File-Sharing erwünscht


Im Netz wird ein riesiges Online-Archiv für Live-Konzerte aufgebaut. Schon jetzt lassen sich Zehntausende von Shows herunterladen - der Download ist kostenlos und legal.

Es gibt zwei Gründe, warum das „Internet Archive“ eine grandiose Erfindung ist. Der erste ist banal: www.archive.org ist als digitale Bibliothek, die knapp 40.000 Live-Konzerte enthält und diese auch legal frei verfügbar macht, für Menschen mit Interesse an Musik von unschätzbarem Wert.

Der zweite Grund ist nicht weniger gewichtig: Dieses Archiv, das neben Konzertaufnahmen auch Texte und Websites für die Ewigkeit speichert, demokratisiert den Prozess der Geschichtsschreibung. Die Benutzer der Seite – und nicht Institutionen wie Museen – entscheiden, was für würdig befunden wird, konserviert zu werden. Es gehört zum Konzept dieses gigantischen Archivs, dass jeder User selbst Aufzeichnungen von kreativen Darbietungen einreichen kann.

„Diemeisten Geselkchaflen legenWert aufdie Bewahrung ihrer Kultur und ihres Erbes“, sagen die Betreiber der Seite. „Ohne die Bewahrung haben Zivilisationen kein Gedächtnis und keine Möglichkeit, von ihren Erfolgen und Misserfolgen zu lernen.“ Da auf der Welt tatsächlich Jahr für Jahr mehr wertvolle Inhalte in digitaler Form produziert werden, hat sich das Team zur Aufgabe gemacht, eine frei zugängliche Internet-Bibliothek für die Historiker der Zukunft anzulegen.

Die Größe der Datenmenge liegt derzeit bei unvorstellbaren zwei Petabytes – Scan-Roboter suchen ständig und wahllos Websites, um diese für das Internet-Archiv abzuspeichern. Und die programmierten Bibliothekare sind gründlich: Die erste archivierte Fassung von www.musikexpross.de beispielsweise stammt bereits aus dem Jahr 1999 und enthält lediglich unseren damaligen Hinweis, dass sich „diese Seite noch im Aufbau“ befand. Das Live-Music-Archive macht nur einen kleinen Teil der Gesamtdatei aus, doch ist es höchst attraktiv: Von über 2000 Künstlern sind hier Konzertaufnahmen abgelegt, die meist in verschiedenen Formaten heruntergeladen werden können. Obwohl hier nur Shows von „Tape-friendly Artists“ gespeichert werden, die grünes Licht für die Verbreitung ihrer Konzerte gegeben haben (Stadionacts wie U2 und die Rolling Stones sucht man vergeblich), finden sich in der Liste zahlreiche erstklassige Künstler. Die Aufnahmen haben teilweise brillante Qualität: Klickt man eine Band oder einen Musiker an, lässt sich rechts unten über „Show Source Field“ die Audioquelle anzeigen – auf diese Weise lassen sich Bootlegs, die aus dem Publikum aufgenommen wurden, von meist hochwertigen Soundboard-Recordings (SBD) unterscheiden.

Bei einer solchen Fülle von Konzerten ist es schwer, Empfehlungen auszusprechen. Einige Highlights aber wollen wir doch herausgreifen: Ryan Adams‘ Konzert vom 17. Februar 2001 ist ein Juwel – hört man seine Version von Oasis‘ „Wonderwall“, lässt sich nachvollziehen, warum Noel Gallagher über dieses Cover wieder zum Glauben an den Song zurückgefunden hat. Ebenfalls höchst interessant ist die Aufnahme des legendären Dortmund-Auftritts von.. ‚And You Will Know Us By The Trail Of Dead: Am 27. Juli 2003 spielte die Band aus Texas ein Set, bei dem fast das gesamte Equipment zerstört und teilweise ins Publikum geworfen wurde. Am Ende der Setlist der Aufnahme steht „Destruction“, und danach wütete die Band noch so exzessiv backstage und im Hotel, dass sie die Nacht bei der Polizei verbringen musste.