Gene Simmons: Blind Date ´85 mit Gene Simmons


Unverschämt wie ME/Sounds-Reporter nun mal sind, raubten wir dem Mann mit dem längsten Schleckorgan seit der lila Milka-Kuh den wohlverdienten Schlaf. Doch Profi, derer ist, war Gene Simmons auch zu nachtschlafender Zeit (10 Uhr vormittags) zu allen Schandtaten bereit. Zwischen Kaffee und Croissants bewies der Ex-Lehrer und Kiss-Bassist musikalischen Durchblick und präsentierte sich als cleverer Zeitgenosse, der genau weiß, wann er wem die Zunge zeigt...

Gary Moore: „Run For Cover“

„Klingt fast wie Nightranger. Wer ist es? Gary Moore? In den Staaten kennt man ihn nicht; er sieht eben nicht aus wie ein Star. Und du brauchst drüben schon ein gewisses Image – nuuur ein brillanter Gitarrenspieler zu sein, genügt leider nicht.

Roger Daltrey: „After The Fire“

„Das ist der Song, den Pete Townshend geschrieben hat. Wenn Daltrey wirklich ein Comeback schaffen will, dann sollte er keine Keyboards verwenden! Als ehemaliges Mitglied der Who braucht er einfach mehr Energie – sprich Gitarren!

Der Song ist pretty, er singt genauso wie damals; macht großen Druck mit der Stimme. Aber wenn er seinen musikalischen Stil ändern will, sollte er auch seinen Gesangs-Stil diesem Ziel anpassen. Aber wenn er so loslegt und Zeilen wie „After the fire, the fire still burns“ schmettert, dann möchte ich auch (holt aus zum Townshendschen Gitarren-Armkreisel!) das hören: Brrräng! Diese Nummer hat keine Chance in Amerika…“

Falco: „Vienna Calling“

„Johann Strauß, Wiener Walzer, definitiver Mega-Hit! Die Cars sind’s nicht, obwohl der Mann am Mikro peinlich genau Ric Ocasek kopieren will. Was singt der da? Vienna was? Calling? Ist das Peter Maffay? Udo Lindenberg? Da, jetzt hat’s für einen Takt nach Nina Hagen geklungen. Sind das ‚die von Da-Da-Da? Diese… hm… Trio? Keine Ahnung… Falco? Ahh! Ich dachte es mir die ganze Zeit. Der Kommissar! Very good production. Wenn er zehn Monate im Jahr in den Staaten arbeiten würde, könnte er abräumen. Mein Tip für ihn: Take a year off of your life – go there! Go to work, man!“

Warlock: „All Night Long“

„Da singt doch eine Frau, oder? Komisch, sie hat den gleichen Klang und Akzent wie Klaus Meine. Ist das seine Schwester? Interessante Produktion. Dieter Dierks? Diese Snare-drum trägt eindeutig seine Handschrift. Es gab mal eine australische Band namens Cheetah, die klang genauso. Wer ist es, ich komm‘ nicht drauf. Warlock? Die Gitarren-Arrangements sind mir etwas zu simpel. Alles in allem würde ich sagen, daß die Band lieber ihre eigenen Ideen forcieren sollte als soviel von Dieter Dierks zu klauen. Vielleicht brauchen sie noch ein wenig Zeit, um Persönlichkeit zu bekommen.“

David Lee Roth: „Just A Gigolo“

„What a smart boy… Das ist einer, der vor gar nichts Angst hat. He doesn ‚t give a shit! Erinnerst Du Dich an meinen Kommentar zu Roger Daltrey? Nun, David ist das perfekte Beispiel für jemanden, der sich auf jede Art von Musik perfekt einstellen kann.

Eine gesunde Karriere ist wie eine Heirat: Du und dein Partner – in diesem Fall das Publikum – müssen zufriedengestellt werden. Wenn du nur das , was dir in den Kram paßt, geht’s in die Hose. Und wenn du alles tust, um das Publikum bei Laune zu halten, hält man dich bald für einen Mastdarm-Akrobaten, einen Arschkriecher.

Viele Leute wissen ja nicht, daß ich Van Halen entdeckt habe. Ich gab ihnen den ersten Vertrag, hab‘ 13 Songs als Demos produziert, bin mit ihnen nach New York geflogen, hab‘ ihnen Schuhe gekauft… und schon waren sie Stars…“

Dokken: „Tooth & Nail“

„Raven? Nein, es ist Don Dokken. Für mich klingt er wesentlich überzeugender bei melodischeren Sachen. Wir hatten Dokken mal als Opening Act – und ich finde die Band eigentlich recht anständig; dieser Song ist allerdings schwach produziert. Eindimensional! Gitarre, Baß und Drums haben keine Tiefe, sondern laufen auf einer einzigen Ebene ab.“

Hall & Oates: „Everytime You Go Away“

„Daryl Hall erkennt man schon am ersten Ton. Paul Youngs Version ist mir aber um einiges sympathischer; er hat so eine geile Zigarretten-Stimme. Daryl hingegen glaubt, andauernd beweisen zu müssen, welch fabelhafter Sänger er ist. Aber gerade das sollte man diesem Song nicht antun.

Mr. Hall hat ein enormes Ego, oh Gott, diese Las Vegas-Einwürfe, uh huhu… Wenn er ein bißchen weniger Star spielen würde, könnte er noch viel größer sein. Godzilla muß auch nicht verlautbaren, daß er big ist. Es gibt nur eine Person, die großartig war und gleichzeitig genauso groß ihr Maul aufreißen durfte, und diese Person heißt Muhammed Ali!“

Sting: „Love Is The Seventh Wave“

„Sting, hervorragend. Wieder so ein Kerl, der keine Angst hat. Es beeindruckt mich, wie der Mann auf der Höhe seines kommerziellen Erfolges plötzlich sagt: Okay Leute, that’s it, ich mach‘ jetzt was ganz anderes. Nichts auf der Welt wäre einfacher und einträglicher gewesen, als Police-Songs bis ans Ende der Tage zu schreiben. Schade nur, daß diese Art von Musik, dieser Reggae-infizierte Groove, in Amerika keine Chance hat. Wir Amis haben keine Ahnung von Reggae! Wir kommen einfach mit dem „Beat nicht klar. Unsere Schule hieß Motown und Stax-Volt – und das hat bei weitem ; mehr mit S-E-X zu tun als dieser happy groove des Reggae, der mich manchmal an : eine Kinderschaukel erinnert. Sorry! Americans are dirtier…“