Compact Discs


Daß CD nicht gleich CD ist, musikalische Highlights und technische Schlamperei nur zu oft Hand in Hand gehen, dürfte inzwischen bekannt sein. Franz Schaler fand auch diesmal die Haare in der Suppe.

Die angenehmeren Neuigkeiten gleich vorweg: TOWNES VAN ZANDTS fabelhaftes neues Album AT MY WINDOW gibt es mittlerweile auch auf CD, importiert vom TIS (Heartland/Sugar Hill Records HLDCD 003). Anders als der verschollene CAPTAIN BEEFHEART scheint sich der Mann wohl doch entschlossen zu haben, wieder mit einiger Regelmäßigkeit Platten aufzunehmen, anstatt nur für Fuchs und Hase und Coyoten vor der Haustür zu musizieren.

Das jüngste BODEANS-Album OUTSIDE LOOKING IN mit den drei Bonus-Songs auf CD (Slash/Metronome 828 086-2) müßte inzwischen auch im Handel sein. Und wenn man Glück hat, findet man endlich auch die frühen Solo-Werke von PAUL SIMON inklusive LIVE RHYMIN‘ (Warner Bros. 925 590-2) im Laden auf CD. Obwohl seit Monaten gefertigt, waren diese Plättchen zum Arger mancher kaufwilliger ME-Leser offenbar immer „im Rückstand“. Was bei den reichlich vorhandenen Fabrik-Kapazitäten in Europa dann doch verwunderlich ist.

Aus den USA importiert, liegt jetzt das komplette Warner-Repertoire von VAN MORRISON auf Digitalscheibe vor. Der marode Dollar ließ viele Importeure hier umgehend zugreifen, obwohl der Katalog unseres „Belfast Cowboys“ nicht in der preisgünstigen „Super Saver“-Serie der amerikanischen WEA aufgelegt worden war. Die Teldec kündigte auch eine (eher bescheidene) Kollektion unter dem Titel THEM FEATURING VAN MORRISON an (London 810 165-2). Unter dem Aspekt des „klanglichen Mehrwert“ ist von den VAN MORRISON-Aufnahmen vor allem der 2 CD-Set IT’S TOO LATE TO STOP NOW (Warner Bros. 2760-2) zu empfehlen. Denn diese Live-Mitschnitte klingen dort nun mal ungleich besser als auf Analogscheibe.

Unter demselben Gesichtspunkt sind auch LADIES OF THE CANYON und BLUE von JONI MITCHELL dringlichst zu empfehlen. Man glaubt seinen Ohren nicht trauen zu können, wenn man zum erstenmal hört, wie phantastisch diese beiden Produktionen von 1970/71 tatsächlich aufgenommen wurden und wie besch … eiden vergleichsweise die LPs dagegen klingen. Das überwiegend akustische Material hier wurde in mindestens so exquisiter Klangtechnik aufgezeichnet wie die später entstandenen High Tech-„Reisser“ von Pink Floyd mit ihren Aufmerksamkeit heischenden Effekten! Merkwürdig ist da allenfalls, daß diese Joni Mitchell-Klassiker -— Millionenseller immerhin -— nicht längst mal in entsprechender Überspielqualität auf LP wiederveröffentlicht wurden.

Bei Klassik- und Jazz-Repertoire ist das längst gang und gäbe: Manches wird früher, teilweise sogar ausschließlich auf CD veröffentlicht und nie in Vinylrille gepreßt. Zu solchen Strategien mochten sich die Plattenfirmen bei Pop/Rock-Repertoire bislang noch nicht entschließen. Eine Ausnahme scheint jetzt der amerikanische MCA-Konzern zu machen -— bei einer seiner früher mal populärsten Gruppen, nämlich der Mod-Kapelle THE WHO. Auf den beiden Billig-CDs WHO’S MISSING und TWO’S MISSING (MCAD- 31221 bzw. 31222/US-Import) findet man insgesamt 26 Studio-Outtakes, Live-Mitschnitte, Singles-B-Seiten und unveröffentlichtes Material, darunter gleich ein Dutzend Aufnahmen aus den Jahren 1964 bis 1966, die noch von Shel Talmy produziert sein könnten.

