Dresden Dolls


The Golden Age Of Grotesque: Die Fiery Furnaces des Kabaretts? Oder doch nur ein Gim- mick? ME ermittelt in Paris.

Obwohl Amanda Palmer zahlreiche Parallelen zwischen der Weimarer Republik und dem Amerika von heute entdeckt („Die faschistischen Tendenzen der Regierung, der schleichende Abbau der Bürgerrechte und wachsender Unmut in der Bevölkerung“), ist es doch primär ihre Begeisterung für die Musik von Kurt Weill und das deutsche Kabarett des frühen 20. Jahrhunderts, die sie inspirierte, The Dresden Dolls ins Leben zu rufen. „Kleine, politische Songs, die in einem Theater aufgeführt werden dieses Konzept entspricht voll und ganz meiner Art, zu komponieren „, sagt Palmer, die nach der Universität in Boston ein halbes Jahr in Regensburg studierte und an einem Kölner Avantgarde-Theater als Regieassistentin lernte. Wieder zuhause organisierte sie in Boston über Jahre Partys, um Gelegenheiten zu schaffen, Gäste mit kleinen Solo-Darbietungen am Piano zu unterhalten. Bei einer dieser Veranstaltungen traf sie schließlich auf ihren musikalischen Seelenverwandten. „Ich hatte gerade einen enttäuschenden Kurs an der Berklee School Of Music abgebrochen und lebte ein typisches Künstlerleben: suchend, frustriert und darbend“.

berichtet Brian Viglione in einem Pariser Hotel und seine Augen leuchten mit Vorfreude auf das, was er gleich erzählen wird. „Dann stand ich eines Tages am Ende einer langen Nacht vor Amanda. Sie hat gespielt und ich wusste auf einen Schlag, dass ich mit ihr arbeiten musste. Ich hab sie gefragt, ob sie Interesse hätte – sehr kontrolliert, denn ich war voller Leidenschaft, aber wollte sie nicht durch Aufdringlichkeit verschrecken und sie hat ]a gesagt.“

Die erste Probe bereits, bei der Brian Amanda am Schlagzeug begleitete, endete euphorisch: „Wir haben ein bisschen gejamt und Amanda hat mich mit einem seltsamen Lächeln gefragt, ob das okay ist. Ein bisschen später… „, sagt Brian, und Amanda beendet den Satz für ihn: „… sind wir auf und ab gesprungen und haben geschrien: ,Wir müssen eine Band sein!‘.“ Dass die beiden diesen Enthusiasmus vor allem live aufbeeindruckende Weise vermitteln können, durfte der M E bei ihrem ersten Europa-Auftritt in Paris erleben: Brian ist ein höchst sensibler Schlagzeuger, der ständig zwischen Sitzen und Stehen wechselt und hingebungsvoll an Amandas Lippen hängt, um deren dynamische Performance uneingennützigzu unterstützen. Wer sich von der Vielseitigkeit ihres Repertoirs überzeugen konnte (Kurt Weill-beeinflusste Songs wie „Missed Me“ sind nicht nur auf Weimar beschränkt, sondern erinnern in ihrer Verschrobenheit auch mal an „The Trial“ von Pink Floyds THE wall, während heftigere Titel auf die Fiery Furnaces verweisen) und die cleveren Coverversionen (Blurs „Boys 8t Girls“, Jacques Breis „Port Of Amsterdam“ und Black Sabbaths „War Pigs“) gehört hat, weiß, dass The Dresden Dolls kein One Trick Pony sind.