Def Leppard – Mit den neuen HM-Stars durch die US-Provinz


Sie kommen aus England, doch in Amerika machen sie ihr Glück. Dort Platin-LPs und Riesen-Arenen, zu Hause nur bescheidene Ächtungserfolge. Bevor sie im Oktober erneut die Festung Europa zu stürmen versuchen, besuchte ME/Sounds die Briten da, wo sie den Durchbruch bereits geschafft haben...

Ich hab mir auch ein Autogramm geben lassen“, erzählt voller Stolz der Taxi-Opa auf dem Weg ms „War Memorial“ in Rochester, 400 Meilen nördlich von New York. Def Leppard werden hier heute abend vor 10 000 Fans auftreten. „Sonst benehmen sich die Bands ja immer daneben, aber Def Leppard sind freundliche Typen.“

Im Holiday Inn, wo die Band übernachtet, als auch vor der Halle ist der Teufel los. Den ganzen Tag stehen Kids in der Hitze, um die besten Plätze zu ergattern oder mit der Band in Tuchfühlung zu kommen. Zwei 14jährige Teenies schaffen es sogar bis in die Garderobe: Sie verstecken sich hinter der Couch und warten mucksmäuschenstill vier Stunden auf das Eintreffen der Band Mit Erfolg: Der völlig verdatterte Sänger Joe Elliott besorgt ihnen Autogramme und gibt ihnen einen dicken Kuß.

Fünf Girls aus Syracuse gar warfen ihr Taschengeld in einen Topf und mieteten sich ein Zimmer im Holiday Inn. Für Konzert-Tickets reichte das Geld dann dummerweise nicht mehr…

Nach dem Soundcheck geht’s zu einem Radio-Interview. „Ihr seid das Stadtgespräch“, schmeichelt der weibliche DJ von der Radiostation WCMF 96, „das heißeste Ticket der Saison. Die Show war m drei Tagen ausverkauft. „Die Gitarristen Phil ‚Co’en und Steve Clarke grinsen mit sichtlichem Stolz.

Rekorde sind der Band mittlen/eile nichts Neues mehr. Def Leppard ist vom 18. März bis zum 20. September auf USA-Tournee: 120 Shows. Sie spielen nur in »großen Hallen, in San Diego sogar vor 60 000 Zuschauern. Ihre dritte LP PYROMANIA ist seit neun Wochen auf Platz vier und hat bis jetzt vier Millionen Platten verkauft. Die Plattenfirma will weitere zwei Millionen absetzen.

Die beiden unzertrennlichen Gitarristen stehen dem weiblichen DJ Candie Clarke Rede und Antwort. Ja, sie sind seit vier Jahren Profis und kommen alle aus Sheffield, bestätigt Steve.

Die Radiostation ist von Fans belagert, sogar der Hintereingang. Dort drückt ein scheues Mädchen Steve ihr Schulheft in die Hand: Es ist ein 30 Seiten langer Liebesbrief mit knapp 2000 handgeschriebenen „/ Love You Steve“.

Durch den Hintereingang geht’s zurück ms Hotel. Wieder durch den-Hintereingang. Eine Stunde bis zum Konzert. Ab in die Dusche, ein bißchen entspannen.

Der Star-Rummel ist für Def Leppard noch neu und ungewohnt. Zum ersten Mal müssen sie im Hotel sogar heimlich das Stockwerk wechseln, um Ruhe vor den meist weiblichen Fans zu bekommen, die sogar als Pizza-Lieferanten verkleidet auftauchen.

Die ersten zwei Wochen der Tournee hatten sie noch Sorgen: Mal war die Halle voll, mal nur halbvoll. Aber plötzlich platzte der Knoten, Die Begeisterung der Fans wuchs von Stadt zu Stadt, 5000 Fanbriefe die Woche, Teenies vor den Hotelzimmern. Seit Anfang Juli können sie nicht mehr ungestört essen gehen oder einkaufen. Schon redet man in den USA von einer Leppard-Mama.

