Domino


Sie ist klein und zierlich: ihre blaugrauen Augen blicken unruhig hin und her — ständig auf der Suche. Man sagt ihr eine kühle Erotik und spröde Rhythmik nach. ANNA DOMINO, die Amerikanerin mit Wohnung in New York und Arbeitsplatz in Brüssel, hat aber noch einiges mehr zu bieten. Die junge Dame ist ein Arbeitstier und immer auf Achse. In New York schneidert sie sich ihre Garderobe selbst und entwirft Dekorationen für Videos; in Brüssel macht sie Platten.

Miß Domino hat gerade einen ausgedehnten Germany-Besuch hinter sich. Warum Europa, warum gerade Belgien? Wieder ein Prophet/in, der/die im eigenen Land nichts gilt?

„Weiß ich nicht, kann ich nicht sagen. Meine Record-Company sitzt in Brüssel, das ist alles. Außerdem ist das Leben in den Staaten verdammt teuer. Von den Kosten, ein Studio anzumieten, ganz zu schweigen.“

Wie dem auch sei: Es blieb dem Indie-Label Crépuscule in Brüssel überlassen, sich die talentierte Sängerin an Land zu ziehen. 1983 erschien die Mini-LP EAST AND WEST, die Anna lobende Anerkennung in Kritikerkreisen einbrachte; im vergangenen Jahr dann folgte die Maxi „Rhythm“.

Seit kurzem nun liegt ein neues Album vor, das schlicht und einfach ANNA DOMINO betitelt ist: das Cover dazu stammt natürlich ebenfalls aus Annas Hand. Beim ersten Hören hat sich nicht viel verändert. Mit einer rauchig-sanften Stimme besingt Domino ihre alltäglichen Lebens- und Liebesgeschichten, angetrieben von dem Beat eines Drum-Computers.

Die Multi-lnstrumentalistin, die sehr darauf bedacht ist. das Heft nicht aus der Hand zu geben, konnte wieder auf prominente Unterstützung von Kollegen wie dem Tuxedoo Moon-Saxophonisten Stephen Brown und Alan Rankine bauen. Rankine, einst der Mann hinter Bill McKenzie bei The Associatos, hat auch produziert. „Alan hat eine sehr klare Vorstellung davon, wie etwas zu klingen hat. Wo mir ein Piano genügen würde, haut er noch Bläser und Streicher drüber. So ein Typ ist das, a little bit like Trevor Horn.“

Und wie schaut’s mit Vorbildern aus?

„Tamla Motown, Brian Eno, Charlie Parker, klassische Musik, Swing, Jazz. All diese Sachen, wofür sich junge Mädchen auf der High School begeistern.“

Annas Tour durch unsere Breitengrade verlief rundum zufriedenstellend; der Verkauf der neuen Platte läuft gut. Erfolg also auf der ganzen Linie. Trifft man sie bald in den Hitparaden wieder?

„Ich habe nichts gegen Erfolg. Aber wenn du einmal einen Hit hast, mußt du immer wieder einen haben. Dann geht es nur noch ums Geld — und das ist so langweilig. My God.“ Möge Gott ihr beistehen, wenn es soweit ist.