Elton John


„Das ist seit zehn Jahren der schönste Tag in meinem Leben.“ Dem Präsidenten des FC Watfords stehen fast die Tränen in den Augen. Zum ersten Mai spielt der Verein aus dem Londoner Vorort in einem europäischen Fußball-Wettbewerb – und nimmt die erste Hürde souverän: Trotz eines 1:3 in Kaiserslautern kommt Eltons Elf mit einem 3:0 im Rückspiel eine Runde weiter. Für ME/Sounds saß Gregor König bei beiden Spielen neben dem Präsidenten auf der Tribüne.

Elton John in Deutschland begrüßen zu dürfen, hat schon Seltenheitswert; gäbe es da nicht jene kongeniale Beziehung von Sport und Show: Der Meister wäre ein weiteres Jahr unerreichbar geblieben.

Und so gastierte Elton John diesmal nicht in Konzertsälen, sondern zunächst auf dem „Betzenberg“ zu Kaiserslautern, dem gefürchteten Schlachtfeld der „Roten Teufel“.

Seit sieben Jahren ist Elton Förderer und Vorsitzender dieses Clubs. Mit seiner leidenschaftlichen Unterstützung sorgte er binnen weniger Jahre für sportliche Schlagzeilen nicht nur in England.

Der Erfolg des Popstars blieb dem Fußballmäzen treu. Nach sechs Jahren „Aufbauarbeit“ führte Elton John „seinen“ Verein von der 4. Division an die Spitze der englischen Ober-Liga. Nicht mit finanziellen Spritzen allein (man redet von knapp fünf Millionen Mark), sondern mit viel Sachverstand, den ihm heute keiner mehr abzusprechen wagt.

Auf der Bühne die farbenprächtige Pop-Diva – auf der Tribüne der seriöse Vorsitzende: für Elton John kein Widerspruch. „Der Sport ist für mich eine todernste Angelegenheit, keine Showbühne, auf der ich mich als Popstar zu profilieren habe. Ich verdanke diesem kleinen Club genauso viel wie er mir. Nach Jahren im Rock’n-‚Roll-Zirkus war ich ausgebrannt, depressiv und ohne Lebensfreude. Ich hatte mich selbst aufgegeben.

Das Engagement für Watford hat mir wieder einen Sinn gegeben, hat wieder Lebensfreude freigesetzt und mir eine Zukunft beschert. Durch die Arbeit für diesen Club, an den keiner mehr geglaubt hat, habe ich zu mir zurückgefunden. Letztlich auch zu meiner Identität als Musiker. Allein deswegen bin ich es den Jungs auf dem Platz schuldig, hier den Verein seriös zu vertreten. Meine Arbeit für Watford ist gegenüber allen Beteiligten eine Verantwortung, die ich gelernt habe, auf mich zu nehmen.“ So versagte er sich denn auch auf der Fahrt nach Kaiserslautern zum Leidwesen der Journalisten jegliche Extratouren. Kam mit dem Team im selben Flieger, speiste im selben Raum, fuhr eine Stunde vorm Spiel im selben Bus zum Stadion und saß beim Anpfiff wie jedermann auf der Tribüne.

Gab er im Hotel noch dem Drängen der Autogrammjäger nach, so fühlte er sich zur Halbzeit, trotz eines gerechten Unentschiedens, in seiner Konzentration so gestört, daß er die Flucht ins Geschäftszimmer des Gastgebers antrat, um seine Nervosität mit einem Cognac zu unterdrücken.

Überhaupt die Aufregung: “ Vor so einem Spiel bin ich in der Tat viel nervöser als vor meinen Konzerten. Nicht weil mich dort die Routine lockert, sondern weil ich für den Ausgang des Unternehmens selbst verantwortlich bin. Hier aber kann ich nur hoffen und bangen, daß alles nach Wunsch läuft.“ Sein Wunschergebnis („Ein Unentschieden“) geht in der zweiten Hälfte im Sturmwirbel der „Roten Teufel“ unter. Die angeknabberten Fingernägel werden noch kürzer, die Erregung über den Mann in schwarz wächst, die Füße trommeln taktlos auf dem Betonboden der Tribüne.

Bei allem Unmut, der ihn zum Schluß treibt, bleibt „El Presidente“ ein englischer Gentleman, spendet stehend Beifall für Sieger und Besiegte, um kurz darauf in den Katakomben des Stadions unterzutauchen. Nicht die Presse, nein, die Mannschaft braucht ihn jetzt. Letzter Kommentar: „In Watford werden wir uns revanchieren.“ In der Tat. Mit einem überraschend glatten 3:0 macht der FC Watfort eine Woche später alles klar. Obwohl er sich eine geradezu kindliche Freude über den Sieg nicht verkneifen kann, erweist sich „El Presidente“ auch hier als wahrer Gentleman: Er lädt die Unterlegenen auf sein Schloß nach Windsor, bittet zum Lunch und versucht, die geknickten Kicker aus Kaiserslautern wieder aufzurichten: „Ich glaube, daß unser Sport mehr ist als Sieg und Niederlage. Er bringt Menschen einander näher. “ Wie sehr sein Terminplan inzwischen auf das runde Leder abgestimmt ist, zeigt sein letzter Ausspruch: „Da der Fußball ja im Sommer eine Pause macht, kann ich mich ruhig wieder ein wenig auf die Bühne stellen. Rod Stewart und ich werden dann unsere gemeinsame Welt-Tournee starten.“