Gesellschaft mit beschränkter Haftung


Als homogene Band kann man sie nun wirklich nicht bezeichnen. Vom ätherischen Jon Anderson bis hin zum unkomplizierten Sonnyboy Alan White vereint Yes alle nur denkbaren Extreme. Das Betriebsklima scheint trotzdem zu stimmen. Für ME/Sounds spielte Gitti Gülden in Los Angeles den Werkspion.

Nach 20 Jahren, 19 LPs und acht Umbesetzungen steht Yes als gewaltiger musikalischer Dinosaurier fester denn je auf seinen zehn Beinen. Und seit fünf Jahren sind sie. bis auf Gitarre und Schlagzeug, wieder in Originalbesetzung zusammen — erfolgreicher denn je. Als britische Art-Rock-Band fingen sie an, heute ist Yes ein amerikanisches Mega-Erfolgsunternehmen mit vier englischen und einem südafrikanischen Musiker. Bei Yes ist eben alles ganz anders.

Da wird zunächst eine ganze Hotel-Etage für einen Nachmittag gemietet. Ein paar Zimmer für die Band samt Begleitung, je eines für fünf Journalisten aus ebensovielen Ländern. Die Herren Musiker kommen aufgrund eines raffiniert ausgeklügelten Planes nacheinander ins Zimmer und schauen den Vertreter der schreibenden Zunft erwartungsvoll an. Das geht so reibungslos, daß zwischendurch kaum Zeit bleibt, den Notizblock umzublättern. Und es kommt einem vor, als säße man mitten in den Dreharbeiten zu einem Film: Klappe — Schnitt — der Nächste bitte.

Das erste Gegenüber verließ Yes auch als erster, 1971, spielte zunächst bei der Gruppe Flash, dann erfolglos in der eigenen Formierung Badger, um hernach bei Bowie, Badfinger und Detective Tasten und Regler zu betätigen. Tony Kaye hat als Tastenmann Rick Wakeman und Patrick Moraz hinter sich und vermutlich den größten Erfolg seiner Laufbahn mit Yes vor sich. Kaye ist Anfang 40, hat schlohweißes Haar, trinkt Mineralwasser, spricht mit sanfter Stimme, ist bestens durchtrainiert.

„Der Unterschied zu damals? Schau dir die technische Entwicklung der Informationssysteme an, dann siehst du den Unterschied. 1969 spielte ich auf einer simplen Hammondorgel und einem schlichten Piano. Es gab zwar Minimoog und Mellotron, aber ich mochte beides nicht.

Wakeman war da wesentlich weiter. Yes sollte ja wie eine Klangkathedrale wirken, aber meine Versuche klangen eher wie 20 jaulende Katzen. Eines Tages kippte ich das Mellotron einfach von der Bühne. Heule kann ich die unglaublichsten Sounds auf meinem Synclavier sampeln — ohne bombastisch zu tönen. Big Generator ist für mich eine der besten Yes-LPs überhaupt, weil sie musikalisch einfach mehr zu bieten hat als ihre Vorgänger. Und vor allem: Wir spielen wieder wie eine Band zusammen. “ Eine berechtigte Feststellung nach Jahren sogenannter „musikalischer Differenzen“.

Klappe, Schnitt,— Auftritt Chris Squire. Ein Hüne mit weißblonder Stoppelfrisur. Chris gründete seinerzeit (1967) gemeinsam mit Jon Anderson Yes, und zwar im Keller eines Striplokals in Soho.

Nie hätte der ehemalige Chorknabe auch nur im Traum dran gedacht, so etwas Verpöntes wie populäre Musik zu machen. „Ich sang als Teenager in einem berühmten Kirchenchor, der später auch bei Di’s Hochzeit sang. Für uns gab’s nur klassische Musik. “ Der 39jährige nippt an seinem Wein, und ich kann nicht umhin festzustellen, daß er geradezu riesige Hände hat.

Stimmt, ich habe talsächlich angefangen. Baß zu spielen, weil man mir damals sagte, das ginge sehr gut mit großen Händen.“

Chns‘ Chorvergangenheit erklärt die wunderbaren Harmoniegesänge der Band, und er gilt als Motor von Yes, ohne den es die Gruppe möglicherweise gar nicht mehr gäbe. Wie erklärt er sich den ständig wachsenden Erfolg, besonders in der Wahlheimat Amerika?

„Wir sind immer Yes geblieben. Hier schätzt man Beständigkeit, übrigens genauso in Deutschland. Die Leute wollen sich wenigstens auf ihre Musik verlassen können, und mit Big Generator werden wir niemanden enttäuschen. Es ist unser bestes Album.“

Klappe — Schnitt — Ihr Auftritt. Jon Anderson. Jon ist wohl der Wundersamste dieses erstaunlichen Quintetts. Am25. Oktober feierte er seinen 43. Geburtstag und ist mit Abstand der Bunteste der Band, zumindest in der Wahl seiner Kleidung. Der Sänger mit der ungebrochen klaren und hohen Stimme ist nach Soloausflügen und verschiedenen Gaststpielen wieder bei Yes, aber: „Ich habe Yes nie verlassen. Ich habe mich nur kurzweilig auf anderem Gebiet bewegt.“ Big Generator hat für Jon fast magische Kraft. Er glaubt an Höheres, Weiteres, Tieferes: „Ich bin überzeugt, daß wir keine kleinen Individuen sind, irgendwo abgeschnitten von der großen Schöpfung. Wir sind alle Teile eines Ganzen, Du, ich, eine kleine Ameise, der Himmel, die Bäume, einfach alles.“

Schnitt — Klappe — Alan White stürmt herein. Schlagzeuger sind meist unkompliziert, bodenständig und zuverlässig. Auf Alan White trifft alles zu. Der ehemalige Keith Moon-Freund und Mitglied der Yoko-Ono-Band macht einen ganz und gar unenglischen Eindruck, eher den eines kalifornischen Sunnyboys. Er liebt das Leben in der Sonne, mit den Kindern am Pool. Für die anstehende Yes-Tournee wurde ein Schlagzeug für ihn konstruiert, „das es vorher noch nie gab. Ich brauche dazu vermutlich acht Arme und vier Beine. Es wird gigantisch.“

Klappe — Schnitt — der Benjamin des Quintetts tritt ein: groß, hübsch, klassisch geschult — die Frischzellenkur für Yes. Er schrieb den ersten Single-Hit („Owner Of A Lonely Heart“) und hat auch die Erklärung, warum die Arbeit an Big Generator über zwei Jahre in Anspruch nahm: „Wir sind alle sehr unterschiedliche Individuen, da dauert es halt ein wenig länger, alles unter einen Hut zukriegen.“

Trevor Rabin sieht den Produktionsvorgang eher wie das Malen eines Bildes.

„Klänge können wie Farben sein. Und dank der hochentwickelten Technik braucht man niemanden mehr mit einem riesigen Klanghammer zu erschlagen, sondern wir können wunderbare harmonische Klangwelten zaubern.“ Mit riesigem Aufwand wird gerade an der Bühnenverwirklichung dieser Klangwelten gearbeitet.

Schnitt — Klappe — die Tür fällt ins Schloß. Diese Fünf sollen eine harmonische Band sein? Big Generator sagt ja.