„Gloria – Das Leben wartet nicht“ im Kino: Tanz auf dem Vulkan (Kritik)


„Gloria“ spricht jetzt englisch und sieht aus wie Julianne Moore. Aber sonst ist sie nicht viel anders, als sie vor sechs Jahren schon mal war.

Julianne Moore tanzt. Ganz am Schluss tanzt sie. Und tanzt und tanzt und tanzt. Als hätte sie schon den ganzen Film über getanzt, als würde man sich mit ihr im Disco-Rhythmus von Laura Branigans Version von Umberto Tozzis „Gloria“ wiegen. „I think you’ve got to slow down before you start to blow it. I think you’re headed for a breakdown, so be careful not to show it“, singt Branigan und könnte damit tatsächlich die Titelheldin des neuen Films von Sebastián Lelio meinen.

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Der Chilene erzählt die Geschichte einer fantastischen Frau, die allen Grund hätte, sich am Rand des Nervenzusammenbruchs zu befinden, wenn sie nicht das Leben, das eine, das sie hat, so sehr lieben würde. Ein bisschen schrill ist es schon, dass man im Kino sitzt und sich keine andere in dieser Rolle vorstellen kann als Julianne Moore. Allein schon deshalb, weil es den Film, den wir da gerade sehen, schon einmal gab.

Vor sechs Jahren gelang Lelio mit seinem ersten „Gloria“ der internationale Durchbruch: Seine Hauptdarstellerin Paulina García gewann auf der Berlinale den Silbernen Bären als beste Schauspielerin. Einen Oscar (für „Eine fantastische Frau“) und einen ersten englischsprachigen Film später (phänomenal: „Ungehorsam“ mit Rachel Weisz und Rachel McAdams, in Deutschland nur auf DVD erschienen) hat der Regisseur den Film im Grunde Szene für Szene noch einmal gedreht. Am verblüffendsten daran ist, dass es derselbe Film, aber doch ein völlig anderer ist, einfach weil die Kulissen und die Schauspieler andere sind.

Wenn man Moore zusieht, wie sie sich als Frau über 50 durchs Leben schlägt, dann sieht man nur sie. Das spricht für Lelio, den gegenwärtig vermutlich besten Frauenregisseur neben François Ozon. Er lässt seine Schauspielerinnen und mit ihnen die Figuren leben. Oder eben tanzen. Wie Gloria, die sich ein Leben mit – aber nicht neben – ihrem Liebhaber vorstellen kann. Wenn sie ihm erklärt, er solle sich endlich neue Eier wachsen lassen, dann tut sie das, weil sie lieber tanzen geht, als ihre Zeit zu verschwenden.

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„Gloria – Das Leben wartet nicht“, von Sebastián Lelio, USA 2018, mit Julianne Moore, John Turturro, seit 22. August 2019 im Kino