Die Fantastischen Vier


Die Fantastischen Vier stehen wie keine andere Band für deutschen HitHop. Nach "Sie ist weg" stürmt nun "MfG" die Charts. Und Ende Mai soll dann endlich das neue Album "4:99" in die Läden kommen.

Am Anfang waren sie einfach nur der Andy, der Michi, der Thomas und der Michael. Vier Freunde, zwei Jahrgang 67, zwei 68er, allesamt aus der Gegend rund um Stuttgart, sozialer Background: solide Mittelschicht, elterlicherseits bisweilen mit Eigenheim und Garten. Nicht unbedingt die Biographie, aus der man zwangsläufig ausbrechen muß. Oder eben erst recht. Die Vier jedenfalls wollten ausbrechen, weil sie einen Traum hatten: Popstars werden. Nicht gleich und sofort, aber unbedingt. Und wenn man etwas unbedingt will und das Wollen dann noch mit Hip-Hop-Musik zu tun hat, muß man auch mal unkonventionelle Wege gehen. Zwei der Vier – in diesem Fall Andy und Michael – gingen, und deshalb mußte auf dem langen Weg zu Beats’n’Rhymes mit deutschen Texten erst mal der HiFi-Würfel von Michaels Papa dran glauben. Andy frickelte für den Schallplattenspieler ein Kistchen zusammen, mit dem man über den Audio-Ausgang den Output regeln konnte. Ergebnis: ein prähistorisches Mischpult. Eine kleine Bastelei am Rande nur, gewiß – aber eben auch einer von vielen Schritten zu dem, was heute ist. Denn heute sind die vier Jungs formerly known als der Andy, der Michi, der Thomas und der Michael And.Ypsilon, Hausmarke, Thomas D. und Smudo. Der musikinteressierte Mensch kennt sie noch besser als Die Fantastischen Vier. Und Die Fantastischen Vier sind so etwas wie die Mutter aller deutschen Sprechgesangs-Formationen. Wobei die klassische Frage, wer nun wirklich zuerst da war – die Henne oder das Ei – nicht von Belang ist. Gut möglich, daß es HipHop tatsächlich auf deutsch schon vor den Fantas gab. Die Fantastischen Vier aber waren es, die den Sprechgesang auf deutsch popularisierten, sie hatten mit „Die da“ 1992 einen Hit, über den man nicht weghören konnte, und um „Die da“ herum veranstalteten die Fantas allerlei Schabernack: Sie kasperten sich durchs Zett-De-Eff, ließen sich von Dieter Thomas Heck anmoderieren und verhökerten den Refrain ihres Chartbusters auch noch an die Werbung. Und so nölte „Die da“ auch noch aus dem Fernseher, wenn Mutti ihrer Familie „Hohes C“ zu trinken gab. Das war Jux und Dollerei, das war bestimmt gutes Geld und amtliche Publicity – das waren aber auch zweifellos alles Ereignisse, die den Sympathie-Bonus in der HipHop-Gemeinde gegen minus hundert tendieren ließen. Die Fantastischen Vier ernteten Spott, Häme und Verachtung und mußten sich vorwerfen lassen, ein ganzes Genre ausverkauft zu haben – und das, bevor es sich überhaupt richtig entwickeln konnte.

1999 sieht die Sache schon anders aus. Alle Welt wartet gespannt auf das neue Fanta-Vier-Album, die Band hat nicht nur immer noch jede Menge Fans, auch innerhalb der Community ist es um die Anerkennung mittlerweile bestens bestellt. Spätestens seit die Fantas mit „Four Music“ ein eigenes Label haben, auf dem unter anderem der Freundeskreis und Sens Unik veröffentlichen, gelten sie nicht mehr als die Kommerz-Reimer, für die nur die schnelle Mark zählt.

