Pop Art


Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz

18. Juli 2010, iTunes-Album-Charts Platz 111: Take That „Greatest Hits“

Zwei Tage nach der Nachricht immer noch so amüsiert wie erstaunt: Robbie Williams ist wieder bei Take That. Amüsiert und erstaunt auch über die Erklärung, die fast alle gleich zur Hand hatten: dass es bei Williams solo halt nicht mehr so lief. Das ist die unwahrscheinlichste Erklärung. Sie passt überhaupt nicht in die Erzählung, die Williams als Autor seiner selbst von sich in den 14 Jahren ohne Take That geschrieben hat – und diese Erzählung ist immer schon besser gewesen als die meisten seiner Lieder.

Williams‘ Ich-Erzählung handelt von einer permanenten Flucht und dem Unerfülltbleiben der Sehnsüchte. Doch nur ganz am Anfang waren es Take That und der schale Boyband-Ruhm, dem Williams so verzweifelt entkommen wollte in seiner Fiktion von sich selbst. Er hat alle möglichen dramaturgischen Mittel dafür durchgespielt: Zunächst hat er sich demonstrativ gehenlassen, verfettete, soff und kokste; nachdem mit „Angels“ dann der erste von bald vielen Hits da war und mit dem dritten Album SING WHEN YOU’RE WINNING auch die künstlerische Anerkennung, war die Emanzipation von der Vergangenheit abgeschlossen. Das erste Kapitel der Erzählung war zu Ende.

Ab da entfielen Take That und besonders Gary Barlow als Antagonisten und zugleich als Motivation der Hauptfigur. Sie wurden kurz ersetzt durch die ewige Sehnsucht eines Sohnes nach der Anerkennung des Vaters: Das Swing-Album, das als clevere Marketingaktion betrachtet wurde, dient in Williams‘ Erzählung in Wahrheit zur Befriedung des Vater-Sohn-Konflikts ausgerechnet durch den symbolischen Vatermord – der unfassbar erfolgreiche Popstar-Sohn inszeniert sich vor den Augen des erfolglosen Entertainer-Vaters als Erbe der Idole eben des Vaters. Danach jedoch zerfällt die Erzählung in psychologisierende Nebenstränge: die (zunächst) unerfüllte Sehnsucht nach der Liebe einer Frau, die Angst vorm Scheitern und vorm Publikum münden in der Flucht in Psychopharmaka und wahllosen Sex; die letzte der großen Emanzipationen kommt mit der Trennung vom Songschreiber-Partner Guy Chambers, eine künstlerische Dummheit. Ab dem Punkt verläppert die Handlung endgültig, sie wird eine handelsübliche von Hochzeitsplänen und gesundem Leben.

Nein, die Nachricht, dass Williams nun wieder bei Take That ist, ist kein logischer Schritt eines Popstars, der in einer Krise steckt. Sondern das Eingeständnis des Autors Robbie Williams, dass ihm keine Wendung mehr für seine eigene Erzählung eingefallen ist. Also hat er die leichteste, vorhersehbarste, ödeste Volte hingeschrieben. Was für ein Antiklimax. Zu schlecht für ein Ende, vor allem für ein gutes.