Gary Barlow: Doch kein Elton


„Die Zeit war reif ‚, sagte er auf jener legendären Pressekonferenz am 13. Februar 1996, als Take That ihre Auflösung bekanntgaben und damit dem (schon gegangenen) Robbie Williams ein hübsches Geschenk zu seinem 22. Geburtstag machten. Reif, meinte Gary Barlow, für seine Solokarriere, die er als Take-That-Songwriter und selbstgefühlter Mittelpunkt lange vorbereitet hatte. Acht Jahre später (und nicht erst jetzt! stellen wir fest: Ein Wort weniger, dann stimmt der Satz die Zeit war. Dabei blühten der Vorschusslorbeer doch enorm. Barlow sah aus wie ein Schwiegersohn-Model (quadratisch, praktisch, brav), hatte eine voluminöse lallerdings etwas unpersönliche] Stimme, diverse Ivor-Novello-Songwriting-Awards abgeräumt und große Pläne: Der neue Elton John wollte erwerden. Und Konkurrenz war kaum zu fürchten: Robbie Williams war vertraglich verpflichtet, Gary den Vortritt zu lassen, und Mark Owen fehlte offensichtlich die „Power“, um den Megastar in spe von der Olymp-Treppe zu drängen. Außerdem hatte er Erfahrung: Zu seinem zehnten Geburtstag hatte sich Barlow ein BMX-Rad gewünscht, stattdessen aber ein Keyboard bekommen, mit 12 spielte er an Wochenenden in Clubs in Nordwales, schrieb mit 15 seinen ersten Song und war mit 18 alt genug, um den Take-That-Rummet unbeschadeter zu überstehen als andere. „Dies ist die zweite Phase meiner Karriere. Ich liebe das Risiko und die Veränderung“, sagte er, als im Mai 1997 mit einiger Verspätung (auch wegen seiner Trennung von Take-That-Manager Nigel Martin-Smithl das Soloalbum Open Road erschien – eine garantierte Nummer eins, wie schon die Single „Forever Love“. Aber so ganz rosig sah die Zukunft da schon nicht mehr aus: Immer wieder verschobene Platten (wofür eine Oasis-Single, mit der man an der Charts-Spitze nicht kollidieren wollte, und diverse andere „strategische“ Bedenken sorgtenl, abgesagte Auftritte und widersprüchliche Meldungen ließen eine gewisse planerische Wirrnis ahnen. Barlow indes erklärte: „Ich stehe am Beginn einer hoffentlich sehr langen Karriere, die alle möglichen Richtungen nehmen könnte.“ Die Richtung, die sie dann einschlug, die Karriere, war weniger glamourös: 1999 erschien das zweite Album TWELVE MONTHS, ELEVEN DAYS, Und der Jubel war sogar bei jenen verhalten, die nicht längst genug von Barlows süßen Pop-Schaumrollen hatten, zumal inzwischen der Robbie-Stern den braven Ex-Partner grell überstrahlte. Mit gequältem Optimismus kündigte seine Plattenfirma die Single „Lie To Me“ an, als die Spatzen längst den Evergreen „They Dropped Hirn!“ von den Dächern trällerten. Immerhin: Gary hatte nun Zeit, sich um seine Familie zu kümmern. Im Juni 2001 zog er mit Ehefrau Dawn und Sohn Daniel ins kalifornische Santa Monica, um, so vermutete die Presse, seine schwindsüchtige Solokarriere doch noch malanzufachen. Vergeblich: Im November2001 schloss mit der Meldung vom („vorläufigen“) Ende aller Soloaktivitäten auch sein Fanclub. Der inzwischen 30-jährige besann sich auf das, was er gelernt hatte: Man hört, er wolle nun selbst Boygroups zusammensetzen und habe als Komponist und Produzent am neuen Album des allerersten aller erfolgreichen Boygroup-Flüchttige mitgearbeitet: Donny Osmond.