Stuttgart-Heslach, Mörikestraße 67. Hier ist es also: das Medienhaus, das Hauptquartier der Fanta Vier. Im Keller hat die Band ein eigenes Studio, irgendwo darüber bringt ein Stadtmagazin die Termine für Benztown in Form, Viva unterhält seine schwäbische Dependance, und im ersten Stock ist ein öffentliches Cafe. Hier kann jedermann Milchkaffee schlürfen, das Mobiliar ist aus Flolz, die Wände sind so gestaltet, daß jeder Farbpsychologe bedingungslos sagen würde: ja, entspanntes Sitzen garantiert. Floch über dem Cafe, auf der Ebene „M 4″, residiert „Four Music“ – aber da ist man noch lange nicht. Zunächst gilt es, die Eingangstür zu entern. Vor der prangt nämlich kein einfaches Klingelbrett, sondern ein Modell, das mit einem Nummerncode zu bedienen ist. Immerhin: Wer drei Zahlen in die richtige Reihenfolge kriegt, kommt rein. Und wenn der Aufzug seine Arbeit gemacht und die Türen geöffnet hat, ist man quasi schon mitten- drin, im kreativen Nukleus von „Four Music“. Der Gang, der die einzelnen Büros mittig teilt ist ziemlich lang, die Rechner auf den Schreibtischen sind schön bunt, und diverse Telefone bimmeln um die Wette. Zwischen Telefonen und Rechnern haben die hauseigenen Produkte ihren Platz, und die sind vornehmlich schön groß, schwarz und rund. Richtig: Wir sind hier bei einer Plattenfirma, die hauptsächlich HipHop-Acts im Programm hat – da sind CDs eben nur eine nur eine Randgruppe.

Auf die Hausherren selbst deutet eigentlich nichts hin – wenn da nicht dieser kleine Stempel wäre, der ein wenig verloren auf dem riesigen Packtisch im Eigangsbereich liegt. Wenn eben dieser Stempel stempelt, stempelt er drei freundliche Buchstaben auf die ausgehende Post: MfG – Mit freundlichen Grüßen. Das ist eine sympathische Botschaft – und außerdem mal Produkt-Placement der netten An. „MfG“ heißt schließlich die Vorab-Single zu „4:99″, dem neuen Album der Fantas. Wo aber sind die Vier hinter den drei Buchstaben? Im Keller. Im Studio. Bei der Arbeit. Denn zu tun ist immerzu viel, Zeit ist immerzu wenig, und der Abgabetermin für die Platte dräut – und zwar ganz doll. Der Aufzug fährt wieder abwärts, die Türen öffnen sich erneut, und endlich ist man da, wo die Musik spielt. Denkste. Eben nicht. Geschäftig geht’s bei den Fantas aber trotzdem zu, und jeder der Vier hat dabei seinen Part. Hausmarke und And.Ypsilon sitzen zwischen Bildschirmen, DAT-Recorder und einem 48- Kanal-Mischpult, Smudo ißt eine Banane, und Thomas D. liest in einem Life- style-Magazin. Dabei lacht er sich halb kaputt und sieht aus, als hätte er in letzter Zeit öfter Lifestyle-Lektüre inhaliert. Thomas D. trägt nämlich jetzt ein Bärtchen: blonde Haare baumeln rechts und links des Mundes gen Erde, und mit ein bißchen Phantasie sieht er aus wie die moderne Ausgabe von Sam Hawkins. Ein Kauz, dieser Thomas D. Er gackert noch einmal, sagt „gleich – ich muß das noch eben zu Ende lesen“, und ist nur zwei Minuten später sehr interessiert: „Wo kommst Du her?“ – „aus Köln“. „Ah, da ziehe ich im Mai auch hin, mit 14 Leuten auf einen Bauernhof. Naja, nicht ganz nach Köln. Eher so in die Eifel, in die Nähe von Koblenz, 120 Kilometer von Köln weg. Es wird auf jeden Fall so ’ne Art Kommune – ich bin eben ein echter 68er.“ Wie gesagt: Ein Kauz, dieser Thomas D. Smudo hat mittlerweile die Banane verdrückt und will raus aus dem Studio. Lind das aus gutem Grund: Der Vor-Rapper der Fantas startet gerade eine Fasten-Phase, der Rest der Belegschaft hat justament Essen geordert – und da mag Smudo nicht zusehen, wie der Pizza-Service eintrudelt. „Ich habe Abbau-Tag, mit Obst und so, laß uns hochgehen ins Cafe.“ Warum nicht.

