Die 33er


Beach Boys – Pet Sounds, Capitol, 1966

Sommer, sonne, Surfen: Seit 1961 hatten die Beach Boys auf lockerflockigen Singles ein mythisches Kalifornien besungen. Drei Jahre später ist Schluß mit lustig. Oberstrandjunge Brian Wilson hat Drogenprobleme und arbeitet – unter Vater Murray, der Ignoranz seiner Kollegen und einer Beatles-Paranoia leidend – besessen, ja autistisch an seinem Meisterwerk. In der Tat: „Pet Sounds“, besungen von den Beach Boys, eingespielt von Studiomusikern, wird das magische Manifest eines genialen, sich allmählich verdüsternden Geistes.

BEATLES – REVOLVER EMI, 1966

Das spatere Brimborium um „Sgt. Pepper“ übertönte vieles: auch, daß „Revolver“ das bessere Album ist, das beste, das die „Fab Four“ je gemacht haben. Hier verbinden sie ihre eben erst entdeckte Lust am hemmungslosen Experimentieren mit ihrem schier unglaublichen Pop-Appeal. Streicher in „Eleanor Rigby“, Indisches in „Love You To“, Soul in „Got To Get You Into My Life“, der Wagemut von „Tomorrow Never Knows“, der süße Biß in „Here.There And Everywhere“, die kindliche Freude in Ringos „Yellow Submarine“ und so weiter: 14 goldene Pfeile, die mitten ins Herz treffen.

JAMES BROWN – LIVE AT THE APOLLO Polydor, 1962

„The hardest working man in show business“ auf dem ersten Höhepunkt seines Schaffens: Im Apollo-Theatre in Harlem brennt er mit seinen „Famous Flames“ ein Feuerwerk ab und singt sich mit „Please Please Please“,“Try Me“ oder „You’ve Got The Power“ in die Herzen der“black Community“, als deren Aushängeschild er später mit Slogans wie „Say it loud, I’m black and I’m proud“ fungiert.

BYRDS – SWEETHEART OF THE RODEO CBS, 1968

Erst als Roger McGuinn und Kurzzeit-Mitglied Gram Parsons die Byrds hinaus aufs Land treiben, gelingt der Band ein durchgehend grandioses Album. Der Countryrock von „Sweetheart Of The Rodeo“ – im September 1968 veröffentlicht – erfrischt wie ein kristallklarer Gebirgsbach und löst einen Trend aus: „Back to the roots.“

CAPTAIN BEEFHEART & HIS MAGIC BAND – TROUT MASK REPLICA WEA, 1969

Jahre später noch behauptet Don van Vliet alias Captain Beefheart, Frank Zappa wäre bei den Aufnahmen zu diesem epochalen Doppelalbum selig in tiefen Schlaf gefallen. Völlig aus der Luft gegriffen scheint solches nicht, denn Stoff wie „Ant Man Bee“ oder „Neon Meate Dream Of A Octafish“ dürfte selbst F. Z., der sich hier als Produzent versucht, den Nerv geraubt haben. Ein kakophonisches Chaos, das bei näherem Hinhören zum kunstvoll konstruierten Klangkosmos aus Blues, Jazz und Rock wird.

MILES DAVIS – BITCHES BREW CBS, 1969 Der Spruch ist längst Legende: „Als ob ein Jahr New York auf 25 Minuten komprimiert würde.“ So klingt „Bitches Brew“, meint Carlos Santana – und hat recht damit. „Directions In Music By Miles Davis“ lautet der Untertitel und auch das ist wahr. Der große Trompeter läßt den Jazz auf die elektrischen Entladungen der Rockmusik prallen, und das Ergebnis ist ein magischer Trip, in seiner Bedeutung den Werken Mozarts und Beethovens ebenbürtig, in seiner Substanz die Essenz dessen, was populäre Musik zu leisten vermag. Ein Jahrhundertwerk.

THE DOORS THE DOORS Eastwest, 1967

Mögen andere surfen, singen oder den „Sommer der Liebe“ feiern, die Doors verkörpern die düstere Seite, ihr „California dreamin'“ gebiert Ungeheuer, Ungeheuerliches bisweilen: eine moderne Version der Ödipus-Sage („The End“), Aufbrüche ins Unbekannte („End Of The Night“, „Break On Through“), rituellen Sex („Light My Fire“), Nachrichten aus dem Delirium („Soul Kitchen , „The Crystal Ship“). Die Welt empfängt sie mit offenen Armen, weil Jim Morrison für die Poesie von Gefahr, Gewalt und Schlangenleder zu stehen scheint.

BOB DYLAN – HIGHWAY 61 REVISITED CBS, 1965

Keiner außer ihm hat das je geschafft, nicht einmal die Beatles: Mit „Bringlng It All Back Home“, „Highway 61 Revisited“ und „Blonde On Blonde“ veröffentlicht Bob Dyian binnen 14 Monaten drei makellose Meisterwerke. Aus diesem Triptychon sei „Highway 61“ besonders empfohlen, weil Dylan hier endgültig mit seiner Folk-Vergangenheit bricht, das Album mit „Like A Rolling Stone“ eine der Rock’n’Roll-Hymnen schlechthin enthält und „Desolation Row“ oder „Ballad Of A Thin Man“ Herrn Zimmerman als Dichter von Brechtscher Qualität ausweisen.

GRATEFUL DEAD – LIVE/DEAD WEA, 1969

Wer wissen will, wie bekiffte Hippiemusik 1969 klang, sollte diese Live-Doppel-LP zur Hand nehmen und das Z3minütige „Dark Star“ auflegen. Vermeintlich sinnlos mäandernde Gitarrenlinien, schwebende Keyboardsounds, notdürftig geerdet von einem simplen Bass, der auch noch zwei durchgeknallte Trommler in Zaum halten muß: das sind Gratef ul Dead live, und live sind sie am besten. An schlechten Tagen zerfallen sie in ihre Bestandteile, an guten ist ihre Musik eine Reise auf einem Fliegenden Teppich. Hier sind sie schlicht brillant.