MELT!-FESTIVAL


BABYSHAMBLES

Der Moment, in dem klar wird, dass das erste Deutschlandkonzert der Babyshambles seit fünf Jahren tatsächlich stattfindet, ist ein Moment der Verbrüderung, den man oft auch auf dem Fußballfeld zu sehen bekommt: In diesem Moment also bilden die vier Shambles am linken Bühnenrand einen Kreis; gehen vielleicht ihre Taktik für den Abend noch mal durch – und marschieren ein.

„Wie geht’s?“, fragt uns ein deutlich weinseliger Pete Doherty mit Kapitänsmütze auf dem Kopf und Zigarre in der Hand. „Angenehm hier, oder? You see: I have a große Klappe.“ Spricht’s, und kredenzt als Opener einen Opener, nämlich mit dem schön kracherten „Fireman“ den des neuen Albums.

Was folgt, ist eine enorme Menge Wein für Doherty und ein mit Verve und ohne großes Tamtam vorgetragenes Best-of-Programm mit viel neuem Material fürs Publikum. Dieses zeigt sich bei Klassikern wie „Killamangiro“ oder „Delivery“, wo der schmale Grat zwischen Prägnanz und schrabbeliger Lässigkeit aufs Schönste beschritten wird, sehr erfreut; zu „Albion“ („We can go to: Leipzig, Krefeld, Düsseldorf „) in Singlaune; bei neuen Stücken, wie der eigentlich sehr mitreißenden Emo-Hymne „Farmer’s Daughter“, zurückhaltend -und zu den obligatorischen Krachern „Pipedown“ und „Fuck Forever“ durch die Bank grölend-hüpfend-ausrastend. Festivalpublikum halt.

Und Doherty? Reagiert auf das „Fuck you“, das ein wohl nicht minder betrunkener Besucher spontan aus seiner Forderung nach „Fuck Forever“ formt, mit einem milde genuschelten „Wosislos?“, schmeißt zu „Pipedown“ erst seinen Mikrofonständer, dann sich selbst zu Boden, und lässt sich schließlich von Mick Whitnall Huckepack tragen, während der Gitarre spielt. Sehr unterhaltsam, sehr Rock’n’Roll, sehr inspiriert kommt das alles daher – und wirkt zwischen all den jungen Tüftlerbands auf dem Festival doch wie ein Rockrelikt vergangener Tage.

Martin Pfnür

JAMES BLAKE

Als sich am ersten Abend die Dämmerung über das Ferropolis-Gelände legt und auf den Riesenbaggern die Lichter angeknipst werden, versammelt sich für James Blake eine beeindruckende Masse an Menschen vor der Hauptbühne.

Der zeigt in der nächsten Stunde, dass er sich herzlich wenig für die Dominanz des Beats bei diesem Festival interessiert. Blakes Songs klingen auch live so filigran wie auf seinem aktuellen Album OVERGROWN. Und so gelingt es ihm nur teilweise, die feierwütige MELT!-Crowd in seinen Bann zu ziehen.

Wo die einen Blakes Auftritt offenbar als Atempause sehen, während der man sich organisieren, mit Bezugsgruppen und Mobiltelefonen beschäftigen kann und nur nebenbei zuhören, verfallen andere angesichts der minimalistischen Klangcollagen in einen entrückten Trancezustand. Es ergibt sich ein völlig anderer Eindruck, je nachdem, ob man sich drei Meter nach rechts oder links bewegt. Die Fraktion der Beglückten scheint selbst überrascht von ihrer Überwältigung, erstaunt darüber, wie tief sich Blakes weit von etablierten Popformaten entfernte Songs bei ihnen eingraben. Seine zerbrechliche Stimme wird behutsam verstärkt, dezent agieren auch der begleitende Schlagzeuger und der Gitarrist. Laut wird’s selten -und doch schaffen die Musiker es, die Spannung zu halten. In diesen Klängen kann man sich verlieren.

Stephanie Grimm