Frank Bornemann


Seit Jahr und Tag ist Frank Bomermann bevorzugter Prügelknabe der deutschen Rock-Kritik. Daß er mit seiner Gruppe Elay trotz aller Schelte eine Million Alben verkaufte, macht ihn in den Augen der Schreiber nur noch suspekter. Sind die harten Worte denn nun berechtigt oder ist Eloy das Opfer einer großangelegten Intrige? F. Bornemann hat sich seine Gedanken gemacht...

Wer über die Jahre hin verfolgt hat, wie Eloy von den Kritikern behandelt wurde, muß einfach zu dem Schluß kommen, daß da offensichtlich eine Absicht hinter steckt. Es gilt heute geradezu als chic, auf Eloy rumzuknüppeln. Es muß immer richtig link und übel klingen – das ist das Wichtigste! Was ich schlimm dabei finde, ist einerseits die persönliche Verunglimpfung – und andererseits die Tatsache, daß keinerlei konstruktive Kritik stattfindet. Dabei produzieren sich dann einige dieser Schreiberlinge mit einer Überheblichkeit, die ich buchstäblich zum Kotzen finde, und verteilen mit selbsterteilter Qualifikation und Kompetenz Benotungen für die Musiker. In ihrer bornierten Selbstüberschätzung unterlaufen ihnen dann vor lauter Übereifer diverse Peinlichkeiten. So hat z.B. einer von diesen schreibenden Amokläufern unseren Prolog zum „Sun Song“ aus ELOY LIVE als „bierernste Verse“ bezeichnet, in Unkenntnis darüber, daß diese Verse von keinem Geringeren als Arthur Rimbaud stammten.

Am allerschlimmsten aber finde ich, daß – wenn es um Eloy geht – alle Regeln des Fairplay außer Kraft treten. Auch mit der Wahrheit wird da großzügig umgegangen. So wurde ich z.B. als der große Absahner hingestellt, der seine Mitmusiker als Angestellte mit einem geringen Honorar abspeist. In Wirklichkeit ist Eloy eine der heute ganz wenigen Bands, bei der jeder Pfennig exakt aufgeteilt wird.

Ich glaube, es gibt unter den Musik-Journalisten eine kleine Clique von Leuten, die mich nicht ausstehen können. Die mir denn Erfolg nicht gegönnt haben. Oder die nie mit dem Erfolg von Eloy gerechnet haben und nun, wo er doch eingetreten ist, aggressiv reagieren. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Wenn ein Kritiker so allergisch reagiert, dann ist er reif für den Psychiater. Wenn man nicht mal unsere Musik als Teil der gegenwärtigen Musikszene akzeptieren kann (mögen ist etwas anderes), dann ist man nicht mehr rational. Ich werde von Leuten persönlich angegriffen, die mich persönlich überhaupt nicht kennen, die auch meinen persönlichen Background nicht kennen.

Mein Background ist nun mal in der Musik der frühen 70er Jahre. Ich habe damals erlebt, welche Dimensionen sich der Rockmusik auftaten, wieviele Formen und Richtungen plötzlich offenstanden, wieviel Kreativität da freigesetzt wurde, wie vielfältig der einfache Rock’n’Roll mit seinen vier Harmonien über Nacht wurde. Ich habe früher auch Chuck Berry gespielt, aber plötzlich gab es da neue Ausdrucksformen, auch neue Instrumente.

Und jetzt soll es einen Punkt geben, wo das alles nicht mehr gelten soll? Da kriegst du einen über die Lampe, weil du damals dieser Entwicklung gefolgt bist. Und die wurde seinerzeit von den gleichen Kritikern, die heute dagegenschießen, in höchsten Tönen gelobt. Yes z.B. – das war das Non-Plus-Ultra. Oder Pink Floyd. Ich hab ja nichts dagegen wenn sich ihr Geschmack verändert. Aber sie können doch nicht einfach verleugnen, was sie früher als Maxime aufgestellt haben.

OK, wer heute New-Wave-Hörgewohnheiten hat, der ist durch unsere Musik vermutlich befremdet. Aber ich gebe doch nicht meine Identität und meinen Idealismus auf, nur um einem aktuellen Trend nachzujagen und es diesen Kritikern recht zu machen! Lieber stecke ich all die Schläge unter die Gürtellinie ein, als daß ich nicht mehr in den Spiegel sehen kann und mich in meiner Musik nicht wiederfinde.

Und was die Neue Deutsche Welle angeht: So finde ich es zunächst sehr positiv, daß sich deutsche Texte – mit Rockmusik verbunden – endlich bei uns etabliert haben. Was die Musik angeht, so ist sie mir zumeist noch zu unausgegoren. Und die Texte oft zu frustrierend. Nach Frust steht mir nicht der Sinn, wenn ich auf Musik abfahren will. Unter der Fahne der NDW wird für mich zu viel Frust-Musik gemacht – zu nervös, zu hektisch und oft auch zu ausdruckslos für meinen Geschmack. Die Akkorde sind abgedroschen, die Instrumente meist nicht richtig gestimmt, der Gesang miserabel intoniert und und und … All das wäre vor Jahren genug gewesen, um ausschließlich Verrisse zu kassieren. Aber heute macht man es plötzlich zum Stilmittel!

Schlimm an der Neuen Deutschen Welle sind aber nicht mal so sehr die jungen Musiker, die einfach drauflos spielen. Da hängen sich zum Teil etablierte Leute, die nicht mehr den rechten Erfolg haben, plötzlich mit rein. Ich habe eine Menge dieser Musiker kennengelernt (ich nenne bewußt keine Namen), die beim Bier mal offen und ehrlich reden. Und wenn du das hörst, verlierst du den Glauben an die ganze Rockmusik. Das hat mit Subkultur nichts mehr zu tun!

Ich kann durchaus verstehen, daß ein erfolgloser Musiker vor Toresschluß noch schnell ein paar Mark verdienen will. Nur sollten die Medien aufhören, diese ganze Geschichte so überproportional hochzustilisieren. Und vor allem aufhören, jede andersgeartete Musik als Scheiße zu verunglimpfen.

Wenn eine Kampagne wie die gegen uns jahrelang läuft, dann wirkt sich das natürlich negativ aus. Wenn wir nicht unsere Mundpropaganda hätten und unsere treuen Fans, wären wir wahrscheinlich längst weg vom Fenster. Ich seh das ja an der Fan-Post: Da heißt es dann „Wir haben immer gehört, ihr wärt so eine beschissene Gruppe. Nun haben wir zufällig eure neue Platte gehört und sind völlig überrascht.“ So etwas liest du dann und denkst: „Jawoll, das hast du mal wieder diesen idiotischen Kritikern zu verdanken.“ Niemand erwartet, daß ein Kritiker seine Subjektivität einfach abschalten kann. Aber zumindest sollte er den Versuch machen, halbwegs sachlich und objektiv zu informieren.