam. Seine erste Platte auf dem A & M – Label war eine Nummer, die Chuck Berry populär gemacht hatte: „“Diddy Wah Diddy“. Die Platte war in Los Angeles ein Hit und für eine Weile schien es, als sei‘ Beefheart eine grosse Zukunft beschieden. Es kam anders. Beefheart nahm ein Album auf und brachte es zu Jerry Moss von A & M. Moss hörte sich die Stücke an („“Electricity“, „“Zig Zag Wanderer“, „“Autumn’s Child“ etc.) und fand sie „“zu negativ“. Er weigerte sich, das Album auf den Markt zu bringen. Beefheart, sehr sensibel, hörte augenblicklich auf zu spielen. A & M gab eine bereits fertig aufgenommene Single mit dem Titel „,Frying Pan‘ ‚heraus. Die Platte fand keine Beachtung und Beefheart zog sich für ein Jahr von der Musik zurück.

Der Mann, der Mikros kaputtsingt

1965 kam seine zweite Chance. Bob Krasnow von Kama Sutra war bereit, das von A & M verschmähte Material auf einer LP zu veröffentlichen. Obwohl ein Jahr alt, war es seiner Zeit noch immer weit voraus. Es präsentierte den unverwechselbaren Beefheart-Sound von Blues und Bottleneck-Gitarre und die erste effektive Synthese in Amerika von Rock & Roll und Delta Blues. Zum ersten Mal war Beefheart auch in der Lage, die ganze Kraft seiner Stimme zu demonstrieren. Auf einem Song zum Beispiel sang er ein Telefunken Mikrofon im Werte von $1.200 kaputt. Einige Gesangspassagen von „“Electricity“ konnten nicht so aufgenommen werden, wie es seinen Vorstellungen entsprach, weil die Mikros bei der Explosion seiner Stimme ganz einfach den Dienst verweigerten.

Beefheart das Genie

Inzwischen sind einige Jahre vergangen und mehrere Alben von ihm erschienen. Er hat sich in gewissem Sinne und in gewissen Kreisen etabliert. Zappa. wie so viele andere die ihn gut kennen, hält ihn für eines der wenigen grossen Genies unser Zeit. 1972 könnte das Jahr sein, in dem sich Beefheart auch bei uns aus der Anonymität löst und uns an seiner Musik und seinem Humor teilhaben lässt Die Entscheidung, das ist klar, liegt bei ihm allein. Den ersten Schritt hat er bereits geplant: Am 12. April geht er nach Hamburg um für den Beat-Club aufzunehmen. Am 14.d.M. wird er wahrscheinlich seinen ersten Auftritt in der Bundesrepublik geben, entweder in Hamburg oder in Frankfurt. Die Verhandlungen darüber sind zum Zeitpunkt unseres Redaktionsschlusses noch im Gange.