Der angeknackste Sunnyboy


Der Schein trügt. Hintei der braungebrannten Fassade des (Wahl-)Kaliforniers verbirgt sich ein Grübler mit ausgewachsenen Psycho-Problemen. ME/Sounds-Mitarbeiter Wolf Kohl setzte sich zu ihm auf die Couch.

Ich weiß ganz genau, was du mich fragen willst“, sagt er schon beim freundlichen Begrüßungshandschlag und überspringt sogleich die üblichen Einleitungsfloskeln über das lausige New Yorker Wetter. “ Warum habe ich drei Jahre lang gewartet, um eine neue LP herauszubringen?“ Wir wären etwas höflicher mit der Tür ins Haus gefallen, Rick, doch da wir gleich beim Thema sind: Warum liegen denn zwischen dem Album TAO mit dem Hitsong „Celebrate Youth“ und der neuen Langspielplatte ROCK OF LIFE ganze drei Jahre?

„Ich war restlos ausgebrannt“, gesteht der 38jährige Australier und — seit 1972 — Wahl-Kalifornier.

„Physisch ebenso wie im Kopf. Es machte mir keinen Spaß mehr aufzutreten, und ich hatte keine Ideen für neue Songs. Seit 1979 hatte ich ohne eine Verschnaufpause gearbeitet. Als vor zweieinhalb Jahren meine ‚Cathode Ray‘-Welttournee beendet war und meine Frau Barbara unseren Sohn Liam erwartete, beschloß ich, mich von der Öffentlichkeit zurückzuziehen und mich auf mich selbst zu besinnen.“

Markige Worte, vorgetragen mit klaren, grünlichbraunen, direkt auf den Gesprächspartner gerichteten Augen. Die feingliedrigen, langen Finger untermalen das Gesagte mit knappen, doch ausdrucksstarken Handbewegungen.

„Ich habe mich während dieser drei Jahre in eine intensive Psychoanalyse begeben“, bekennt Springfield offen und verschweigt auch nicht die Tatsache, daß er schon seit nunmehr fünf Jahren einen Psychiater konsultiert. Das Ergebnis ist auf der neuen LP unüberhörbar. War TAO von fernöstlicher Philosophie durchwebt (der sich Rick allerdings nach wie vor sehr verbunden fühlt), so ist ROCK OF LIFE viel selbstbewußter, zupackender und Rockorientierter.

„Ich war selbst überrascht, wie stark rockausgerichtet die Platte ist“, meint Rick mit einem fröhlichen Gluckser. „Für diese LP halte ich mehr Songs geschrieben als für alle meinen anderen Alben zusammengenommen. Ich konnte also ganz entspannt aus dem Vollen schöpfen.“

Der Titelsong, ein Rock-Fetzer mit einem einhämmernden Beat, scheint bei jedem Takt das Wort „hitverdächtig“ mitzuliefern. Das dazugehörige Video präsentiert Springfield als pomadeglänzenden Chicano. Mit von der Partie ist Liam Springfield, im Laufgitter. Das Video hat, mit seinen in Feuerflammen explodierenden Flaschen und Lampen, die wohl ungewöhnlichsten Spezialeffekte, die je auf Videoband gebannt wurden. Erklärt Springfield: „Das gleiche Team, das für die Spezialeffekte in dem Film ‚Apocalypse Now‘ verantwortlich war, hat bei meinem Video mitgearbeitet. ‚Rock Of Life‘ ist ein Song über Veränderungen, die in einem persönlich vorgehen. Ich wollte viel Feuer in dem Video haben, da das für mich ein Symbol der Veränderung ist. Die Liedzeile ‚Waking up with the house on fire‘ ist eine Metapher für das Gefühl, wenn die Welt über einem zusammenbricht.“

Die Songs, so Springfield, seien ihm diesmal leicht aus der Feder geflossen. Mit einem Störfaktor: „Wenn ich ein neues Lied schreibe, schießen mir automatisch entsprechende Videobilder durch den Kopf. Das kann mich zur Raserei treiben, weil es von der Musik ablenkt.“

Auf die mit der amerikanischen Seifenoper „General Hospital“ begonnene Filmkarriere angesprochen (die mit dem Kinoflop „Heart to Hold“ unter einhelligen Buhrufen der Kritiker krachend einstürzte), gesteht Springfield offen: „Im Augenblick habe ich mit der Schauspielerei nichts am Hut. auch wenn man mir einige interessante Fernsehrollen angeboten hat. Ich will mich wieder voll auf die Musik konzentrieren. Eine Tournee, natürlich auch in Europa, ist geplant. Aber momentan steht die Tour nur auf dem Reißbrett.“

Fast hätten wir’s vergessen: ROCK OF LIFE endet mit einem Rockklassiker von den Small Faces, „(If You Think You’re) Groovy“. Eine ungewöhnliche Wahl für ein Springfield-Album. „Mir haben schon immer die Songs der Small Faces gefallen, und dieser Song stammt aus der von mir am meisten geschätzten Periode der Rockgeschichte. Ich vergebe mir nichts, wenn ich zugebe, daß auch andere Leute großartige Songs geschrieben haben.“