Die Reklamation: Eine Auflage für die Auflage


Das alte Lied, es hat keine Melodie, und der Text, er will sich nicht reimen, die Worte dröhnen nur hohl und dumpf. Gesungen wird es trotzdem immer wieder: Letzthin forderten nun also die Berliner Wohnstuben-Clubber2Raumwohnung mit den „Verbänden der deutschen Musikwirtschaft“ im Rücken einmal mehr eine Deutschtonquote in der Musikausstrahlung von Funk (und Fernsehen?]. Vielleicht lässt sich ja die „Musikwirtschaft damit notdürftig wund versorgen; und der Kulturimperialismus, der amerikanische, er versklavt den hiesigen Popkulturbetrieb freilich immer noch. Das muss endlich aufhören (können]! Gerne dreht der Autor anlässlich der Wiederkehr dieser Forderung nach dem Vorbild der Forderer ein bisschen an der Ursache-AVirkung-Schraube und zäumt den schon ganz wund gescheuerten Gaulvon hinten auf. Lasst uns also zuerst darüber reden, warum sich die Humpe dazu hinreißen ließ, nach Nationalismus, verschärfter Grenzkontrolle (und davon sind eben nicht die Geschmacksgrenzen betroffen!] und Bürokratisierungzu rufen. Ausgerechnet im Pop, der dort, wo er in dreieinhalb beseelten Minuten weit abseits von „Musikwirtschaft zuerst einmal ein plumpes Glück spendendes Ding ist, vor allem von und für seinen Drang nach Freiheit lebt. Lasst uns darüber reden, wo eine solche Quote (ein)greift. Kein schönes Thema, denn wir reden hier in letzter Konsequenz von Blut und Boden. Und wir stellen anstrengende Fragen wie: Was wollt ihrdenn haben – mussallein derText deutsch sein? Oder zählt [auch] die Herkunft des Künstlers? Oder darf die Plattenfirma einfach selbst entscheiden: „Bringen wir die Band in unserer Inlands- oder Auslands-Sparte igroW raus?“

Die wichtigste Frage bleibt jedoch: Wofür soll diese Quote überhaupt gut sein? Geht es ihren Forderern tatsächlich um deutsche Musikanten, die aufgrund der angloamerikanisch dominierten Äthergleichschaltung versauern müssen? Oder verlangen sie die Quote nicht vielmehr als Schutzzoll gegen ausländische Produkte? Dass das Gros des inländischen, radiotauglichen Repertoires nach wie vor kaum mehr darstellt als eine im Zweifelsfall schlechte Kopie amerikanischer und britischer Produktionen, ist eine Tatsache. Dass uns angsthasige Radioformatierer landesweit heute nur noch Seicht- und Sachtheiten in die Ohren spülen, damit ja kein Hörerumodergar abschaltet, auch. Gerade die überwiegende Mehrheit der „Musikwirtschaft“ hatte sich dank dieser Praxis doch bestens mit der bis vorgestern überraschungsfrei verlaufenden Produktion von immer nur mehr Berieselungsriesel arrangiert. So lange sich daran nichts ändert, ist die Quote Unsinn. Und in einer sich wahrhaftig um Qualität bemühenden „Musikwirtschaft“ wäre sie es sowieso.