Für Sammler also eine Fundgrube. Denn zum einen waren manche der Raritäten von Track und Polydor (bzw. davor Brunswick und den diversen Lizenzfirmen) in Europa nur auf obskuren Billig-LPs oder B-Seiten zu finden. Die jetzt veröffentlichten Versionen sind auch nicht unbedingt mit den definitiven LP-Abmischungen identisch. Typisch ist wieder mal nur, daß mit Ausnahme des Entstehungsjahres keinerlei weitere Angaben gemacht werden. Eine derart lieblose und geizige Aufmachung haben diese Raritäten-Kollektionen wirklich nicht verdient.

Für mancherlei technische Schlampereien ist die amerikanische MCA unter CD-Fans sowieso bekannt. Gleich serienweise werden da jetzt Aufnahmen mit vertauschten Stereokanälen auf Digitalplatte gebracht, das zweite Album der MAMAS AND PAPAS(MCA 255 201-2) genauso wie JOE WALSHS YOU CAN’T ARGUE WITH A SICK MIND (MCA 251 562-2). Die Tatsache, daß es sich um Billig-CDs handelt, kann nicht als Entschuldigung gelten. Und mit derart schäbiger Ausstattung begnügt sich kaum eine andere seriöse Plattenfirma.

Bei einer anderen MCA-Veröffentlichung aus jüngster Zeit kann man sich über die CD nur freuen: GAGGED BUT NOT BOUND, das zweite Instrumental-Album von ALBERT LEE, bringt auf der Digitalplatte (MCACD-42063/TIS) nun doch noch die ersten fünf Noten des ersten Songs, die auf der LP und der MusiCassette schlicht fehlen! Daß die den „Analog-Käufern“ bei der Überspielung unterschlagen wurden, scheint niemand bemerkt zu haben.

Auf was dieselben LP-Käufer mehr und mehr achten müssen, ist die an dieser Stelle schon häufiger angesprochene Bonus-Politik der CD-Macher. So enthält beispielsweise auch die jüngste NITS-CD von IN THE DUTCH MOUNTAINS (CBS 460 071 -2) wieder mal drei Songs mehr als die Vinyl-Version und kommt so auf 57 Minuten Spielzeit. Wer das Spielchen als geneppter LP-Fan immer noch nicht durchschaut hat, dem sei hier nochmal versichert: Bei Kupferfolien-Umschnitt (bekanntes Kürzel: DMM) bringt man auf einer LP-Seite auch bis

zu 40 Minuten Musik unter, wie bei Klassik-Platten demonstriert. Einen technisch zwingenden Grund, sich bei Pop auf weniger als 60 oder gar 50 Minuten zu beschränken, gibt es nicht! Kurios wird es dann, wenn man auf CDs aus unerfindlichen Gründen nicht die Original-Abmischung wie vorher bei der LP findet. Rätsel dieser Art gibt das zweite, meisterlich gelungene Album GIVE IT UP von BONNIE RAITT auf. Einer der besten Songs, nämlich „Too Long At The Fair“, wurde für die CD (Warner Bros. 2643-2/ TIS) anscheinend von einem frühen Demo übernommen und nicht vom schließlich freigegebenen Mix. Ein Ärgernis zumindest für alle, die nicht die hervorragende Originalscheibe kennen. Von diesem faux pas abgesehen ist GIVE IT UP mit einer Bonnie Raitt in absoluter Top-Form natürlich nur nachdrücklich zu empfehlen. Denn die Scheiben, die Warner seinerzeit noch bei der Konkurrenz Capitol und CBS pressen ließ, waren bisweilen doch von eher furchterregender und „berauschender“ Fertigungsqualität.

Weitere Doppel-LPs auf einer CD gab es in der letzten Zeit mit der SMITHS-Kollektion LOUDER THAN BOMBS (Sire 925 569-2/Rough Trade Import} mit nicht weniger als 24 Songs in knapp 73 Spielminuten, FRANK ZAPPAS FREAK OUT! (Zappa Records ZAP 1), ROCKIN‘ THE FILL-MORE von HUMBLE PIE (A & M Japan D32Y3577) und THE VERY BEST OF POCO (Epic EGK 33537). Obwohl man noch weitere sechs Minuten Kapazität hätte nützen können, ließ man im letzten Fall allerdings zwei Songs unter den Schneidetisch fallen. In der Klangqualität ist die „Best of… „-CD der Country Rock-Pioniere höchst unterschiedlich ausgefallen.

