Ein Wodka auf die Utopie


Elektro knallt auf Punk, Rap trifft Breakbeat und Pop, und so ganz nebenher gibt’s auch noch eine Botschaft: Das Audiolith-Aushängeschild Frittenbude macht auf seinem drittem Album alles richtig.

Fragt man Johannes Rögner, worüber er auf Delfinarium singt, muss er eine Weile nachdenken: „Das Leben an sich, mit seinen Ecken und Kanten. Der Versuch, mit der Welt klarzukommen, das Vor-sich-hin-scheitern“, entgegnet er schließlich. Kennt man von Frittenbude. Schon auf dem 2008 erschienenen Nachtigall ging es oft genug um die Widersprüche zwischen Utopie und tatsächlich Erreichtem. „Mindestens in 1 000 Jahren“ hieß der Song, der die aus dem niederbayrischen Geisenhausen nach Berlin ausgewanderte Band – nun, nicht ganz nach oben, aber doch in die öffentliche Wahrnehmung spülte. Kurz nach dem Erfolg vergleichbarer Bands wie Deichkind oder der Mediengruppe Telekommander traf der Track mit seinen Worten über „Straßen aus Zucker“ und „Kanonen aus Plastik auf Panzer aus Watte“ den Nerv der Zeit. Vier Jahre später und sechs Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Band als einer der erfolgreichsten Acts des Hamburger Audiolith-Labels etabliert. Mittlerweile können Frittenbude von ihrer Kunst leben. Vor allem von ihren Konzerten: In den letzten Jahren waren sie fast ununterbrochen auf Tour.

Wer die Elektro-Punker einmal bei einem Festivalauftritt miterlebt hat, wird feststellen: Da geht so einiges. Manchmal zu viel: So musste 2010 ein Auftritt auf dem Hurricane-Festivals abgebrochen werden, weil die jugendliche Masse schlichtweg ausrastete. Ein Jahr später wurde der Auftritt nachgeholt. Und fragt man die Macher des Festivals nach ihren ganz persönlichen Highlights, sie nennen den Auftritt von Frittenbude als Erstes.

Für die Band ist das Leben mit und von der Musik indes noch ungewohnt. „Auf einmal ist die Illusion Wirklichkeit geworden“, sagt Gitarrist Martin Steer. Rögner relativiert die Aussage seines Bandkollegen: Manche Konzerte, etwa das in der Münchener Muffathalle, seien mit 1 500 Zuschauern zwar ausverkauft gewesen. Aber das sei bei vielen Terminen nicht die Norm: Im Saarland kamen dafür nur „gefühlte zehn Fans“. Doch auch die hielt man bei Laune: „Ich bin dann von der Bühne gestiegen, hab an der Bar ne Flasche Wodka geholt und in der ersten Reihe ausgeschenkt, damit es ein bisschen abgeht.“

Was nach angesoffenem Hedonisten-Elektro-Punk klingt, hat durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Wie viele andere Audiolith-Bands (wir erinnern uns an Egotronics „Raven gegen Deutschland“) sind auch Frittenbude links. Vielleicht nicht als Band, wohl aber als Individuen. Dennoch hört man das auch auf Delfinarium. Etwa in „Deutschland 500“, oder in „Heimatlos“. „Heimatlos und Spaß dabei. ACAB und einszweidrei“, heißt es da. Und nein, das ist dann schon ein bisschen mehr als Bierzeltpunk, nämlich ein eingängig in Szene gesetztes Plädoyer für eine gemeinsame Welt mit den gemeinsamen Werten Musik und Tanz.

Jan Vollmer / Calvin Bresson