Frank Black


Armer Black Francis: Noch nicht lange ist es her, da galt der powervolle Punk mit seinen Pixies als Rettung des Rock’n’Roll. Aber dann wurden statt ihm Nirvana Millionäre, er löste seine Band auf, nannte sich fortan Frank Black und machte einen auf solo. Nun ist er beim dritten Album angelangt, und das ist bei der britischen Presse mehr als durchgerasselt: „Schmeckt wie die vierte Tasse Tee, die vom gleichen Beutel gebraut wurde…“, hieß es im Melody Maker, und das war noch eine der freundlicheren Bemerkungen. Und ich soll nun eine Live-Kritik machen – extra zwei Stunden im Zug von London nach Bristol sitzen? Stinkesauer finde ich irgendwann dann doch zur schäbigen Studentenhalle. Der ganze Tag war ein reines Gewürge, jetzt auch noch die Nase abgefroren, am Hintern mehrere blaue Flecken (wie sollen Stadtschuhe dem Eis auf provinziellen Gehsteigen gewachsen sein?) und im Bauch ein Loch, welches das fragwürdige studentische Barangebot partout nicht zu füllen in der Lage ist. Endlich darf man in die Halle. Die füllt sich zu einem Viertel mit Frank Black-Doubles, um erstmal dem Support aus Schweden, den solide schrammelnden Wannadies zu lauschen. Neben mir steht ein plumper Glatzkopf, der frappierend dem/der dahingeschiedenen Divine gleicht. Irgendwann sind die Wannadies fertig, ich hol‘ mir das dritte Bier, die Halle füllt sich immerhin noch zur Hälfte – und dann wandert doch tatsächlich dieser Divine-Lookalike auf die Bühne und gibt sich als Frank Black zu erkennen. Und er legt gleich mit den perversen Haken und Ösen von ‚The Marsist‘ los, dem besten Track der vermeintlich so faden neuen LP. Neben Frank tut sich auf Anhieb vor allem der zweite Gitarrenmann Lyle Workman mit zickigen, fast schon jazzigen Noise-Attacken hervor. Aber auch die restliche Band Bass, Drums – halten mühelos mit bei der Perfektionsarbeit, die es braucht, den vertrackten Black’schen Ideen mit all ihren verqueren Melodie- und Rhythmussprüngen Form zu geben. In der Folge sind es gerade die neuen Songs mit ihrer subtiler Komplexität, die eine Intensität erzeugen, wie ich sie schon sehr lang nicht mehr bei einem Gitarrenkonzert erlebt habe. ‚Men In Black‘, ‚Jesus Was Right‘, ‚You Ain’t Me‘, sogar der Trash von ‚Kicked In The Taco‘ wirkt gerade deshalb so potent, weil mit Subtilität statt Lautstärke gearbeitet wird. Dazu ist verblüffend, wieviele Rollen die dereinst so einspurige Stimme Blacks unterdessen zu spielen weiß: Vom düsteren Iggy Pop-Verschnitt über punkiges Geschrei bis hin zur seelenvoll zornigen Weltschmerzklage beherrscht der Dicke heute einfach alles. Gegen Konzertschluß kommen dann noch ein paar punkige Trash-Nummern im alten Stil – aber da schwebe ich schon so weit oben in den Wolken, sodaß ich es sogar verzeihen kann, daß jemand zwischen die Schwingtüren gekotzt hat und ich auf dem nächsten Weg zur Bar munter mittendurch schlurfe… Wie wunderbar die Welt doch sein kann, nach einer Frischzellenkur mit dem Gift und der Galle eines Frank Black!