Smudo wirkt aufgekratzt und ein wenig gestresst, gibt nebenbei den perfekten Gastgeber – „Was möchtest Du trinken?“ – und ist dann ganz so, wie er in Interviews immer ist: freudig auskunftsbereit. Wenn Smudo erzählt, bleiben keine Fragen offen. Nicht einmal die, die man noch gar nicht gestellt hat. „Das Dumme im Musikgeschäft ist ja, daß man eine Zusage machen muß, wann man eine Platte abgibt, und die letzten Wochen davor sind immer die Kreativhölle. Aber das muß wohl so sein. Die Geburt muß schmerzhaft sein, sonst wird’s nicht gut.“ Die Geburt, das ist in diesem Fall „4:99″, das mittlerweile sechste Studioalbum der Fantas und zugleich die erste Langspielplatte nach fast vierjähriger Pause und dem 95er Werk „Lauschgift“. Verständlich, daß die Leute in und um HipHop-Hausen da schwer aufgeregt sind. Smudo indes ist es nicht. Aufgekratzt und busy ja, aber aufgeregt: och nö. Der Pressesprecher der Fantas schlürft einen Tee und spricht erst mal über das, was es schon zu hören gibt: „MfG“, die erste Single von „4:99″ – einem Stück Schallplatte, das mit einigermaßen inhaltschwangeren Sätzen beginnt: „Nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, das uns vom Drama einer Kultur berichtet.“ Noch ein Schlückchen Tee, und dann geht’s los wie rubbel-die-Katz: „Das Intro stammt von einer Hörspiel-Platte aus dem lahr 1961, so ’ne Art musikalisches Museum über Ägypten, Pharaonen und so. Wir fanden das ziemlich passend, weil wir in ‚MfG‘ ja das Drama dieser Kultur von hier und heute erzählen. Wir rappen die ganze Zeit Abkürzungen, eigentlich sagen wir also nichts, und trotz- dem sagen wir alles, weil die Abkürzungen für Werte, Moralvorstellungen, Institutionen, ach, einfach für alles mögliche stehen.“

Zum besseren Verständnis: „MfG“ hat einen knochentrockenen Beat, und dazu hauen uns die Fantas ein Konglomerat von Abkürzungen um die Ohren. Zumeist solche, die mit drei Buchstaben aus- kommen, bisweilen aber auch welche mit vieren – jedenfalls kontinuierlich jene, die gängig und ebenso national wie international sind. Von „ARD, ZDF, C&A“ über „BMX, BPM und XTC“ bis hin zu „THC in OCB is‘ was ich dreh“ ist so ziemlich alles dabei, was Spaß macht, doof, verboten oder einfach nur da ist. Findet auch Smudo. Lind er findet, daß „MfG“ zweifellos einen Erkenntniswert hat: „Die Abkürzungen, die wir hintereinander wegrappen, ergeben zusammenstehend wieder was Neues. Ich finde dieses Stück so genial, es ist einfach das Drama dieser Kultur, daß es viel zu viele Sachen gibt…“

Smudo schnappt nach Luft, ringt mit seiner Begeisterung, die ihm noch mal entfleucht – „geil, oder?!“ – und bringt die Sache ultimativ auf den Punkt, indem er ins Frankfurter Idiom verfallt. „Die Message ist einfach die: Mach disch lockä, Altä.“ Richtige Frankfurter finden sich übrigens auch in „MfG“. Sogar die aus Rödelheim. „RHP, USW, LMAA“ ist die prä- zise Botschaft, die aus dem Ländle nach Frankfurt rausgeht. Soll das Fernduell mit den Rödelheimern etwa in die nächste Runde gehen? „Fernduell ist ein zu aggressives Wort. Ich find’s bloß immer noch komisch, daß die Rödelheimer kein Mensch in der HipHop-Bewegung kannte. Das war schon ungewöhnlich. Über Fettes Brot hab‘ ich zum Beispiel zwei Jahre bevor die rauskamen was mit- gekriegt. Und dann hör‘ ich auf der Debüt-Single der Rödelheimer auf einmal was von ‚Fotzen aus Stuttgart‘ und dachte, hä, was is das denn? Aber als ich dann die ganze Platte gehört hatte, war mir klar, daß die eigentlich jeden anscheißen.“ Wirklich böse ist Smudo den Rödelheimern deshalb nicht. Und das, obwohl die Gags der Frankfurter für ihn immer mit einer Prise Boshaftigkeit rüberkommen und sich vom gepflegten Diss der Fantas unterscheiden: „Was wir machen, ist distanzierter Zynismus. Ich würde uns deshalb auch als sympathischer empfinden. Vielleicht ist es aber auch so, daß da ein Enyzm in der Frankfurter Flora ist und die gar nicht anders können“.

