Dave Mason


Vor fast zehn Jahren hatte sich Dave Mason entschlossen, nach Amerika auszuwandern. Der ehemalige Spencer DavisRoadie und Traffic-Gitarrist ist seit dieser Zeit einen langen Weg gegangen, bis er sich in der oberen Klasse des amerikanischen Showbiz etablieren konnte. Viele namhafte Leute waren ihm dabei behilflich. In diesem Jahr konnte Dave Mason seine bisher grössten Erfolge verbuchen. Seine Amerika-Tournee war durchweg ausverkauft und sein Album „Mariposa De Oro“ stieg hoch in die US-Charts. In Kürze nun will Mason nun einen erneuter Versuch starten, den europäischen Kontinent zu erobern. ME-Mitarbeiter Wolfgang Freund sah und traf ihn vorab in Los Angeles.

Es ist Saison in Los Angeles. Das Amphitheatre in Hollywood, das den Universal Filmstudios gehört, und das Greek Theatre, eine handvoll Meilen weiter östlich, lösen sich mit großen Attraktionen ab. Fast jeder Tag ist Konzerttag. Zwischen Kenny Loggins und Frank Sinatra hat sich Dave Mason für fünf Tage im Universal Amphitheatre eingenistet. Seit Wochen sind die großen Anzeigetafeln am Sunset Boulevard mit einem roten „Sold Out“ überklebt. Dave Mason scheint sich aus seinem Geheimtip-Image freigeschwommen zu haben. Denn an fünf aufeinanderfolgenden Tagen das Amphitheatre zu füllen, ist selbst in L.A. eine kleine Sensation.

Am letzten Tag seines fünftägigen Heimspiels wirkt Mason erlöst, fast befreit. Er hat die Feuerprobe mit seiner neuen Band fast bestanden. Mehr noch: in seiner Euphorie kündigt er zu Beginn ein paar Überraschungen an, die den einen oder anderen alten Rockhasen nostalgisch jubeln lassen. Für den Auftakt muß ein Zufall herhalten. In einem Radiointerview am Tag zuvor hatte Mason erzählt, daß bei allen prominenten Musikern, bei denen er mitspielte, wohl einer für ihn eine ganz besondere Bedeutung hat: Delaney Bramlett. Bramlett, männliche Hälfte des Soulduos Delaney, Bonnie & Friends, bei dem auch Eric Clapton zeitweise mitmischte, war nämlich, so Mason, für ihn der Einstieg ins amerikanische Showbusiness. Er schrieb mit „Only You Know And I Know“ den größten Hit für das singende ehemalige Ehepaar.

Bramlett erfährt durch dieses Radio-Interview, daß sein alter Freund Dave Mason in Los Angeles ist und beschließt, am Abend hinter der Bühne aufzutauchen. Doch dabei bleibt es nicht. Denn Mason holt Delaney auf die Bühne, um mit ihm zusammen den alten Hit zu singen. Die fünftausendköpfige Menge steigt voll darauf ein. Die nächste Überraschung ist der ehemalige Traffic-Schlagzeuger Jim Capaldi, mit dem Mason eine alte Traffic-Nummer im Duett spielt. Dazwischen stellt er mit einerSouveränität ohnegleichen sein neues Album vor. Bei „So Good To Be Home“ steht Los Angeles auf den Beinen, bei der Funky-Nummer „Share Your Love“ scheint die ganze Arena zu singen, inklusive Dave Masons Mutter, die mit ihrem Kaffeekränzchen aufgetaucht ist, um zu sehen, ob ihr Sohn auch einen ordentlichen Haarschnitt hat.

Den hat er bestimmt: überhaupt sieht der Understatement-Musiker Mason außerordentlich gepflegt aus. Weißer Anzug, sauber gelegter Scheitel und ein wieder nachgewachsener Vollbart machen aus ihm einen gestandenen Musiker, der es fast allen Recht zu machen scheint. Auf der Gitarre ist er in Hochform. Seine Soli haben Hand und Fuß, gleiten nie ins Grenzenlose ab und bekommen den entsprechenden Applaus. Offensichtlich hat er viel geübt, seit seine bessere Gitarrenhälfte Jim Krueger mit Mike Finnigan und Les Dudek sein eigenes Ding macht.

Kruegers Job erledigen in der neuen Mason-Band nunmehr gleich zwei Herren. Außerdem hat er für den abtrünnigen Mike Finnigan den Ex-Vanilla-Fudge-Mann Mark Stein an die Keyboards geholt. Und während Mason und die Band auf der Bühne die wunderschöne Country-Folkballade „Bird On The Wind“ und das Finale „No Doubt About It“ anstimmen, läuft hinter der Bühne der nächste Clou an: Les Dudek und der begabte US-Newcomer Eddie Money machen sich startklar für einen Gastauftritt. Money ist aufgeregt, denn den Text von „Feelin‘ Alright“ hat er immer noch nicht ganz drin. Noch ein paar Züge aus dem Joint, dann klappt’s vielleicht. Dudek ist da viel ruhiger. Er ist der supercoole, den nichts mehr aus der Bahn werfen kann. Schließlich ist es dann auch soweit, daß das Triumvirat Money, Dudek und Mason plus Jim Capaldi an den Percussions Masons größte Nummer „Feelin‘ Alright“ anstimmt. Die Arena scheint aus den Nähten zu platzen. Dudek zieht den letzten Slide aus der Gitarre, Money dröhnt seine Strophe einer Hymne gleich, Capaldi bearbeitet die Felle als ob er es zum letzten Mal tut, und Mason selbst steht darüber wie Gottvater persönlich. Keine Frage, daß diese Überraschung in Ovationen endet.

Masons Weg war lang. Er war immer der Geheimtip, in allen Studios ein gern gesehener Gast. Jimi Hendrix, die Rolling Stones, George Harrison, Stephen Stills, Crosby & Nash, Mama Cass, Delaney & Bonnie und Joe Cocker sind nur einige Leute bei denen er live oder im Studio seine Gitarre auspackte. Er stellte daneben seine Fähigkeiten als Produzent bei Family’s klassischer LP „Music In A Doll’s House“ unter Beweis. Und als Komponist war Mason stets ein zuverlässiger Lieferant von hitträchtigem Material. Seine mittlerweile zehn Soloplatten sind gespickt mit kleinen Meisterwerken. „Let It Flow“, „Show Me Some Affection“ oder jetzt „Bird On The Wind“ seien hier stellvertretend genannt.

Masons Songs haben hohes musikalisches Niveau, seine Texte sind persönlich. Aufgrund seiner bescheidenen Zurückhaltung wurde er in all den Jahren immer wieder unterbewertet. Das war auch der Grund, warum er damals bei Traffic ausgestiegen war. Denn die Herren Winwood, Capaldi und Wood wollten seine Songs nicht mehr spielen. Dabei war es gerade Dave Mason, der Traffic mit „Hole In My Shoe“ und „Feelin‘ Alright“ aus der Anonymität herausholte. Jetzt, zehn Jahre später, ist er der lachende Vierte, der Capaldi mal eben für einen Song auf die Bühne holt. Kein Wunder, daß er da so überzeugend „Feelin‘ Alright“ singt…