„Diese Band ist falsch!“


Beim ME-Liederraten erweist sich die weniger glamouröse Hälfte von The Darkness als recht sattelfeste Musikexperten. Wenn auch nicht als allzu eingefleischte Metalfans. Iran Maiden? Lieber nicht. "Gebt mir einen neuen Prince!"

So stellt man sich das vor: The Darkness sind in der Stadt, und die Hotellobby ist schon am Nachmittag voll aufgeregt tuschelnder Mädchen. Wie in den 70ern! Sind aber die ooer, weshalb die Tuschelmädchen wegen der ebenfalls hier im Meridien residierenden Boygroup Natural da sind und nicht wegen der dürren Rocktypen, die jetzt zur Halbzeit eines mit Promoterminen vollgepackten Sonntagnachmittags aus dem Lift staksen. „Ich bin noch am Wachwerden „, brummt Dan Hawkins. Da ist der Gitarrist und musikalische Direktor der Glam-Hardrock-Sensation (der optische Center der Band, Dans Bruder Justin, ist bei einem seiner unzähligen Foto-Shoots) Drummer Ed Graham voraus, der die folgende Stunde Musikraten in einer Art Halbschlafschlafendes Auge, waches Ohr- rumbringt. Um drei nachmittags ist den Ermatteten weder nach Kaffee noch Alkohol, dafür gibt’s fiesen Früchtetee. Ganz ohne Gift läuft es aber nicht: Zigaretten! Dan braucht Zigaretten, sonst geht Weniges. Der Zimmerservice wird alarmiert. Wir werfen schon mal den Player an.

The Vines Ride

DAN: Ich weiß nicht, wer das ist, aber der Sound ist recht wiedererkennbar. Dieses Garagenrock-Ding. ED: Klingt wie eine Kreuzung aus Elastica und Hives.

Es sind die Vines.

ED: Ach? Mir war nicht klar, dass die SO schlecht sind. DAN: Das ist wirklich scheiße, (kichert) Als das grad losging, mit dieser sehr einfachen Gitarrenlinie … Wie jede Gitarrenband in den letzten paar Jahren. Langweilig, (theatralisch) Talentlose Narren! Haha! ED: Geht schon los, dass wir alle in die Pfanne hauen. dan: Haha! Ich bin noch zu überdreht. Bis ich meine Kippen kriege, mache ich alle platt.

Liars There s Always Room On The Broom

dan: Klingt wie Eds Soloalbum! Haha! Im Ernst: Ich kann mit so was viel mehr anfangen als mit den Vines. ed: Ich mag von so arty Elektro-Sachen lieber die, die etwas in Richtung Song gehen. Peaches find ich gut. dan: Gut, es müssen nicht gleich Songs sein, aber ab und zu würde man gern einen Bleep wiedererkennen.

Das sind Liars aus New York.

dan: Gefällt mir. Das einzige, was ich anmerken würde … ich kenn mich mit Studiotechnik aus, und dieser Verzerrungseffekt da ist ziemlich primitiv. Viel Arbeit haben die da nicht reingesteckt, (kicherndzu Ed) Systematisch hauen wir sie alle weg!

The Strokes Reptilia

DAN: (sofort) Strokes! Vom neuen Album! Ich finde, es zeugt von einer guten Band und einem guten Song, wenn man sie allein schon an der Bassline erkennt. ED: Wir haben eine Zeitlang schlimmes Zeug über sie erzählt. Kam wohl daher, dass sie so hip und cool waren, als wir gerade ziemlich am Kämpfen waren. Da haben wir dann geschimpft, „Strokes sind Scheiße“. Aber jetzt haben wir sie etwas kennen gelernt. Und ich hab sie live gesehen: Das ist nicht nur so ein Haufen Models, die können wirklich spielen.

Also Friede mit den Strokes?

DAN: Ja. The Darkness und die Strokes denken sogar über gemeinsame Shows in den USA nach.

Recht entgegengesetzte Enden des Rock-Spektrums.

DAN: Irgendwie, ja. Aber das ist es ja: Es sollte für alles Platz sein. Und es muss sich nicht immer alles in Szenen bewegen. Das ist das Problem von Rock heute: An jede erfolgreiche Band wird gleich eine „Szene“ drangehängt. Und wenn du nichtTeil der gerade aktuellen Szene bist, bleibst du außenvor und kannst hoffen, dass deine „Szene“ als nächste dran ist. Bullshit!

Ich sehe nicht ein, warum wir nicht gleichzeitig mit den Strokes sollten existieren können. Aber als sie rauskamen, war’s halt wirklich so: Überall nur noch Garagenrock, Hives hier, Strokes da, Vines dort.

