Forever Young


Nick Cave singt Neil Young. Dinosaur Jr. interpretiert die Byrds. Marc Almonrd schlüpft in Johnny Cashs Rolle. Cash wiederum singt Bruce Springsteen, und der Boß ehrt Woody Guthrie. Immer häufiger zitieren Musiker ihre berühmten Kollegen.

Einer der wichtigsten Songs in meinem Leben ist, Winterlong‘.“ Sänger und Gitarrist Black Francis von den Pixies kennt das gute Stück von Neil Young in- und auswendig. „Ein Jahr lang legte ich zum Aufstehen immer wieder nur diesen einen Titel auf den Plattenteller.“

Kein Wunder, daß sich die Pixies begeistert bereit erklärten, „Winterlong“ für ein Albumprojekt aufzunehmen, das sich THE BRIDGE nennt und 11 (auf CD sogar 14) Klassiker von Neil Young präsentiert, alle gespielt von Musikern, die in der Mehrzahl Youngs Sprößlinge sein könnten.

Henry Kaiser und David Lindley steuerten ein Medley aus „The Needle And The Damage Done“ und „Tonight’s The Night“ bei. Die Flaming Lips spielen „After The Goldrush“, und Dinosaur Jr. präsentiert „Lotta Love“ in einer zeitgemäßen Version. Sonic Youth knöpfte sich „Computer Age“ vor, und Nick Cave stöhnt gruftig wie immer, er sei völlig „Helpless“.

Hilflos wären ohne Zweifel die geistig behinderten Kinder, denen ein Teil des Verkaufserlöses des Albums zugute kommen soll, gäbe es nicht in San Franciso die „Bridge School“. Neil Youngs Frau Peggi gründete diese Sonderschule, und sie leitet sie auch; zwei der drei Young-Kinder, Ben und Zehe, sind behindert.

So zollen die am BRIDGE-Projekt beteiligten Musiker einem anerkannten Rock-Veteranen wie Neil Young Tribut und unterstützen dabei gleichzeitig noch einen guten Zweck. „Ich sprach mit Peggi Young darüber, und sie war von meiner Idee sehr angetan“, erklärt Terry Tolkin, 30, der seit AFTER THE GOLD RUSH (1972) zu den treuen Bewunderern von Neil Youngs Künsten zählt und die Zusammenstellung der Beiträge zum musikalischen Care-Paket plante und organisierte. „Ich denke, auch Neil findet das Projekt gar nicht so schlecht. „

Tolkin war freilich nicht der erste, der ein Tribute-Thema aufbereitete und mit einem karitativen Zweck verknüpfte. Schon 1988 veröffentlichte das englische Musikblatt „New Musical Express“ unter dem Titel „Sgt. Pepper Knew My Father“ eine brillante Hommage an die Beatles: Musiker wie The Christians und Huey & Cry, Wet Wet Wet und Michelle Shocked, The Triffids und Sonic Youth nahmen eine mehr oder weniger originalgetreue Neu-Version des Klassikers SGT. PEPPER’S LO-NELY HEARTS CLUB BAND auf – der Verkaufserlös kam „Childline“ zugute, einer englischen Telefon-Hilfsorganisation für mißhandelte Kinder.

In jüngster Zeit häufen sich solche Plattenprojekte, in denen Musiker berühmten Veteranen Tribut zollen. Als unumstrittener Marktführer auf dem Gebiet der Cover-Alben gilt der Engländer Alan Duffy, der in Manchester sein Imaginary-Label betreibt. Duffy geht mit Bedacht, Sachkenntnis und Überblick ans Werk und veröffentlichte bereits Zitaten-Schätze mit Meisterwerken von Syd Barrett und Captain Beefheart, von den Kinks und den Byrds. Seine nächsten Tribute-Platten – für die Rolling Stones, die Bonzo Dog Doo Dah Band und für Nick Drake – bereitet Duffy schon vor. „Mit diesen Alben erweise ich allen Musikern, die mich mein Leben lang begleitet haben, meine Reverenz.“ Als Hommage an seine Favoriten will auch der New Yorker Produzent Hai Willner die vielgelobten Projekte verstanden wissen, die er unter Mitwirkung hochkarätiger Musiker in den vergangenen Jahren auf die Beine stellte. So kam der Jazz-Pianist Thelonious Monk ebenso zu Ehren wie der deutsche Komponist Kurt Weill. Und 1988 lud Willner Prominenz von Suzanne Vega bis Ringo Starr ins Studio, um sie Filmmusik-Themen aus Walt Disneys unvergänglichen Kino-Märchen von „Pinocchio“ bis „Dumbo“ zeitgemäß und flott neu interpretieren zu lassen.

Willners Ergebnisse wirken wie fast alle Tribute-Platten reizvoll und spannend. Terry Tolkin könnte sich allerdings noch ein reizvolleres Projekt vorstellen: “ Warum sollte es nicht auch anders herum funktionieren? Ich würde jedenfalls gerne ein Album hören, auf dem Neil Young oder Bob Dylan den Undertones oder den Buzzcocks Tribut zollen.“