Chilly Gonzales


Selbstbewusst? Unbedingt. Eklektisch? Auch. Rapper? Nö! Ein rappender Popstar und ein musikalisches Genie sei er, sagt Chilly Gonzales selbst – und gewährt durchaus spannende Einblicke in die Musik, die ihn prägte.

Als ich ein Kind war, lief im Fernsehen …

The Bee Gees

Stayin‘ Alive

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war – vermutlich sieben oder acht Jahre. Ich war bereits Musiker, konnte schon Klavier spielen – aber dass es so etwas wie Popmusik gibt, war mir einfach noch nicht bekannt. Diese Kombination aus hohen Stimmen und eigenartiger, schneeweißer Bekleidung, die reizte mich immens. Interessant finde ich im Nachhinein aber vor allem die Art, wie ich diese Musik wahrnahm. Wenn man so jung ist, ist man unschuldig. Man hat noch keinen Geschmack, unterscheidet noch nicht zwischen guten und schlechten Songs.

Ich merkte, dass ich ein musikalisches Genie bin …

Autograph

We Need Peace

Autograph waren eine bizarre Band. Russen, musikalisch am ehesten noch Hair Metal. Ich könnte heute gar nicht mehr genau sagen, wie sie klingen und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob der Song so hieß, aber ich erinnere mich sehr genau an folgenden Moment: Ich spielte mit meinem besten Freund Tischtennis, plötzlich durchzuckte es mich. Ich dachte: Das kannst du problemlos nachspielen. Ich lief sofort rüber zum Klavier und merkte: Heilige Scheiße, ich bin dazu fähig, etwas, was ich nur ein paar Mal gehört habe, problemlos und fehlerfrei zu reproduzieren. Das war ein ganz wichtiger Moment.

Ich entdeckte meinen eigenen Geschmack mit …

Frankie Goes To

Hollywood

Welcome To The Pleasuredome

Ich hatte einen älteren Bruder, mit dem ich viel musizierte. Sein Geschmack beeinflusste mich sehr, er hörte progressiven Jazz und Fusion. Frankie Goes To Hollywood waren dann die erste Band, für die ich Geld ausgab und auch die erste, die ich ganz alleine entdeckte. Sie prägen mich bis heute, Holly Johnson ist auch für die Art, wie ich performe, sehr wichtig. Ich bin froh, dass ich nicht bei diesem Progressive-Kram hängen geblieben bin und heute weiß, dass Musik mit Emotionen zu tun hat.

HipHop begeisterte mich …

Notorious B.I.G.

Hypnotize

Ich interessierte mich als Heranwachsender nie sonderlich für Rap. Rap, das war MC Hammer. Als ich professioneller Musiker wurde, fing ich allerdings an, zu bemerken, dass alle mich in irgendwelche Schubladen steckten. Ich hatte Riesenprobleme mit meinem Ego, mit meiner Kunst, fühlte mich ständig missverstanden. Ich suchte also eine Lösung. Und die fand ich im HipHop, bei Biggie Smalls oder dem Wu-Tang Clan. Die hatten eben Antworten auf dieses Ego-Ding! Sie repräsentierten, versteckten ihre Ambitionen nicht, waren konfrontativ. Da dachte ich mir: „Gut, ich werde jetzt versuchen, wie die zu sein.“

Ein tolles Stück, das ein Freund von mir schrieb …

Tiga

Love Don’t Dance Here Anymore

Das wirkt jetzt hoffentlich nicht eitel, aber ich werde eines nehmen müssen, an dem ich selbst mitgearbeitet habe. Die Nummer ist auf seinem letzten Album und wirklich großartig. Neun Minuten lang, so ein episches Disco-Teil im Donna-Summer-Style, zudem mit Soulwax aufgenommen. Die Leute fanden es ganz gut, glaube ich. Aber eigentlich erwartete ich Stürme der Begeisterung.

Der beste Song der Gegenwart ist …

Rick Ross

B.M.F. (Blowin‘ Money Fast)

Der perfekte Track! Leute wie Lil‘ Wayne, Drake oder eben Rick Ross haben in den vergangenen Jahren das Genre auf ein enorm hohes Level gehoben. Das Schöne an Rap ist: Rap funktioniert nur in der Kopplung mit Erfolg. Er kann nicht Underground sein, zumindest nicht bleiben. Deswegen ist es auch total in Ordnung, wenn diese Leute über ihre Armbanduhren, ihre Häuser und ihre Autos rappen. Das ist eben ihr Leben, wovon wollen sie denn sonst sprechen? Jemand wie Tyler, The Creator wird in zwei Jahren ganz ähnliche Geschichten erzählen, das ist der Lauf der Dinge. Im Übrigen war mein Vater auch so eine Art Rapper: Ungarischer Jude, aus ärmsten Verhältnissen. Und dann kam er rüber nach Kanada und lebte den amerikanischen Traum. Genau darum geht es!

Randnotizen:

* Vor Kurzem erschien The Unspeakable Chilly Gonzales, das achte Album des Kanadiers.

* Abgeschlossen hat Gonzales mit Amerika. Dort würde man ihn immer noch als den komischen Typen wahrnehmen, „der früher neben Peaches stand“.

* Was Chilly Gonzales überhaupt nicht interessiert, ist Punkrock. „Punkrock ist, wie in Brooklyn zu wohnen. Etwas, das man als cool verkauft, das aber nichts daran ändert, dass Manhattan schöner ist!“

* Momentan schraubt der Kanadier am neuen Feist-Album. Der Nachfolger zu The Reminder (2007) soll noch in diesem Herbst erscheinen. Die Richtung: längere Songs, weniger Pop.