David Byrne


Papas Tanzschulen dürfen sich freuen. Rock ’n‘ Roll ist out; Cha Cha Cha, Rumba und Samba sind in. Jedenfalls für David Byrne von den Talking Heads. Der Kopf der Köpfe geht nicht nur auf seinem ersten Solo-Album REI MOMO auf traditionellen Lateinamerika-Kurs – er bringt die neuen Songs zusammen mit einem guten Dutzend Musiker auch live in die Konzertsäle, beispielsweise fünf ausverkaufte Abende hintereinander in Los Angeles.

Das fast zweistündige Konzert geriet zu einem feurigen, elektrisierenden Festival afro-brasilianischer Rhythmen. Deren Reiz ist unwiderstehlich – zumal wenn sie in solch exzellenter Qualität gespielt werden. Sechs Blaser und eine wechselnde Anzahl von Perkussiomsten sorgen für einen satten Sound, und das Publikum reagiert enthusiastisch. „Dürfen wir tanzen ?“fragt es etwas zaghaft aus den Sitzreihen des prächtigen, alten Pantages-Theaters. Ja. aber bitte nicht in den Gängen, antwortet David, ln Hollywood geht’s eben ordentlich zu.

Der blasse, schmale Großstadt-Troubadour, oft als knallharter Avantgardist mißverstanden, ist in Wirklichkeit ein liebenswerter Romantiker. Außerdem erweist er sich als Entertainer ohne Star-Allüren und als Tänzer mit bewunderungswürdiger Kondition. Sein Gitarrenspiel fügt sich unauffällig ins Gesamtbild.

Ausgelassene Fröhlichkeit strahlt der Song „Independence Day“ aus.

Und die wenig freundliche Botschaft „Don’t Want To Be in Your World“ wandelt sich im Samba-Rhythmus zu einem geradezu versöhnlichen Lied. Selbst der schmalzige, in Rotlicht getauchte Cha Cha Cha …Dream Police“ paßt – Wunder über Wunder – ganz ausgezeichnet zu David Byrnes unverwechselbarem, nervösem Gesangsstil.

Aber ein starker Kontrast besteht zwischen Byrnes Kompositionen und seinen nach wie vor extravaganten Texten. „She had psychic defenses / He had animal dreams“ heißt es in „Women vs. Men“. So wird der Geschlechter-Kampf („The fighting continues“) als schwungvoller Bolero erträglich. Und während die Musik oft den Trubel des brasilianischen Karnevals beschwört, bilden der schlichte Bühnenaufbau und die ebenso schlichten weißen Anzüge aller Musiker das strenge visuelle Gegengewicht.

Kritik gibt’s nur an wenigen Details. Mal stellt David Byrne eigens die kubanischen Spezial-Trommeln vor. die dann aber in einem viel zu dicken Keyboard-Teppich versinken. Und die Stimme seiner Partnerin, der Sängerin Margareth Menezes, läßt sich nur in deren Solo-Nummern vernehmen.

Wieder einmal knüpft Byrne mit diesem Projekt interkulturelle Kontakte. Seltsamerweise erschienen aber nur wenige Latinos zum Hollywood-Konzert. Und die alte Talking Heads-Klientel mußte mit nur zwei passend neu arrangierten Titeln aus früheren Zeiten auskommen.