Wie erklärt sich Joe Elliott den Erfolg? „Das ist schwierig… Wir arbeiten hart, für die Tournee haben wir drei volle Monate geprobt. Unser Video hat sicher geholfen und die Fotosessions: Denn stockhäßlich sind wir nicht. Wir wußten gar nicht, was große Dimensionen wirklich bedeuten. Wir träumten von Hallen für 4000 – und jetzt spielen wir immer vor 10 000 bis 15000 Kids. „

Um einen noch größeren Menschen-Auflauf zu vermeiden, wird die Band in verbeulten Autos von Hotelangestellt§n incognito ins „War Memorial“ gebracht. Der Tourbus, mit dem sie sonst zur Halle fahren, fährt voraus, um die Fans abzulenken.

„Darling, laß mich das machen“, beschwört die schwarzgelockte Cindy aus Tennessee den blondgelockten Bassisten Rick Savage. „Halt das Haar hoch, du mußt drunter sprayen.“

Cindy ist Ricks neues Girlfriend.

15 Minuten vor dem Auftritt. Man kann die Spannung spüren. Niemand darf in die Garderobe. Schon gar nicht die Girlfriends, sagt Cindy, „Die Jungs laufen da nackt rum – und keiner will, daß ein Cirlfnend die anderen Boys nackt sieht. „

Aber da rennt doch ein Mädchen ständig raus und rein.

„Das ist Joame. Sie ist für die Klamotten zuständig, ist aber eigentlich Mädchen für alles“, erklärt Cindy. Fotografieren läßt sich Rick „Sav“ Savage mit ihr nicht Cindy: „Er hat eine Freundin m Sheffield. Sie weiß nichts Von mir.“

Joame, das 23jährige Mädchen für alles, kümmert sich um die Wäsche, flickt Hosen, kauft Vitamine, bügelt, überwacht die Riders (das sind die Speisen und Getränke, die jeder Band vom Promoter backstage geliefert werden). Bei Def Leppard fällt außer den üblichen Pepsis. Bieren und Säften auf: zwei Töpfe Eiscreme (für Joe Elliott), einHometrainer-Fahrrad Qoe radelt angeblich zehn Meilen täglich), eine tragbare Sauerstoffanlage, 25 Handtücher, ein Stück Seife, ein Spiegel. Joame über die fünf:

„Die sind ganz normal. Höflich und geduldig. “ Sie muß es wissen, sie ist schließlich schon die zweite US-Tour dabei.

21 Uhr. Ohrenbetäubender Lärm. Die Fans begrüßen Def Leppard mit einem Lichtermeer: Streichhölzer und Feuerzeuge gehen in die Höhe. Mindestens die Hälfte sind Mädchen, selten bei Heavy Metal Bands.

Def Leppard tobt knapp zwei Stunden über die Bühne. Sie tragen jeden Abend das gleiche: Joe in schwarzer Lederhose und Union Jack-T-Shirt – die Band will wissen lassen: Wir sind britisch und stolz darauf. So stolz, daß sie die Hemden und auch Shorts mit der englischen Flagge von fliegenden Händlern in den Hallen verscherbeln lassen.

Am Ende der Show wirft Joe sein Union Jack-T-Shirt ins Publikum (darunter steckt ein T-Shirt mit der amerikanischen Flagge); Phil wirft die obligatorische Rose an der Gitarre unter die Mädchen. Teddybären, Schlüpfer, Adressen fliegen zurück. Zwei Zugaben. „Thanks Rochester. Don’t forget us. We won’t forget you.“ Ende.

Am nächsten Morgen um neun Uhr ist die Band wieder in der Lobby. Jeder bezahlt seine eigene Hotelrechnung, schleppt sein eigenes Gepäck. Mein Gott, sind sie alle pünktlich!

Der Band-Buchhalter Nick Cua verrät das Geheimnis: „Für jede Minute, die sie zu spät sind, müssen sie einen Dollar blechen. “ Rick Savage hält mit 46 Dollar m einer Woche den Rekord. „Das tut dem Geldbeutel weh“, gesteht Rick, der beste Geschäftsmann unter den Fünfen. „Wir wollen doch mit unserem Tagegeld von 30 Dollar auskommen. “ Ihre Kreditkarten seien alle unbenutzt, lacht der i9]ähnge Rick. Er ist der Jüngste, Phil mit 24 Jahren der Älteste.