Nichts zu deuteln gibt es dagegen an der Klangqualität vom letzten LITTLE FEAT-Album DOWN ON THE FARM (Warner Bros. 3345-2), das immerhin noch einige große LOWELL GEORGE-Kompositonen wie „Straight From The Heart“, „Kokomo“ und den Trucker-Song „Six Feet Of Snow“ enthielt. Die bei uns erhältliche LP-Pressung klingt vergleichsweise so anämisch, baßschwach und im Grundtonbereich verfälscht, daß sich der Verdacht aufdrängt, da habe jemand eine verhunzte Bandkopie für die LP-Überspielung benutzt. Der LITTLE FEAT-Katalog dürfte in den kommenden Monaten auf CD weiter komplettiert werden.

Selbiges kündigt Line Records für den Beserkley-Kalalog (GREG KIHN, JONATHAN RICHMAN AND THE MODERN LOVERS usw.) an. Die CDs werden von den Originalbändern in der ursprünglichen Zusammenstellung auch dort überspielt, wo locker zwei LPs auf eine CD passen würden. Anders hatten das vorher die Japaner beim MEGA 20 TRACK ALBUM der Modern Lovers praktiziert. Das enthielt die kompletten Aufnahmen von ROCK ‚N‘ ROLL WITH THE MODERN LOVERS (Line BECD 9.00488/ARIS) und dazu noch sieben Songs von BACK IN YOUR LIFE (Line BECD 9.00466/ARIS).

Mit der „Two-On-One“-Politik tun sich die Plattenfirmen aus verständlichen Gründen schwer: Sie müssen für solche Veröffentlichungen aus der eigenen Tasche an Verlage, Komponisten und Texter Überlizenzen zahlen, die fallweise den Profit drastisch mindern. Ansonsten gäbe es kaum einen plausiblen Grund, der dagegen spräche, wichtige Oldies aus dem Back-Katalog bei passender Spielzeit auf einer CD zu koppeln.

Aus eben diesem Back-Katalog stammen wichtigere CD-Veröffentlichungen der letzten Zeit wie UNCONDITIONALLY GUARANTEED von CAPTAIN BEEFHEART und seiner MAGIC BAND des Jahres 1974 (Virgin 258 382), BOBBY WOMACKS 1981 aufgenommenes Comeback THE POET (Beverly Glen BGD-10000/US-Import), die im selben Jahr veröffentlichte GUITAR MUSIC von Leo Kottke (Chrysalis VK 41328), das NEIL YOUNG-Meisterwerk RUST NEVER SLEEPS (Reprise 2295-2) und MOUNTAIN MUSIC von den DILLARDS (Teldec 8.26534), eine der besten Country/Bluegrass-Produktionen aus den späten 70er Jahren, die mal nicht entnervende Klampfen-Fröhlichkeit verbreitet und insofern auch nicht nur für einschlägige Fan-Zirkel interessant sein dürfte.

Eher dürftig war diesmal zum Jahresbeginn das Angebot an Novitäten auf CD. Zu den besseren Veröffentlichungen gehören BOBBY WOMACKS THE LAST SOUL MAN (MCA 255142-2), das zumindest einige dauerhaftere Songs zu bieten hat als Stevie Wonders letztes Opus, der HAT TRICK von BLUES ‚N‘ TROUBLE (Line INCD 9.00397) und die TEXTONES mit ihrem jüngsten Album CEDAR CREEK (Enigma/Intercord Record Service 971268), das dem Titel zum Trotz nur noch wenig Country-Klänge, dafür umso mehr Blues und Rock -— teilweise direkt aus Keith Richards‚ Lehrbuch für gute Gitarren-Riffs abgekupfert -— präsentiert. Eine exzellente Produktion, bei der Sängerin Carla Olson ihre Stimmqualitäten hervorragend zur Geltung bringt.

In diesem Monat werden schließlich auch noch die ersten CD-Singles im 8-Zentimeter-Format aus einheimischer Produktion in die Läden kommen — buchstäblich scheibchenweise und meist nur mit Spezial-Adapter abspielbar. Ob die ein Erfolg oder ein totaler Flop werden, dürfte auch davon abhängen, inwieweit man nochmal nachdachte und sich praxisgerechtere Adapter fürs Abspielen einfallen ließ.