Der Letzte Cowboy


Gibt es noch Rock-Musiker, die nach 15 Millionen LPs so normal sind wie du und ich? ME/Sounds-Mitarbeiter Helmut werb besuchte Huey Lewis zuhause in Mill Valley und hat seither Angst vorm Autofahren …

Das alles deprimiert mich unheimlich,“ schreit Huey Lewis mich an. Nicht weil ich ihm etwa widersprochen hätte, sondern Huey muß den getunten Motor seines BMW 2002 übertönen. „Die allen Zeiten sind für immer vorbei,“ philosophiert er. während er wie ein Geistesgestörter den Freeway runterprescht. Das wäre ja alles gar nicht so schlimm, denke ich mir, während ich verzweifelt nach dem Sicherheitsgurt suche. Wenn er sich nur auf die Straße konzentrieren könnte. Aber nein, wenn Huey Lewis mit dir spricht, geht sein ganzer Körper mit. Die blauen Augen suchen unentwegt nach Blickkontakt, während er mit dir redet, anstatt sich um den korrekten Sicherheitsabstand zum Vordermann zu sorgen.

„Für mich ist eine LP erst dann korrekt, wenn sie sich anhört, als wären die Jungs eben ins Studio gesprungen und legten einfach los. Geh heute mal zu einem Konzert — da wird die dickste Kohle ausgegeben, um auf der Bühne den künstlichsten Studio-Sound nachzubauen. Ich weiß nicht, wo das alles enden wird.“

Sollten Fragen dieser Art seltsame Erinnerungen an väterliche Monologe wach rufen — Huey Lewis ist Vater. Und ein stolzer obendrein. Seit fünf Jahren isi der 38jährige Huey glücklich verheiratet — sagt er — und hat zwei Kinder, die er abgöttisch liebt: die 4jährige Kelly und den 3jährigen Austin, dem er mit „Walking With The Kid“ auf SMALL WORLD eine Hymne schrieb. Damit die Frau Gemahlin nicht muckt, schrieb er ihr mit „World To Me“

gleich eines der besten Liebeslieder der letzten Zeit. Und obwohl’s im Lewis-Haushalt vor nicht allzu langer Zeit schon mal kräftig knisterte — welche Frau wird den Mann schon verlassen, der ihr so ein musikalisches Glanzstück widmet?

Mir gefiele der Song sehr, sage ich ihm. „Ehrlich“ fragt er ungläubig und strahlt mich voll an, die Augenbrauen bis unter den Haaransatz gezogen. Den Buick hätte er auch fast gerammt. Gottseidank kennt er sich hier auf den Straßen aus. „Du meinst echt nicht, daß sei zu kitschig geworden?“ Der sonst so lausbübisch wirkende Huey Lewis ist plötzlich beinahe verlegen.

Überhaupt paßt Huey A. Craig nicht ins übliche Klischee des wilden Rockers. Er residiert heute noch in der gleichen Stadt, in der er geboren wurde, dem kleinen, aber sehr feinen Mill Valley, eine halbe Autostunde nördlich von San Francisco (10 Minuten, wenn Huey fährt).

Huey kennt in Mill Valley jeden Arsch von früher. Mit dem Malermeister ging er zur Schule, dem Taxifahrer hat er als 1 6jähriger mal wegen eines Mädchens (seiner heutigen Frau) die Nase eingeschlagen. Heute gehen der Taxifahrer und der Rock-Millionär öfters einen saufen. Auch das Büro des netten Herrn Lewis, internationaler Erfolgsrocker, erfüllt nicht die Erwartungen — anstatt einer tollen Büro -Suite mit Leder-Couch und 10000 Dollar Stereo-Anlage führt der Businessman Lewis seine Telefonate und Verhandlungen aus dem mickrigen Kellerraum eines kleinen Einfamilienhauses an der Straßenecke. Selbst diesen begrenzten Raum teilt er sich noch mit Whiskey, einem freundlichen Schäferhund, dessen komplette Tennisball-Sammlung unter Hueys Schreibtisch lagert. In Mill Valley gehen die Uhren halt noch etwas anders.

Noch ist die Atmosphäre im winzigen Übungsraum cool und entspannt, aber die Vorbereitungen auf die Welttournee, die am 3. August in den USA startet, laufen auf Hochtouren. Immerhin geht’s auch bei Huey Lewis And The News trotz all der guten Laune und des sich-nichternst-nehmens ums kühle Geschäft. Die LP läuft in den Staaten schon gut an, die Single „Perfect World“ beginnt abzuräumen. Huey as usual.

Die Band, die mit ihm übt, ist die gleiche seit Jahren — eine Gruppe von Freunden, die mal in der Garage anfingen, so die gepflegte Legende. .. Wir sind nicht nur eine Band auf dem Papier“, bläst Gitarrist Chris Hayes in sein Bier. Sämtliche Kohle wird aufgeteilt. Die Songs werden zusammen erarbeitet. Jeder wirft in den Musiktopf.

Zwar bauten die Jungs auf SMALL WORLD clever neue musikalische Stilelemente ein. doch das war für Huey eigentlich mehr eine Spielerei als Herausforderung. Hueys Musik war nie künstlerisch wertvoll, sondern einfacher Rock. Musikalisches Neuland betritt Huey nur mit hochgekrempelten Hosen. Er ist halt ein alter Bluesmann, der Europa schon mit seiner Mundharmonika bereiste, als noch keiner im Musikgeschäft den Namen Huey buchstabieren konnte.

“ Wir spielten mit dem Zeug eigentlich nur mm“, erzählt er von der neuen LP. So wie er mich wieder anstarrt, bin ich nur froh, daß wir nicht mehr im Auto sitzen. „Wir hatten noch nicht mal eine neue Scheibe in Planung. Wir wollten einfach mal ausprobieren, wie wir uns anhören, wenn wir uns anders anhören “ lacht Lewis. „Zydeco. Reggae. Jazz, das ganze Zeug war für uns einfach Neuland. Wir wollten sehen, ob wir das können. Wir haben 15 Millionen Platten verkauft. Was kann da schon passieren. Hell, l’ve mude enough money. Now I wanna have some fun. „

Schöner Spaß: Fünf Wochen lang tourt die Band in den USA, dann geht’s nach kurzer Pause nach Europa. Australien. Japan, wieder in die USA und dann nochmals nach Europa. Wieder eine Ochsentour mit Aussicht auf Knatsch‘.‘ frage ich.

„Schon möglich — das wird wahrscheinlich unsere letzte Tour dieser Art, der Zirkus wird mir zu groß. Und ich zu all.“