Coming Of Age in Echtzeit: Richard Linklaters „Boyhood“ auf der Berlinale 2014


Wie der „Before Sunrise“-Regisseur seinen Stars beim Wachsen zusieht.

Bei jedem normalen Coming-Of-Age-Film würde man in den Credits wohl zwei bis drei Darsteller für eine Figur finden: Mason (jung), Mason (12), Mason (18). Aber was ist schon normal für einen Regisseur wie Richard Linklater, der sich ja bereits für die Schilderung der großen Romanze zwischen Julie Delpy und Ethan Hawke insgesamt 18 Jahre Zeit genommen hat? Eben. Weshalb es wahrscheinlich auch gar nicht so überraschend ist, dass er für die Schilderung einer kompletten Jugend in „Boyhood“ auch entsprechend langen Atem beweist. Vom ersten Dreh bis zur Premiere auf dem Sundance-Filmfestival und jetzt im Wettbewerb der Berlinale 2014 sind insgesamt zwölf Jahre vergangen.

Zwölf Jahre, in denen er sich einmal im Jahr mit seinen Stars Ethan Hawke und Patricia Arquette, sowie mit seinem „Boy“ Ellar Coltrane und Töchterchen Lorelei, getroffen hat, um einige Szenen einer (nicht mehr existierenden) Ehe beziehungsweise eines Familienlebens zu filmen, die er zum Ende hin schließlich zum knapp dreistündigen Dokument einer Erwachsenwerdung zusammengeführt hat. Das funktioniert auch deswegen so gut, weil man sich als Zuschauer hier zu keinem Moment betrogen fühlt und den Wandel in Aussehen und Persönlichkeit der Figuren im Jahreswechsel hautnah mitbekommt. Gespiegelt im Übrigen auch im Soundtrack, der von den Hives (2002) bis hin zu Family Of The Year und Daft Punk reicht.

Am schönsten und intimsten freilich vollzieht sich die Wandlung in „Boyhood“ beim zu Beginn noch jungen Mason, der zunächst mit der Trennung seiner Eltern, dann mit den wechselnden Liebhabern seiner Mutter und schließlich auch noch mit Anfeindungen in der Schule fertigwerden muss. Wie er dabei trotzdem langsam zum jungen Mann reift, das gehörte im Wettbewerb 2014 zu den vielleicht schönsten und wahrhaftigsten filmischen Erlebnissen. Und empfiehlt sich in jedem Fall für einen der anstehenden Bären. Für einen Kinobesuch später im Jahr sowieso. Einen genauen Starttermin für Deutschland hat Universal allerdings noch nicht bekanntgegeben.