Immer, wenn das nächste Konzert mehr als 500 Meilen entfernt ist, fliegt die Gruppe. Sonst geht’s mit dem Tourbus sofort nach dem Konzert die Nacht durch zum nächsten Ort. Heute wird geflogen. Nur Rick Savage verzichtet. Er will länger schlafen und mit Girlfriend Cindy 11 Stunden im Bus reisen. Im Tourbus sind neun Schlafkojen, die allerdings eher an Särge erinnern, zwei Wohnräume, einer hinten, einer vorn, mit jeweils einem TV – englisches und amerikanisches System. Mit Vorliebe schaut Def Leppard englische Komik-Serien an. Ganz vorne im Bus sitzt ein zwei Meter großer Stoff-Löwe, den ein Fan Joe zum Geburtstag geschenkt hat.

Am Flughafen liest Joe die Konzertkritik aus dem „Rochester Democrat Chronicle“ vor:

„Def Leppard macht Krach, viel Krach ohne Melodie; Vorgruppe war eine Band namens .Krokus‘; die waren noch unerträglicher. “ Das amüsiert sie, besonders der Schlußsatz.

Joe, der seine Stimme schonen sollte, redet: „In Amerika macht das Touren noch Spaß, obwohl das Reisen bei den weiten Entfernungen schon eine Strapaze ist. Hier ist ein Konzert ein Ereignis. Da heizen die Radiostationen vorher ein. Hier werden wir, im Gegensatz zu England, geschätzt und gefeiert. „

Daß sie zu Hause keinen Erfolg haben, schmerzt ihn arg.

„Die englischen Kritiker sind gegen uns, weil wir in Amerika

Erfolg haben.,. Man sollte eigentlich erwarten, daß sie stolz auf uns sind Aber nein.“

Im Herbst kommen sie nach Deutschland. Joe fragt sich: „Wer wei/3. wie man uns da empfängt. Wir waren schon drei Jahre nicht mehr da. “ Joe, der von seinen Kiss- und Mott The Hoople-Lieblingsplatten je vier Stück hat (damit er die spielen kann, bis er Opa ist), hat als 16jähnger wie jedes englische Kellerkind davon geträumt, entweder Rockstar oder Fußballer zu werden. Heute ist sein Traum, international erfolgreich zu sein. Das Vorbild ist Led Zeppelin. Genau wie sie wollen auch Def Leppard den Markt auf keinen Fall mit Platten überfüttern und die Leppard-Manie überhitzen. Auf die Feststellung. „Ihr seid doch bald Millionäre“, lächeln sie verschmitzt. Der bisher einzige Luxus, den sie sich leisten, besteht dann, da“>

jedes Bandmitglied seine Litern für eine Woche zum Los Angeles-Konzert einfliegen läßt.

Im Flugzeug pennen sie weiter. Um 15.45 Uhr landen wir in Pellston/Michigan. Eine Stunde Autofahrt nach Charlevoix, am Michigan-See. Ein Ferienort umgeben von Seen. Der Fahrer erklärt, daß die Fans zu diesem Konzert auch aus Kanada kommen, drei Stunden Autofahrt entfernt; letzte Woche sei Men At Work hier gewesen.

Das Konzert ist erst am nächsten Abend; der Promoter will wissen, worauf die Fünf denn Bock hätten. Joe Elliott will Golf spielen, für Rick Allen wird eine Harley Davidson besorgt; und Steve und Phil bekommen ein schnelles Boot, gehen schwimmen und fischen. Rick Savage mit Girlfriend ist immer noch unterwegs im Tourbus.

Abends stehen sie dann wieder vereint auf der Bühne: Aufgetankt und braungebrannt. 15 000 brüllen “ We want Rock ’n‘ RoW’in den lauen Abend.

„Okay, you got it. That’s our job, schreit Joe Elliott zurück. Def Leppard geht an die Arbeit…