Der Freak von nebenan


Er ist 32, Fanta-4-Mitglied, lebt in einer Kommune und hält sich ein Schwein. Jetzt mutiert der Rapper Thomas D auch noch zum esoterischen Feuervogel.

Wenn man „Konig der Narren“, den Opener deines neuen Albums „Lektionen in Demut“ hört, könnte man glatt denken, dass gleich Rammstein loslegen. Warum dieses Wagnerianische und wahnsinnig Überladene?

Das ist natürlich bewusst eingesetzt. Ich wollte, dass es orchestral und wuchtig und überladen ist, um so den Raum zu schaffen, in dem sich großes Schauspiel ereignen kann. Das ganze Album soll wie ein Soundtrack zu einem Film sein, den es bildermäßig nur in deinem Kopf gibt.

Welchen Erkenntniswert sollen die Menschen aus „Lektionen in Demut“ ziehen?

Auf der Platte schaffen wir ein Szenario von Armageddon: Die Welt steht am Abgrund in dieser Szenerie, und die Superhelden und die Superbösen kämpfen gegeneinander. Es geht um Himmel oder Hölle, um Erleuchtung oder Verdammnis. Ich will die Fronten aufzeigen. Und im übertragenen Sinne möchte ich deutlich machen, welche Hoffnungen wir noch haben, welche Wege wir noch gehen können in der realen Welt. „Gebet an den Planet“ steht zum Beispiel für die dunkelste Stunde vor dem Sonnenaufgang. Aber eben auch für das Wissen-. Nach der Dunkelheit kommt das Licht wieder, das wird sich immer ablösen. Das Ganze ist der Aufruf zu mehr Bewusstsein, zur Selbstverantwortung. Ich möchte den Leuten sagen: wake up.

Zusammengefasst: Thomas D, der Erleuchtete. Du willst also, dass die Menschen reflektierter leben.

Richtig.

Was ist dein Armageddon?

Dass sich die Menschen zum Beispiel nicht mehr in die Augen gucken können, dass sie den anderen und die Welt nicht mehr respektieren. Armageddon ist auf jeden Fall eine emotionale Armut. Wir breiten unsere Egos immer mehr aus, haben aber gleichzeitig das Gefühl, von Systemen regiert zu werden, gegen die wir uns nicht wehren können. Dabei sind das Systeme, die wir selbst erschaffen haben.Sich selbst kleiner und schwächer zu machen, als man ist, das ist das persönliche Emotions-Armageddon – und das spiegelt sich in der Welt natürlich durch Katastrophen wider. Wir hier sind wie in Watte gehüllt und reagieren erst, wenn das Feuer schon unter dem eigenen Arsch brennt. Und deshalb haben wir nach BSE jetzt auch MKS.

In „König der Narren“ treffen sich ein deutscher HipHopper und ein amerikanischer Spreizbeinrocker. Wie kam’s zu der Zusammenarbeit mit Monster Magnet-Boss Dave Wyndorf?

Der Mann macht seit Jahren Texte, die mich total umhauen. Und weil ich sehr textbezogen lebe, hatte ich schon immer die Vision, irgendwann mal ein Lied mit Dave zu machen. Als wir uns dann bei Viva Overdrive zum ersten Mal getroffen haben war ich höllisch aufgeregt und hab‘ gezittert.

Das mutet komisch an: Thomas D als Fan.

Ja, abgefahren, oder? Ich hab mich dann nach dem Konzert mit Dave getroffen, hab‘ gesagt wer ich bin und was ich mache, und dann war alles ganz easy. Ich hab mir genau seine Worte gemerkt: „Thought about singing in German – fuck, why nof‘.Thorsten König von Motor Music hat dann ein weiteres Treffen in New York arrangiert. Monster Magnet hatten da einen Promo-Termin, und bei der Gelegenheit hab’ich Daveauf Band gesungen, was er singen sollte. Und ein paar Wochen später kam ein Tape zurück: Anfangs klang es nach „Honig der Narren“, dann war’s „Körnig der Narren“, und nach dem fünften oder sechsten Mal hat er’s drauf gehabt.

Hast du dir ein Autogramm geben lassen?

Ne, aber ich hab‘ zu Hause ein Poster hängen, noch von „Powertrip“. Die Zusammenarbeit mit Dave soll auch kein Mega-Feature sein, von wegen Thomas D präsentiert Dave Wyndorf. Ich fand’s wichtig, dass er überhaupt mitgemacht hat. Beim Outro singt er auch noch mit, deshalb hab‘ ich auch bei „Bist du glucklich“ das“Ü“ weggelassen. DieserTraum einer Zusammenarbeit ist jedenfalls abgehakt, mein letztes Idol hat mich entlassen.

Dave Wyndorf wird es nicht so aufgefallen sein, ein Muttersprachler wird’s merken: Du drehst ziemlich viele Schlagwörter durch die esoterische Cebetsmühle.

Das ist sehr interessant ausgedrückt. Für mich ist das aber kein Vorwurf, für mich sind Paradies und Hölle,Tod und Teufel, Finsternis und Flammen Worte, die eine große Kraft haben. Sie beinhalten extreme Elemente, und weil ich auch ein Mensch bin, der sich in vielem extrem bewegt, sagen sie mir etwas.Ich binfest davon überzeugt, dass wir entwederim Paradies leben oder uns die Hölle auf Erden selbst schaffen. Vielleicht liegt’s aber auch an meiner mangelnden Schulbildung, ich war ja nie Gymnasiast. Wenn ich Smudos Texte höre, denk‘ ich manchmal: Wow.derTyp ist so schlau, das könnt‘ ich nie sagen. Ich verwende nur Worte, die ich verstehe und die ich poetisch finde – das ist halt aus dem Bauch raus und null verkopft:That’s the way I feel.