Seht ihr bei euch auch die Kopisten kommen ?

DAN; Nein. Das wäre auch fürchterlich! Ich meine: Diese Band sollte doch eigentlich gar nicht existieren, was? Sie ist falsch, in jeder Beziehung, haha! Wenn du The Darkness nicht kennen würdest und jemand erzählt dir von uns – du würdest denken: Das kann nie und nimmer klappen! Aber so ist das ja fast bei allen guten Bands, (zerstreut) Ich muss mich jetzt mal um Kippen kümmern, sonst wird das hier nichts mehr.

The Distillers Drain The Blood

DAN: (gehtzumTelefon) Ah, das kenn ich. Distillers! ED: Das sind die? Hab noch nie ein Lied von denen gehört, (während Dan mit der Rezeption telefoniert undBrody Dalle röhrt, nickt Ed in der Couchecke weg) Hüstel. Also, irgendwelche Gedanken zu den Distillers ?

ED: (schreckt hoch) Äh … ich weiß nicht. Ja, klingt gut … (Schweigen; Ed dämmert wieder weg; Zeit vergeht) DAN: (mit einem Päckchen Marlboro Lights) Hat jemand Feuer? Ich finde, sie hat recht viel Attitüde, das Mädchen. Sehr talentiert. And I think there’s always room for a girl rockin out. Hat denn niemand Feuer?

Melissa Auf Der Maur Real, A Lie

Hier, noch ein Mädchen, das ausrockt.

DAN: Klingt ein bisschen wie … Sonic Youth? Oder sind das die mit dieser hübschen Frau als Sängerin und der Rest sind Goth-Typen? Aus Europa …

Nein, sie ist Amerikanerin. Es ist Melissa Auf Der Maur.

DAN: Ach,DASistvonihr?Hm. Klingt irgendwie ganz genau so, wie man sich vorgestellt hätte, dass Melissa Auf Der Maurs Solozeug klingen würde.

Robbie Williams Sexed Up

ed: Kommt mir bekannt vor… (Robbie singt los) DAN: (bestimmt) Ohfuck! Kannst du bitte vorspulen? Können wir das nächste Lied hören? Bitte? ed: Das ist Robbie Williams, oder? dan: (hektisch) Ja. Das nächste bitte.

Okay, okay.

Justin Timberlake Rock Your Body

ed: Ah ja, Justin Timberlake.

DAN: Justin Timberlake klingt immer fantastisch. Weil diebesten Songwriter der Welt die Songs für Justin Timberlake schreiben, weil die besten Produzenten der Welt die Songs von Justin Timberlake produzieren. Und weil die Stimmen der besten Sessionsänger mit seiner gemixt werden, damit er wie einer der besten Sänger der Welt wirkt. Ich finde’s seltsam, wie er hochgehalten wird als sei er Prince. Prince! Das ist die Art Talent, die die Popmusik wieder brauchte. Ich will echte Popstars! Leute, die Stars sind, aber gleichzeitig talentiert. Gebt mir den neuen Prince! Das hier ist Scheiße! Klingt toll, aber zieht mich runter. Haha! Ich hab heute nicht genug Zigaretten geraucht.

Probot feat. Cronos Centuries Of Sin DAN: Yes. Das ist super. Eine amerikanische Band?

Nicht so sehr eine Band als ein Projekt …

DAN: Ist das dieses Dave-Grohl-Ding? Toll! Bei solchen Old-School-Metalsachen hört man die Leute noch spielen. Ais dann Bands wie Slipknot groß wurden, war das alles so seelenlos geworden, diese ganze digitale Technologie, diese Pro-Tools-Produktionen. Damit lässt sich alles perfekt machen. Ein Drummer spielt sein Ding runter, waaaasch!, voll auf die Zwölf, und dann wird das aufgeputzt und klingt nur noch absolut mechanisch. Dann kommt der Gitarrist und spielt seinen Part und der wird passgenau draufgelegt. Und es klingt alles perfekt. Und langweilig. Was ich an Foo Fighters und Queens Of The Stone Age liebe, ist: Sie spielen noch ihre Instrumente und schrauben nur minimal an den Aufnahmen rum. Und das hört man, weil da Bewegung drin ist. Als das hier gerade anfing, hörte man, wie die Gitarren ein bisschen brauchten, um die Drums einzuholen, und das find ich aufregend. Weil es menschlich klingt.

