Frank Turner


Trotz Stadionatmosphäre bemüht sich der Folk-Punk im Münchner Backstage-Werk um Nähe zum Publikum – und um Distanz zu Gott.

Das Glaubensbekenntnis des Frank Turner lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: 1. Es gibt keinen Gott; und 2. Aber Elvis, Jerry Lee Lewis und Freddie Mercury kommen etwas Göttlichem sehr nahe. Über Mercury sagt Turner zu Konzertbeginn: „Nicht jeder kann Freddie Mercury sein, aber jeder kann sein Glas erheben und singen.“ Später wird er die Gitarre gegen den Mikroständer tauschen und in bekannter Mercury-Pose die Queen-Schmonzette „Somebody To Love“ zum Besten geben, unterstützt von seiner Band, den Sleeping Souls, und einem Publikum, das der eingangs formulierten Aufforderung nur all zu gerne Folge leistet und also sein Glas erhebt und den Rest des Abends stimmgewaltig und textsicher mitsingt. Zum Beispiel eben, dass es keinen Gott gibt, was ein weiterer Grund zum Feiern ist, weil der Umstand, dass das Leben nach dem Tod jetzt aus Personalgründen ausfällt, bedeutet, dass man das Leben zu Lebzeiten umso ausgelassener genießen soll. Und wie man sich gerade so genießend auslässt, kommt man auch darauf zu sprechen, dass aus Punk letztlich nicht das wurde, was Turner sich von ihm erhofft hätte. Das dazugehörige Lied widmet der einstige Million-Dead-Sänger den „alten Punks“ im Saal. Die sind zwar überhaupt nicht zugegen, aber wen kümmert das, wenn ein jubelndes, mitsingendes Publikum der Halle gerade eine so mitreißende Stadionatmosphäre verpasst, dass Turner die Zuschauer zu Recht während der Bandvorstellung als seinen besten Chor lobt. Kein Wunder also, wenn sich der Singer/Songwriter gleich eins fühlt mit solchen Fans. Im Rock’n’Roll ginge es schließlich nicht darum, dicke Limousinen zu fahren und sich sonstwie vom Publikum abzuheben, predigt Turner. Rock’n’Roll sei vielmehr ein Miteinander, bei dem sich Fans und Musiker auf Augenhöhe begegnen. Darum gäbe es bei ihm auch keine Absperrungen, die ihn vom Publikum trennen, betont der Star, und gerne hätte man ihn da gefragt, was seiner Meinung nach der Zaun vor der Bühne darstellt. Dazu hätte man aber erst an dem Ordner vorbeikommen müssen. Dirk Wagner