Godley & Creme – Pop mit Pat und Patachon


Sie machen brilliante Musik, drehen preisgekrönte Videos, erfinden skurrile Musik-Instrumente, zeichnen bissige Comics – und haben ihr Pulver noch lange nicht verschossen. Godley & Creme, früher kreative Hälfte der Popgruppe 10CC, sind mit ihrem Mutterwitz die Hechte im Karpfenteich der Popmusik. ME/Sounds besuchte die Tausendsassas in ihrer Ideenwerkstatt.

Godley und Creme sind erstaunt Erstaunt darüber, daß ihre LP BIRDS OF PREY in der Kritiker-MÜV-Liste 5/83 auf Platz eins kam.

„Du lieber Himmel“, wundert sich Kevin Godley laut, „es muß ja wirklich arg um die Pop-Musik bestellt sein, wenn diese Platte die Nummer eins des Monats gewesen sein soll!“

Und sein kleiner Partner Lol Creme gesteht völlig ungefragt, daß die LP bestimmt nicht das Gelbe vom Godley/Creme-Ei sei: „Eigentlich hatten wir gar nicht vor, eine neue Platte zu veröffentlichen Wir hatten ein bißchen im Studio rumgefummelt, aber von einer fertigen LP im Sinne von, L ‚ oder ISMISM war noch überhaupt nicht die Rede Unser Fehler war, daß wir diese Tracks der Polydor vorspielten – und die sofort sagten: .Fantastisch; Jungs, da machen wir ’ne LP draus! Wann können wir die restlichen Titel haben?‘ Und da standen wir plötzlich in Zugzwang und mußten den Rest mehr oder weniger zusammenschustern.

Nee, das machen wir nie wieder. In Zukunft veröffentlichen wir Singles und Maxis, denn so wichtig ist uns das ganze Musikgeschäft ja wirklich nicht mehr.

Wir sitzen im Büro der Godley/ Creme-eigenen Video-Firma „Medialab“ Kevin Godley. gepflegter Bart und von Kopf bis Fuß schwarz gewandet, und Lol Creme, sportlich gekleidet und immer noch den Eindruck eines jungen Pfiffikusses vermittelnd, warten auf das Erscheinen eines genialen Bastlers, „der uns irgendwas sensationelles Holographisches vorführen will“.

Das Genie scheint den Weg jedoch nicht zu finden, Zeit also für ein ausführliches Gespräch unter sechs Augen.

Natürlich will euer Reporter nun endlich wissen, was eigentlich aus dem Gizmo geworden ist, jenem von G & C entwickelten Gitarren-Aufsatz, der ja vor Jahren angeblich die Rock-Musik revolutionieren sollte.

Godley (grinsend): „Alles gelogen! „

Creme (ernsthaft): „Das Ding ist tatsächlich gebaut worden, doch leider von einer US-Firma, die das Projekt völlig abfuckte. Erstens brauchten sie bis zur Serienproduktion mehr als zwei Jahre, und zweitens kamen sie, als sie endlich soweit waren, voll in die Rezession. „

Aber so leicht läßt sich euer Reporter nicht abspeisen. Rezession hm, Rezession her, schließlich hieß es ja damals, daß ein Gitarrist, der sich einen Gizmo an seine Klampfe anbringen ließe, jeden Keyboardspieler überflüssig machen würde.

Creme: „Das Ding war einfach nicht gut genug gebaut. Die haben die ganze Kohle für Publicity verbraten und am Produkt gespart. „

Godley: „Ich kenne sogar ein paar Leute, die sich den Gizmo gekauft haben John Lennon hatte einen, Paul McCartney und der Bassist von George Benson haben sich auch einen zugelegt. Aber eigentlich war das schlechte Timing an dem Mißerfolg schuld, denn als der Gizmo endlich auf den Markt kam, gab’s bereits Synthesizer für um die tausend Mark.“

Creme: „Ich meine, wir waren halt auch nur ein Produkt unserer Zeit, der Sechziger Wir übertrieben ’s genauso wie alle anderen, wie Yes, Pink Floyd, Emerson, Lake & Palmer. Die damalige LP CONSEQUENCES war einfach unser Superding.

Aber dank dieser Platte lernten wir, ökonomischer zu arbeiten, immer das Budget vor Augen zu haben. Speziell was Videos und das Geld anderer Leute anbelangt. Heute sind wir 100% effektiv.“

Und wann fing’s mit Videos an? Ihr zählt ja inzwischen zu den gefragtesten Musik-Video-Produzenten Englands.

Godley. „Unser erstes Video war ,An Englishman In New York‘ von unserer LP FREEZE FRAME. Da wir den Titel geschrieben hatten, haben wir uns gesagt: Mensch, warum machen wir unser Video nicht selbst?‘ Und als das Ding im Kasten war, standen schnell andere Interessenten auf der Matte.

Die Preise und Auszeichnungen ließen auch nicht lange auf sich warten. Mind Of A Toy‘ für Visage wurde z. B. zum besten Video des Jahres ’81 gekürt.“

Kommen wir zur Frage nach der Arbeitsteilung. Wer macht bei euch eigentlich was?