Queen Death On Two Legs

DAN: (nach drei Sekunden des Intros) Queen. Eine der besten Bands aller Zeiten, (singt das Gitarrenriff mit) Niiiiiauuuuu … Das war wirklich innovative Musik. Es gab damals noch viel mehr Freiheiten. Sogar in den 8oern. Die haben zwar einen recht schlechten Ruf, was Musik angeht. Aber damals gab es viele Leute, die was Neues probiert haben, andere Ansätze hatten. Es gab viel kreative Freiheit. Ah, großartig.

Seht ihr euch ein wenig als Fackelträger von Queen ?

DAN: Es wäre mir eine Ehre. Ich glaube, wir haben sie gerade wieder etwas entzündet. Ich kann ja gar nicht glauben, dass sie überhaupt ausgegangen ist. Es gab so viel beschissene Rockmusik in den letzten Jahren.

Queen ist auf jeden Fall eine Ecke, in der zuletzt nicht allzu viele Bands gestöbert haben.

DAN: Wenn du Sachen machst, die abgedrehter, abgespaceter sind als das Normale, ziehst du eben unter Umständen auch Spott auf dich. Und die Leute heute sind so karrierefixiert… Mal so gesagt: Die Krise der Musikindustrie; Plattenfirmen, die keine Risiken mehr eingehen und Bands droppen, wenn die mit dem ersten Album nicht gleich erfolgreich sind – das sind alles Sachen, denen man eine gewisse Schuld zuschieben kann. Aber einen Gutteil Schuld tragen auch die Bands und Musiker selbst. Die sollten heute einfach wieder ein wenig abenteuerlustiger sein.

The Rapture I Need Your Love

(minutenlange Stille) Hallo?

ed: (lacht) Ich hab das noch nie gehört. DAN: (nach einer Ewigkeit) Es ist langweilig.

Es heißt, diese Männer sind die momentan beste Liveband auf dem Angesicht des Planeten.

ED:Weristdas?

The Rapture.

dan: Ah ja, jetzt. Bisschen langweilig.

Iron Maiden The Number Of The Beast

vincentprice: … forthedevilsends thebeastwith WTath because he knows the time is short… dan: Yes! ed: Ist das Iron Maiden? Ich dacht’s mir schon… PRICE:… and the number is six hundred and sixty-six! dan: 666! Haha! Ddn-dnd-deee… (singtdasRiffmit) ed: Das ist so ein original Classic-Rock-Disco-Ding.

Seid ihr damit aufgewachsen oder wäre das eine naheliegende Fehleinschätzung?

DAN: Nein, Maiden haben mir nie viel bedeutet. ed: Mein älterer Bruder hörte sie viel, ich fand das ein oder andere Lied gut. Der Song da erinnert mich an Coverbands in Pubs. Es gibt eine Band in Camden, Metal Works, die spielen jeden Sonntag Metal-Covers. Das da spielen die zweimal pro Nachmittag.

Ihr habt in Deutschland Support von Meat Loaf gespielt. Man könnte sich vorstellen, dass euch auch mal jemand mit Maiden zusammenspannen wird wollen.

DAN: Ja, doch. Ich glaube, Iron-Maiden-Fans würden schon zu schätzen wissen, was wir machen.

Wie war das denn bei Meat Loaf?

dan: Okay. Halt ein sehr altes Publikum von der alten Schule, die es als respektlos dem Hauptact gegenüber versteht, die Vorband gut zu finden.

Radiohead We Suck Young Blood

ed: Das ist Radiohead. DAN: Sie sind ehrfurchteinflößend. Keine Wahnsinns-Musiker, aber sie machen unglaubliche Sachen. So musikalisch, so melodisch. Und schieben immer weiter nach vorn, kid A, über das so viel diskutiert wurde, war damals ein Statement, das untermauerte, wie großartig sie sind. Es braucht Eier, so ein Album zu veröffentlichen. Wir haben vorhin von Bands gesprochen, die neue Richtungen gehen. Radiohead sind eine der wenigen, die den Mut haben, das zu tun.

Wir wird denn euer nächstes Album klingen ?

ED: Wir werden es kid b nennen.

Und dann runter mit dem Thin Lizzy Shirt.

DAN: Ja. Ich werde zum nächsten Album ein Status Quo T-Shirt tragen.

AC/DC Let There Be Rock

DAN: Das ist doch was. (macht laut) Als wir jetzt in Autralien waren, haben wir Bon Scotts Grab besucht.

Und, ist das so Pere-La-Chaise-mäHig aufgemacht?

DAN: Nein, das ist nur so eine kleine Grabplatte, sehr schlicht. Das einzige woran man erkennt, dass es Bon Scotts Grab ist – na gut, es steht natürlich Bon Scott drauf-ist ein klitzekleiner AC/DC-Schriftzug in Tippex auf dem Betonrand. Sehr nett und schlicht.