Freddie Mercury: The Show Must Go On!


Freddie Mercury war es, der ihnen den Namen "Torpedo Twins" gab. Die Wiener Videomacher Dolezal & Rossacher erinnern sich an einen Freund.

Wir haben lange gezögert, ob wir diese Geschichte überhaupt schreiben sollten. Freddie war für uns mehr als ein Popstar, Partner bei Videos, Auftraggeber – wenn man acht Jahre so eng zusammenarbeitet wie wir mit Queen, lernt man sich unweigerlich kennen nd mögen.

Wir haben so viele Situationen mit Freddie erlebt, haben der Band so viel zu verdanken, hatten in den letzten Jahren ein so enges Verhältnis, daß wir uns die Frage stellten: Kommt unsere Profession der Emotion in die Quere? Ist der Tod eines Freundes überhaupt eine „Story“? Ist Schweigen angesagt? Sind wir zu betroffen, um über Freddie schreiben zu können – oder aber hat man nur dann wirklich etwas zu schreiben, wenn man betroffen ist?

All das ging uns durch den Kopf, und wir hatten uns fast entschlossen, diese Zeilen nicht zu schreiben, bis – ja bis wir versuchten, uns vorzustellen, was Fred selbst in dieser Situation gesagt hätte, nämlich (mit der ihm so eigenen Art): „Fuck it, don’t be ridiculous, darling!“

Geahnt haben wir es seit langem, glauben wollten wir es bis zuletzt nicht. Die Vorstellung, daß Freddie einfach nicht mehr sein könnte, wollte nicht in unseren Kopf. Alle, die mit ihm enger zusammenarbeiteten, waren von dieser Kraft beeindruckt, der Demut, mit der er sein Schicksal zu meistern gewillt war. Wie wir erst jetzt erfuhren, wußte Mercury seit fast fünf Jahren, daß er Aids hatte. Freddie hat diese fünf Jahre nur überlebt, weil er einen unbändigen Lebenswillen in sich trug, den Willen, nicht aufzugeben, den Willen eines Champions.

Im Rückblick erinnern wir uns an ein gemeinsames Abendessen in Freddies Londoner Villa, zu dem auch Elton John eingeladen war, wo Freddie 1986 als improvisierte Tischrede vor Freunden sagte: „Eigentlich gibt es ja keine wirklichen Freuden mehr im Leben eines Popstars: Man kann kein Kokain nehmen – sonst fallen einem die Zähne aus, man kann nicht mehr bumsen – sonst holt man sich Aids …“ Damals dachten alle an einen von Freddies schrägen Scherzen – heute wissen wir: Er hat es ernst gemeint.

Trotzdem: In keiner Sekunde – ob bei Videodrehs oder Platten-Sessions – ließ er der Band, den Technikern, den Produzenten oder selbst den kleinsten Nebendarstelier spüren, was für einen inneren Kampf in ihm vorgehen mußte. Sein Blick war nach vome gerichtet, er dachte zuerst an die anderen, dann an sich selbst. Und: Er wußte, daß Arbeit und Liederschreiben vermutlich die einzige Möglichkeit war, mit dieser verdammten Krankheit fertig zu werden.

Es ist jetzt leicht zu sagen: Warum hat Freddie seine Krankheit nicht eher zugegeben, warum ist er nicht an die Öffentlichkeit getreten wie der Basketball-Star Magic Johnson? Nun, abgesehen davon, daß es für einen verheirateten, heterosexuellen, „normalen“ Basketball-Darling einfacher ist, Aids zuzugeben als für einen bisexuellen Popstar, der sein ganzes Leben am Rande der Gesellschaft lebte, war Freddie einfach nicht der Typ für medienwirksame Auftritte in der Öffentlichkeit. Entgegen seinem Popstar-Image war Freddie Mercury ein zutiefst scheuer, geradezu zerbrechlicher Mensch. Außerdem: Man sollte einem Menschen, der uns mit so viel Liebe, Power und Sensibilität 20 Jahre „unterhalten“ hat, auch das Recht zugestehen, sein Leben so zuende zu führen – in Würde zuende führen -, wie er es wollte.

Nur zwei Menschen weihte Freddie vor fünf Jahren, als er Gewißheit hatte, an Aids erkrankt zu sein, in sein Schicksal ein: seine langjährige Freundin Mary Austin sowie Queen-Manager Jim Beach. Mit ihm entschied er auch die Vorgangsweise, zunächst seinen Queen-Kollegen nichts von seiner Krankheit zu sagen. Freddie damals zu Manager Jim Beach: „Was würde passieren, wenn ich zur Band sage: Jungs, ich habe Aids!‘ – Sie wären entsetzt, gelähmt – und das Band-Gefüge würde auseinander brechen: nichts ginge mehr bei Queen. Das will ich nicht. Ihre Qualität als Musiker hilft mir mehr als ihr Mitleid als Freunde. “ Immerhin sind auf diese Weise noch zwei so hervorragende Queen-Alben wie „The Miracle“ und „Innuendo“ entstanden.

Seit jeher war der Songschreiber Mercury ein Einsamer, ein Isolierter, ein an den Rand Gedrängter. Das galt für seinen ersten Hit „Bohemian Rhapsody“, den nur Insider als Eingeständnis seines „Coming Out“ erkannten (Zitat: „Mama, I´ve just killed a man“) – und das gilt auch für seinen letzten Song „The Show Must Go On“, der fast das Motto für die Bewältigung seiner Krankheit wurde.

Wie geht es weiter? Geht es überhaupt weiter? Was kommt nach Freddie? Im Sommer „91 hatten wir Gelegenheit, bei geheimen Queen-Sessions im Mountain-Studio in Montreux dabeizusein. Fest steht, daß Freddie vor seinem Tod praktisch noch ein komplettes AJbum eingespielt hat. Es wäre also durchaus legitim, wenn die drei Queen-Kollegen dieses AJbum als „Queen – die Letzte“ veröffentlichen würden.

Eines ist sicher: Danach ist Schluß. Queen starb mit Freddie – oder, wie Brian May es formulierte: „Einen Menschen wie Freddie Mercury kann man weder als Sänger noch ab Kollegen in einer Band ersetzen. Wir denken nicht daran, ohne Freddie als Queen weiterzumachen. Das sind wir Freddie schuldig …“