Conor Oberst: CONOR OBERST


Conor Oberst veröffentlicht ein Solo-Album. Und dann doch wieder nicht so ganz. MUSIKEXPRESS-Leser Kai Wichelmann über ein Werk zwischen großartigen und austauschbaren Momenten.

Conor Oberst veröffentlicht ein Solo-Album. Und dann doch wieder nicht so ganz.Label und Band sind neu, sonst ist alles geblieben. Zum Glück, sagt jetzt der Konsertivist, während der aufgeschlossene Fan sich womöglich ähnlich progressive Klangexperiemente wie einst auf DIGITAL ASH IN A DIGITAL URN versprach, dem gerne verkannten Meisterwerk von 2005. Oberst legt eine wert- konservative Platte vor, ohne Risiko und deutlich weniger Schnickschnack als auf CASSADAGA, welches den Geist von Dylans DESIRE heraufbeschwörte (man höre „Four Winds“!). Das selbst betitelte Debüt ist reduzierter, karg und direkt, was Oberst am ehesten wieder an das Werk zurückführt, worauf er seine besten Songs platzierte. Gegen I’M WIDE AWAKE IT’S MORNING kann diese Platte nur verlieren, und das ist weder schlimm noch wirklich überraschend.Conor Obersts Solotrip zeigt, was er anno 2008 ist. Ein zeitlos guter Songwriter, der ur-amerikanische Folk/Rock Versatzstücke in die Gegenwart transferiert. Ein Mensch, der zu sich gefunden zu haben scheint, ein jemand, der nicht mehr Blut und Galle spuckt, vor Wut nicht mehr zu bersten droht, nicht mehr wie zu frühen Bright Eyes-Zeiten zwischen Genie und Wahnsinn pendelt, sondert sich mehr um das Musizieren an sich kümmert, anstatt zu rebellieren.Fakt ist, dass Oberst mit der Gabe gesegnet ist, vor allem dann, wenn er lediglich mit seiner Klampfe ausgestattet ist, in sich simple, aber wirkungsvolle Melodien zu zupfen. Schon im Opener „Cape Canaveral“ ist Oberst ganz da, und er erzeugt eine Spannung, eine Intensität, die den Hörer fesselt. Doch zwischen immer wieder großartige Momente mischt sich Austauschbares. „Sausalito“ langweilt, mit seiner unspektakulären Country- Schmalz-Attitüde, und auch „I Don’t Want To Die In The Hospital“ ist ein eher ärgerlicher Boogie-Nervsong. Doch dann: „Eagle On A Pole“. Zärtlich, grandios.Und dann tatsächlich ein Überraschungsmoment: „NYC-Gone, Gone“, ein Rockriff genügt. Nach einer Minute ist Schluss. Aus dem später folgenden Trompetenintro hätte ein toller Song werden können können. Geschenkt. In „Souled Out!!!“ scheint Oberst von allen, ihn jemals heimsuchenden Dämonen befreit. Ein Tanz auf der Santanagitarre verbreitet Frohsinn. Überhaupt Frohsinn. Ein Wort, welches im Bright Eyes-Kontext noch vor 2-3 Jahren undenkbar schien. Das Brüchige ist weg, die schlimmsten Selbstzweifel wohl auch, die Musik ist geblieben, welcher teilweise das Geniale abgeht. Doch dann zum Abschluss „Milk Thistle“. Man scheint erleuchtet und beseelt. Simpel, direkt und zutiefst berührend. Grund genug, die vorher angeführte These noch einmal zu relativieren.

Kai Wichelmann – 26.08.2008