Godley „Du hast es mit zwei gespaltenen Persönlichkeiten zu tun.“

Creme: „Zwei Psychopathen. Sagen wir’s mal so. Wir handeln nie aus, wer für die Choreographie verantwortlich sein wird Wir sind beide Tänzer, also tanzen wir auch stets gemeinsam Bei unseren Videos z. B. sind wir natürlich bestens vorbereitet. Wir kennen den Titel und den Künstler genau, und dann entscheiden wir, was sich filmisch damit anfangen läßt. Wir brauchen das Stück nicht mal zu mögen, solange wir den Künstler mögen. Oder umgekehrt.

Und dann machen wir den Film zunächst mal für uns selbst. Jede Einstellung, jedes Detail, wird im sog. Storyboard festgehalten. So gesehen ist es dann völlig egal wer zu guter Letzt dem Kameramann sagt, in welche Position er gehen soll, oder dem Beleuchter, welchen Filter er nun einlegen muß.“

Godley: “ Wir sind nun seit 24 Jahren zusammen; da sollten wir eigentlich wissen, was wir wollen.“

Und wenn ihr Platten macht?

Creme: „Da läuft das absolut genauso Wir können gegenseitig unsere Gedanken lesen. Ich fange z. B. die erste Zeile der ersten Strophe soundso an, und Kev hat schon gleich die zweite parat.“

Godlfiy „Ich kann nur wiederholen: Unsere Hirne arbeiten absolut parallel“

Und die Zeichnungen in „The Fun Starts Here!“ (Ein Kult-Buch, gezeichnet und getextet von Kevin und Lol, das die Karriere eines Rock-Musikers fürchterlich auf die Schippe nimmt). Da hat doch sicher einer von euch gezeichnet, und der andere hat geschrieben?

Godley: „Mitnichten. Lol hat ein Bild gezeichnet, ich ein anderes. „

Creme „Und Kevin hat ein Kapitel geschrieben – und ich ein anderes.“

Godley. „Ich glaube, du verstehst jetzt, wie ähnlich unsere Denkweisen und Stile sind. Wir sind einzigartig „

Creme: „Einzigartig unnatürlich!“

Godley „Echt gespenstisch. Da stimmt was nicht.“

Creme “ Wir tun alles gemeinsam Alles!“

Godley. „Und manchmal auch nichts.“

Creme. „Platten machen wir bei mir, Videos in Kev’s Haus.“

Godley „Das ist auch wirklich das einzige: Wir wohnen nicht zusammen!“

Creme. “ Und schlafen nicht zusammen!“

Was bedeutet euch denn heute mehr. Platten oder Videos zu machen?

Godley: “ Weder das eine noch das andere Wir wollen Filme machen Spielfilme Wir arbeiten bereits ernsthaft an einem Spielfilm über George Gershwin „

Was bedeutet euch denn eigentlich noch die Musik?

Godley: „Wenn du die Pop-Musik meinst, dann ist die eher zweitrangig geworden.“

Creme: „Außerdem wollten wir schon immer Filme machen. Schon während unser Zeit bei Wcc. Die Musik dieser Band war für mich rein visuelle Musik. Musik von Leuten, denen es nicht möglich war. Filme zu machen. Heute, da wir endlich Filme machen dürfen, haben wir weitaus größere Probleme, Platten zu machen, die frisch und begeisternd klingen.“

Ihr würdet also auch nie wieder auf Tour gehen?

Godley „Nein, keinesfalls!“

Creme: „Das soll aber nicht heißen, daß wir keine Platten mehr machen wollen. Ich hebe es immer noch, im Studio rumzufummeln und mal ein Stückaufzunehmen. Aber ich werd‘ mich nie mehr zu einer LP zwingen lassen „

Godley: „Die meisten Leute kennen uns als Musiker, die auch Videos machen, aber wir möchten als Filmemacher bekannt werden, die auch Platten machen. Ich habe vor ein paar Tagen Wcc im Konzert gesehen, und das war ein befremdlicher Abend.“

Creme: „Graham und Eric (Gouldman und Stewart, die beiden lOcc-Ex-Partner von Godley/Creme) sind Musiker im wahrsten Sinne des Wortes. Die lieben das Leben im Studio und auf Tour. Aber Kev und ich haben das nie so gesehen. Die vier Jahre in dieser Band waren toll, haben uns aber völlig gereicht und uns, was das Filmemachen anbelangt, nicht einen Millimeter weitergebracht.“

Godley: „Und die nächsten zwei Jahre nach unserem Ausstieg waren halt nicht so toll denn diese 24 Monate brauchte es, bis uns jemand die Chance gab, hinter einer Kamera zu stehen.“

Noch eine letzte, fast obligatorische Frage Wie ist euer Verhältnis zur neuen englischen Pop-Musik?

Creme. „Wir lieben heute wesentlich mehr Bands als in unserer aktiven Musikerzeit z. B. das , Girls On Film‘- Video für Duran Duran machen zu können, war ein echtes Vergnügen. Und wenn ich mir beispielsweise Culture Club anhöre, dann weiß ich, daß wir uns um die Pop-Musik keine Sorgen zu machen brauchen. „