Sei’s drum. Mit Moses ist Smudo definitiv fertig, mit „MfG“ allerdings noch lange nicht. „Ich möchte noch was zur der Ägypten-Platte sagen.“ Bitte, gern. „Außer dem Intro sind da noch mehr super Sprüche drauf. Und zwischendurch diese Orchestereinlagen – Wahnsinn. „Smudo wirft den Kopf kurz ins Kapuzenshirt und verwandelt sich flugs in einen knackigen Bläsersatz: „Tä-tä-tät-täää!“ Nach ein paar Sekunden ist er wieder ganz im Gespräch, und deshalb geht’s flott weiter. „Der Refrain von ‚MfG‘ ist zwar keine Abkürzung, aber trotzdem eine Verknappung unserer Lebensphilosphie: Die Welt liegt uns zu Füßen/ Denn wir stehen drauf, wir gehen drauf, für ein Leben voller Schall und Rauch/ Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf- das ist Fanti-Style.“

Jetzt ist endgültig Schluß mit „MfG“. Was nicht bedeutet, daß Smudo sich leergeredet hätte. Der Mann spricht zwar ohne Punkt und Komma, bringt dabei aber ausnahmslos gerade Sätze zustande. Dozieren im Plauderton, kann man wohl auch dazu sagen.

Hausmarke kommt ins Cafe, ruft quer durch den Raum „was Smudo erzählt, stimmt überhaupt nicht“, stellt sich sodann mit „hallo, Michi“ vor, schnappt sich einen Stuhl und fragt: „Worüber redet ihr? Smudo zögert, den Bruchteil einer Sekunde nur, aber das reicht: Das ist die Chance des Fragestellers. – „HipHop in Deutschland. Hip- Hop heute, HipHop früher. Die Rolle der Fantas, damals und jetzt.“ – Geschafft. Hausmarke nickt anerkennend. „Ich schaff es immer noch nicht, Smudo zu unterbrechen. Wenn er mal richtig in Fahrt ist, ist das wie ein feiner Flow – da kann man nur schwer dazwischenfragen.“ Weil Smudo aber gerade mit einem Apfel beschäftigt ist – von wegen Abbautag mit Obst – ist Hausmarke jetzt ganz vom. „Warum die Community uns damals doof fand, ist doch mehr als nachvollziehbar. Zum erstenmal blühte da die zarte Blüte des HipHop aus Deutschland, und für die Presse war alles nur noch ‚Die da‘. Ne Menge Leute mußten sich Vergleiche mit uns gefallen lassen, obwohl sie sich selbst ganz woanders gesehen haben. Die sahen den Begriff HipHop in Deutsch- land wegen uns falsch definiert.“ Eine Entwicklung, für die man Die Fantastischen Vier allerdings nur partiell haftbar machen kann. Sicherlich: Das Berühmtwerdenwollen um jeden Preis – vergleiche auch: Dieter Thomas Heck und „Hohes C“ – war nicht unbedingt das Gelbe vom Ei in Sachen Karriereplanung. Den Fantas deshalb im nachhinein einen Vorwurf wegen fehlender Credibility machen zu wollen, greift allerdings definitiv zu kurz. Hausmarke: „Wir sind nie mit irgendeiner falschen Street- und Ghetto-Attitüde rumgelaufen, wir haben immer gesagt, wo wir herkommen“. Das stimmt. Legendär zum Beispiel der Satz, den die Fantas bei ihrer MTV-Premiere in die Kamera sagten: „We are from the Mittelstand.“ „Wir hatten HipHop nie für uns gepachtet, aber der Erfolg von „Die da“ und von „Vier gewinnt“ hat dann eben dazu geführt, daß solche Begriffe wie Neid, Fashion, Style und Credibility ins Spiel kamen.“