Mit deinen Texten bist du also zufrieden. Wie steht’s mit deinen Fähigkeiten als Rapper?

Ich weiß, dass Dendemann, Samy Deluxe und Jan Delay viel Im Interview

bessere Skills haben, da sind die weit vorn. Aber ich leg‘ auf eine Competition mit denen auch keinen Wert, weil ich mich schon länger auf den Inhalt zurückgezogen habe. Die Art, wie ich etwas ausdrücke, ist mir wichtiger. Das ist eigentlich ein Zurückgehen auf Spoken Poetry, auf den Ursprung der Rapmusik, der im Poetischen und Lyrischen liegt.

Du bist berühmt für deine seltsamen Frisuren und verwegenen Barte. Wie wichtig ist dir dein Outfit und Image?

Mein Bart mit den mittlerweile vier Zöpfen nervt schon.

Dann rasier‘ ihn doch einfach ab.

Ne, das geht nicht. Ich muss ja imagemäßig am Ball bleiben. Mit den Haaren mach‘ ich mir schon lange keine Sorgen mehr, die wachsen ja auch nicht mehr so. Deshalb bin ich zum Bart übergegangen,da wächst wenigstens noch was. Ich lass’den auch noch weiter wachsen, bis zum Bauchnabel. Wenn man schon scheiße aussieht, dann wenigstens konsequent Innerhalb der Fanta 4 bist du die Rampensau, und auch solo fällst du gerne auf. Wie kommt’s?

In diesem Land gibt s zu viele Promis, über die’s nicht viel zu erzählen gibt- höchstens.ob sie koksen oder nicht und wer wem warum ein Kind gemacht hat. Ich dagegen möchte auffallen ais eine Person, die auch noch Inhalte hat und Werte lebt.

Welche Werte sind das?

Mitgefühl, Menschlichkeit. Es geht mir nicht darum zu zeigen, dass ich der Größte bin, weil ich Geld hab‘ – ich möchte den Leuten zeigen, dass ich genauso scheiße oder geil bin wie sie.

Kannst du in den Tag hinein trödeln, wenn du frei hast?

Das gelingt mir selten. Ich hab’immerHummeln imArsch.lm Moment spiel‘ ich Trompete, so als Autodidakt, das macht irre Spaß. Es gefällt mir auch, dass auf dem MARS („Moderne Anstalt Rigoroser Spaker“, Thomas Ds Kommune in der Eifel; Anm. d. Red.) ständig was los ist. Irgendeiner macht immer Musik. So richtig frei fühle ich mich, wenn ich mit meinen Hunden auf dem Hof bin.

Ist die Künstler-Kommune mit Freunden und allerlei Getier deine bevorzugte Lebensform?

Ja, das ist eindeutig meine Familie und mein Zuhause. Ich kann mir allerdings schon vorstellen, noch Frau und Kinder dazuzukriegen. Es war eine bewusste Entscheidung für den Hof-ich wusstevon Anfang an, da ziehe ich nur hin, wenn mir klar ist: Hier könnte ich alt werden.

Wie viele Leute wohnen mit dir auf dem AAARS?

Wir sind zu neunt. Ich bin der Hauptmieter. Und damit sich der Hof trägt, haben wir Firmen gegründet.

Was sind das für Firmen?

Zum Beispiel eine Schreinerei, ein kleines Musikstudio und ein Label. Das heißt „Außerirdischen Landeplatz Records“.

Wie kommst du an in deinem Eifeldorf?

Die reißen schon Sprüche über mich. Aber das macht nichts. Im Sommer lad‘ ich immer alle zum Grillfest ein – dann öffnest du dich dem Dorf, und die machen sich auch locker.

Engagierst du dich noch für die Tierschützer von PETA?

Ja. Ich hab gerade erst mit Erika bei einer Anzeigenkampagne mitgemacht, die auch im „Stern“ zu sehen sein wird.

Wer ist Erika?

Erika ist mein Haus- und Hofschwein. Die hab ich geschenkt bekommen, als sie ein kleines rosa Ferkel war Mittlerweile ist sie bei knapp 200 Kilo und sabbert ständig, ist aber total lieb. Und sie kann „Sitz!“ und „Männchen“. Na ja, sie richtet sich in einem 45-Grad-Winkel auf und fällt dann vornüber. Aber wenn das so weitergeht mit MKS, kann es ja sein, das mich Erika bald verlässt.

Weg vom Schwein, hin zum Business: Wer kümmert sich eigentlich um Four Music?

Hausmarke ist im daily business.Smudo macht einen hervorragenden Job mit seinem Außenbüro in Hamburg, und Andy und ich sind eher Künstler und damit im täglichen Entscheidungsprozess nicht drin. Selbst wenn mein Schreibtisch bei Four Music eine Glasplatte hätte, die von zwei nackten Mädels gehalten würde, ist das einfach nicht mein Ding, so ein täglicher Job.

Mit den Fantas bist du seit fast einem Jahrzehnt erfolgreich, und auch solo läuft’s bei dir prima. Hättest du auch in deinem alten Job als Frisör diese Zielstrebigkeit an den Tag legen und ein neuer Gerhard Meir oder Udo Walz werden können?

Gute Frage. Die sind ja auch nur Selbstdarsteller. Ich mache Musik, die schneiden Haare. Wahrscheinlich hätte ich aberauch als Frisör mein Leben in eine gewisse Kunstform verwandelt.