Embryo


Glückwunsch an den Drummer und Vibraphonisten Christian Burchard dafür, daß er eine so entschieden unmoderne Band wie Embryo über 20 Jahre lang und durch ungefähr 300 Besetzungswechsel am Leben erhalten hat. Auf eine bescheidene Art schlug Embryo immer Brücken und brachte dem Rockpublikum Jazz, Improvisation und auch Weltmusik nahe, lange bevor es für dieses amorphe U n-Genre einen Name gab. Schon allein damit erfüllte Embryo stets, wenn auch zufällig, eine gute und nützliche Funktion. Wenn man Christian Burchard begegnet, weiß man sofort, daß er auf der „richtigen“ Seite steht, immer noch Enthusiast ist.

Eine umso lästigere Pflicht ist es deshalb, vom ziemlich enttäuschenden Konzert anläßlich des 20. Geburtstags von Embryo mit über 40 derzeitigen und ehemaligen Mitgliedern berichten zu müssen. Denn da war kaum ein Hauch von handfester Feierstimmung zu spüren. Los ging es mit einem Trio, bestehend aus Burchard, dem Komponisten Peter Michael Hamel (am präparierten Klavier) und dem argentinischen Gitarristen Roberto C. Detrée, das unendlich lange minimalistisch vor sich hinplätscherte, noch dazu kaum hörbar (die Musik war eigentlich den ganzen Abend über zu leise). Anscheinend sollten Hamels ständig wiederholte Figuren die hypnotische Kraft balinesischen Gamelans verbreiten – statt dessen erzeugten sie eine Begräbnisstimmung, von der sich der Abend nicht mehr richtig erholte. Nach endlosen Darbietungen wurde das Trio schließlich von Mal Waldron abgelöst, der ein sehr langes, introvertiertes Piano-Solo ablieferte, das in diesem Kontext zur Verzweiflung trieb. Waldron ist natürlich ein Jazzmusiker mit bestechendem Ruf, und seine Teilnahme war eine Ehre für Embryo, aber an diesem Abend tat er ihnen keinen großen Gefallen. Das Konzert dauerte schon Stunden und war über die Flüsterphase noch nicht hinausgekommen. Die Presse versammelte sich trübsinnig an der Bar.

Danach bildete sich eine Art Band, angeführt von den Saxophonisten Allan Praskin und Monty Waters, die allerdings, was die Akustik betraf, auch hinter der Bühne hätten bleiben können – so sehr verbannte sie der Soundmensch in den Hintergrund. In einem Stück gelang es Waters, ein bißchen Pharoah-Sanders-Flair zu erzeugen, und auch einige kurze Dialoge zwischen Burchard und Waldron ließen erkennen, wie die Musik hätte klingen können, wäre die Band druckvoller zu Werke gegangen. Stattdessen legten es die im nächsten Abschnitt zahlreich über die Bühne wimmelnden Embryos mit zuviel wirkungslosem Geklapper auf Darboukas und Talking Drums anscheinend darauf an, zu voll iger musikalischer Bewegungslosigkeit zu gelangen – das paradoxe Resultat aus zu großer Ehrfurcht vor ethnischen Traditionen. Für den ersehnten Energiestoß sorgte vorübergehend der indische Trommler Paramashivam Pilai, der aus seinem Instrument tatsächlich was herausholte.

Früher waren die Embryos nicht so zögerlich. Damals spielten sie kraftvolle, immer etwas schräge Rockmusik, ein Territorium, das sie inzwischen verlassen haben, ohne daß dieses Konzert eine neue Richtung oder Zielsetzung erkennen ließ. Vielleicht wird es nach 20 Jahren Zeit für ein Manifest. Ihr Respekt für die Traditionen und Idiome anderer Kulturen ist bewundernswert, aber diese eklektische Musik läuft immer Gefahr, zu dünn zu werden. Das nächste Mal ein bißchen weniger Zehenspitzen-Pietät, und ein bißchen mehr Wucht.