„Die da“ ist natürlich auch für den Mann gegenüber ein prima Stichwort. Höchste Zeit für Smudo, wieder zu übernehmen. „Der Song war eine Zeitlang auch für uns ein Fluch, weil wir nur noch als ‚Die da‘ durchgingen und nicht mehr als Die Fantastischen Vier. Aber mit dem Abstand von sieben Jahren ist er natürlich ein Segen. Wenn es ‚Die Da‘ nicht gegeben hätte, gäbe es den Erfolg nicht, dieses Haus nicht – mein ganzes Leben hätte es in dieser Form nicht ge- geben. Außerdem haben wir Vier gewinnt‘ zu einer Zeit gemacht, als es dafür noch kein Fahrwasser gab. Es war ein selbstgezimmertes Schiff, das wir losgeschickt haben.“ Ein Satz, den man sich ohne weiteres ins Poesiealbum meißeln könnte. Doch dafür bleibt keine Zeit. Schließlich hat Smudo vorhin viel zu lange geschwiegen und Hausmarke reden lassen, und deshalb redet er sich jetzt endgültig auf die Überholspur. „Natürlich haben wir damals auch ne Menge Fehler gemacht. Daß man am Image auch arbeiten muß, haben wir einfach nicht gewußt. Wir hatten jahrelang an der Musik gearbeitet, den Umgang mit der Presse mußten wir uns erst aneignen. Learning by doing, try and error und ganz oft auf die Fresse fallen. Aber Du wolltest doch noch was zu HipHop im allgemeinen und zu HipHop in bezug auf die Fantas wissen.“ Richtig. Will ich auch noch immer. Kein Problem für Smudo: „Die Kraft des HipHop kommt immer noch aus den USA. Das heißt, daß die Attitüde gegenüber HipHop hier immer eine importierte ist. Ich nehme sie von einem Ur-Kontinent und versuche, sie in meinen Kontext zu transportieren. Logisch, daß meine Ghettos dann nicht South Central sind, sondern eben das Jugendhaus-West. Das wäre dann wieder ehrlich, und das ist eine Komponente, die für HipHop in Deutschland interessant ist. Ich finde das ganze Real-Getue aber dennoch eher lästig. Man nimmt etwas, was grundsätzlich die schwarz-amerikanische Komponente hat, und die ist hier nun mal nicht vorhanden. Man kann versuchen, sich so PC wie ein Diplomsozialpädagoge zu verhalten – aber die Gleichung Armut plus realness ist gleich HipHop funktioniert trotzdem nicht.“

Ihre Hitparadenerfolge und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Möglichkeiten haben die Fantas in eine ganz konkrete Maßnahme umgewandelt, die ihnen innerhalb der Szene zu einer ganz anderen Akzeptanz verhalf: gemeint ist ihr Label „Four Music“. Seit 1996 haben die Vier ihre eigene Mini-Plattenfirma, und Flausmarke weiß deren Bedeutung durchaus zu schätzen: „Das Label hat geholfen, daß es jetzt leicht ist, uns cool zu finden. Wir machen eben Sachen, die good guys machen und versuchen dabei, geschmackliche mit geschäftlichen Interessen zu verbinden.“ Smudo sieht das ähnlich, kann dem Nebenjob als Plattenboß aber noch andere Seiten abgewinnen: „Es ist interessant zu sehen, wie junge Bands heute gestrickt sind. Das ist so verschieden zu der Zeit, als wir angefangen haben. Die wollen sofort wissen, wann das Video kommt und wie’s mit den Vorschüssen aussieht. Ich hab‘ das Gefühl, es gibt ein Schulfach, in dem das Kapitel Plattenbusiness vorkommt.“

Smudo, der Eider Statesman des deutschen HipHop? Der Mann hat jedenfalls eine Mission: „Du kannst dich mit Bands darüber streiten, ob ein bestimmter Turnschuh in einem Video getragen wird oder nicht – das nervt mich, weil so das Statement der Musik verwaschen wird. Wir bieten mit unserem Label eine Dienstleistung an, und die Leute, die zu uns kommen, schenken uns Vertrauen. Dafür möchte ich den Bands zum Beispiel klar machen, daß es wichtig ist, sich ein Publikum zu besorgen. Man sollte auch mal ein lahr lang getourt haben – wir wollen die Bands wegkriegen von dem üblichen Video-Trallala.“

Die Fantastischen Vier in den sehr späten 90ern – irgendwie hat es den Anschein, daß dieser Band keiner mehr kann. Sind wir mal gespannt, wie die Sache aussieht, wenn „4:99“ in den Läden steht und von der – wie Smudo sie nennt – „Musikkritik verarbeitenden Industrie“ begutachtet worden ist. Eins ist jedenfalls mal klar: Audi mit ihrem 99er-Album sind sich Die Fantastischen Vier treu geblieben. Traditionen sind schließlich nicht dazu da, um gebrochen zu werden. Und so gab’s auch von „4:99“ nicht einen Ton vorab zu hören. Was irgendwie schade ist: Haben die Fantas doch unter anderem ein Sample aus einem Hildegard-Knef-Song – dem herrlich tönenden „Im 80. Stockwerk“ – gezogen.

Zeit zu gehen. Smudo muß wieder runter ins Studio: Feste mithelfen, damit die Platte doch noch fristgerecht fertig wird.